Die Verhandlung am Verfassungsgerichtshof am Donnerstag hatte etwas von „Grundkurs IT-Forensik“. Fast zweieinhalb Stunden lang erklärten drei Sachverständige den Höchstrichtern, wie ein Handy geknackt und ausgewertet wird und was mit den Unmengen an Daten passiert. Keine leichte Aufgabe.
„Herr Professor, Sie haben’s hier nur mit Juristen zu tun, könnten Sie ein bisserl langsamer reden?“, wurde ein Experte der Uni Linz von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter gebeten.
Ein Höchstrichter erzählte später, er sei mit seiner „besseren Hälfte“ in Google Maps verlinkt und wisse immer, wo sie ist. Ein anderer wollte wissen, wie lange sein Handy speichert, wo er war.
Vor den VfGH gebracht hat das Thema ein Kärntner Unternehmer, gegen den Ermittlungen wegen Untreue laufen. Er wehrt sich gegen seine Handysicherstellung – und greift damit ein politisch brisantes Thema auf: Die Koalition kommt mit ihrer Justiz-Reform seit Jahren nicht vom Fleck. Die ÖVP lehnt die grünen Pläne für den Generalstaatsanwalt ab, die Grünen wiederum können mit den türkisen Wünschen für die Stärkung von Beschuldigtenrechten wenig anfangen.
➤ Mehr dazu: Zadić gegen Edtstadler: Getrennte Wege bei Justizreform
Komplexe Materie
Der VfGH könnte jetzt den Turbo zünden: Folgt er dem Antrag, dann ist die Regierung gezwungen, neue Regeln zu schaffen. Oder besser gesagt: überhaupt Regeln zu schaffen. Denn eines wurde spätestens nach dem zweieinhalbstündigen IT-Grundkurs deutlich: Dafür, wie komplex dieser Bereich ist, ist erstaunlich wenig geregelt.
Ausgesprochen hat diesen Gedanken Höchstrichter Christoph Herbst: „Glauben Sie nicht, dass der Gesetzgeber präzise, klare Regelungen treffen sollte?“
Die Frage war an Johanna Hayden, stv. Abteilungsleiterin des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, gerichtet. Sie hatte zuvor erklärt, dass bei diesen Eingriffen immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei.
➤ Lesen Sie auch: WKStA-Chefin Vrabl-Sanda: "Unser Tatort ist das Smartphone"
Selber schuld?
Gemeinsam mit Justiz-Sektionschef Christian Manquet wurde Hayden von der Bundesregierung geschickt, um die aktuelle Regelung zu verteidigen. Auch keine leichte Aufgabe. So sorgte Hayden für Verstimmung, als sie meinte, es könne ja jeder selbst entscheiden, was er am Handy speichert.
Höchstrichter Johannes Schnizer: „Sie suggerieren, man ist selber schuld, wenn man nicht löscht und es so der Strafverfolgung zugänglich macht?“ (Im IT-Grundkurs war ja gerade erst gelehrt worden, dass man nie ganz sichergehen könne, ob alles gelöscht ist.)
Die Höchstrichter wollten unter anderem wissen, warum es für eine Hausdurchsuchung eine richterliche Genehmigung braucht und für eine Sicherstellung nicht. Manquet erklärte, dass man bei der StPO-Reform 2008 darauf verzichtet habe, weil der Aufwand zu groß schien – auch budgetär.
Eine Frage wurde gleich in mehreren Varianten gestellt: Wer kontrolliert, dass die Regeln eingehalten werden? Dass nur Daten, die fürs Strafverfahren von Interesse sind, in den Akt wandern? Und dass nicht nur be-, sondern auch entlastendes Material Beachtung findet?
Manquet erklärte, dass Beschuldigte über die Akteneinsicht kontrollieren könnten. Dass Staatsanwälte einseitig agieren würden, wies er zurück.
Eine Entscheidung wurde am Donnerstag noch nicht getroffen, die Höchstrichter zogen sich zu Beratungen zurück.
Lesen Sie auch:
➤ VfGH zerpflückt Coronahilfen: Milliarden an Steuergeld, aber wo bleibt die Kontrolle?
➤ Kickls Asyl-Agentur wird vom Höchstgericht durchleuchtet
Kommentare