Causa Buwog: Die fatale Optik bei Grassers Haftausgängen

Strafe erfüllt den Zweck, einen Täter von weiteren Taten abzuschrecken und der Öffentlichkeit ein Gefühl von Gerechtigkeit zu vermitteln – dass „ein Unrecht Folgen nach sich zieht“, wie es kürzlich OGH-Präsident Georg Kodek ausdrückte.
Nun gibt es einen ehemaligen Finanzminister, der die ihm anvertraute Macht ausgenutzt hat, um sich selbst zu bereichern. Der jetzt 33,39 Millionen Euro Schulden hat – rund 20 davon gegenüber Republik und Finanz. Wenn so jemand dann am Wörthersee in einem Nobellokal sitzt und das nur einer von mehreren Haftausgängen ist, die er in den vergangenen drei Monaten genossen hat: Was macht das mit dem Gerechtigkeitsgefühl der breiten Bevölkerung?
Spätestens seit Karl-Heinz Grassers jüngstem Ausflug steht fest: nichts Gutes.
Gedämpft wird der Volkszorn aktuell nur von der Tatsache, dass der 56-Jährige zu Wochenbeginn ein akutes gesundheitliches Problem hatte, notoperiert werden musste und sich gerade im Spital erholt.
Klar ist: Die Freiheiten, die Grasser genießt, sind rechtens. Ob es gerecht ist – diese Frage muss er sich gefallen lassen. Spital hin oder her.
Anwalt Manfred Ainedter hielt sein Statement knapp und bat darum, die Privatsphäre seines Mandanten und der Angehörigen zu wahren. KURIER-Informationen, wonach sich der Notfall während eines neuerlichen Ausgangs zugetragen hat, kommentiert das Justizministerium aus Prinzip nicht.
„Insassenbezogene Auskünfte“ würden nicht erteilt, hieß es. Grasser würde in Haft und bei Anträgen – sei es Ausgang oder Fußfessel – „behandelt wie alle anderen auch“.
Das ist neu. Am 2. Juni hat die Justizanstalt Innsbruck eigenständig kommuniziert, dass Grasser „zu Mittag eingetroffen“ sei, die Aufnahme durchlaufen habe, von einem Arzt untersucht und einer Psychologin kontaktiert worden sei.
Dann hat das Ministerium in Wien die Kommunikation zum Promi-Häftling an sich gezogen und jetzt eine Komplettsperre verhängt. Das öffentliche Interesse wird hintangestellt – im Versuch, die Wogen zu glätten. Was scheitern wird, denn das ist erst der Anfang.
Grasser hat die Fußfessel beantragt. Schon in einem Monat könnte er aus dem „Ziegelstadel“, wie man das Gefängnis in Innsbruck nennt, raus sein. Von seiner vierjährigen Haftstrafe hätte er dann nur circa vier Monate effektiv im Gefängnis abgesessen. Knapp zwei Jahre – bis zur bedingten Entlassung, die er in Aussicht hat – würde er zu Hause und an einer Arbeitsstelle verbringen. Bei jedem Schritt im Freien, so viel ist sicher, lauern die Handykameras der Bevölkerung.
Dass es dem einst so beliebten und extrovertierten Minister da an Gespür fehlt, wurde spätestens seit dem Wörthersee-Ausflug am 26. Juli offenkundig: Anwalt Ainedter erklärte, Grasser habe seine betagten Eltern in Kärnten besucht und könne im Rahmen seines Ausgangs auch anderes tun.
Also setzt sich Österreichs prominentester Häftling zur Mittagszeit mit seiner Frau in ein Restaurant am Wörthersee.
Hochkarätige Anwälte
Justizintern ist man sich bewusst, dass das alles keinen schlanken Fuß macht. Aber die Innsbrucker Kollegen entscheiden selbst über Anträge ihrer Insassen. Und sofern es keinen echten Grund gibt, Grasser Ausgänge zu verwehren, tue man sich eben schwer. Auch in Anbetracht dessen, dass der Ex-Minister mehrere hochkarätige Anwälte an der Hand hat.
Ein Otto-Normal-Insasse werde so jedenfalls nicht behandelt. „Was Grasser zugestanden wird, hält keinem Vergleich stand“, sagt ein erfahrener Justizbeamter. Auch Strafrechtsprofessor Robert Kert sagte in der Presse: „Ich würde mir wünschen, dass man das bei anderen Häftlingen dann auch so handhabt.“
Die Grünen – Partei der früheren Ex-Justizministerin Alma Zadić, die jetzt Vize-Klubchefin ist – orten einen „Promi-Bonus“ und haben eine parlamentarische Anfrage gestellt.
Haftausgang
bekommen Insassen im gelockerten Vollzug und vor der Entlassung, sofern sie „nicht besonders gefährlich“ sind. Laut Justizministerium sind zwei Ausgänge pro Quartal möglich, bei „besonders positivem Vollzugsverhalten“ auch bis zu zwei pro Monat. Als Grund sind beim Antrag „persönliche, wirtschaftliche oder rechtliche Angelegenheiten“ anzuführen. Darunter fällt auch die „Aufrechterhaltung von persönlichen und familiären Beziehungen“.
Noch einmal zur Klarstellung: Grasser bewegt sich – wenn auch nicht sehr geschmeidig – im rechtlichen Rahmen. Das Nobellokal und den Chauffeur bezahlt mutmaßlich seine Frau, die Swarovski-Erbin Fiona Pacifico Griffini-Grasser. Derlei Luxus dürfte also getrennt von seinem Privatkonkurs betrachtet werden, wenn es demnächst zu einer ersten Verhandlung kommt.
Rechtliche Fakten, die am Gefühl der Bevölkerung wohl wenig ändern.
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