Kalt, eng, laut: Lebensmittelbetriebe im Fokus der Corona-Tests
Nach dem Auftauchen von Corona-Fällen in mittlerweile vier Schlachthöfen in Oberösterreich gilt aus Sicht der Regierung: Ruhe bewahren, nicht überreagieren. Dafür plädiert auch Franz Allerberger, Mediziner der AGES und Mitglied des Krisenstabs, im KURIER-Gespräch. Die Cluster waren zu erwarten, von Zuständen wie bei Tönnies in Deutschland sei man weit entfernt.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie kam das Virus in die Schlachtbetriebe?
Mitarbeiter, die aus dem Westbalkan zurückgekehrt sind, dürften es eingeschleppt und Kollegen angesteckt haben. „Dass Reisende ein Risiko sind, haben wir immer gewusst. Wichtig ist, dass wir das Problem unter Kontrolle halten“, sagt Allerberger.
Sind Schlachtbetriebe besonders gefährdet?
Ja, das dürfte unter anderem an den winterlichen Temperaturen (maximal 12 Grad Celsius) in den Betriebshallen liegen, sagt der Infektiologe. Die Atemwege der Mitarbeiter sind ständig gereizt, das Virus kann sich leichter einnisten. Dazu kommt: Die Mitarbeiter arbeiten oft eng beieinander, etwa am Fließband, wegen des Lärms reden sie laut miteinander – massenhaft Tröpfchen sind in der Luft.
Das Landwirtschaftsministerium empfiehlt in ihren Leitlinien für fleischverarbeitende Betriebe zwar Mundschutzmasken und Mindestabstand. Es sei aber unrealistisch, so Allerberger, dass sich bei körperlicher Arbeit immer alle daran halten.
Ähnlich sind die Arbeitsbedingungen in der Tiefkühl-Logistik und bei Erntehelfern. Das Gesundheitsministerium will auch dort genauer hinschauen.
Warum schließt man diese Betriebe bei Infektionsfällen nicht?
Die Entscheidung liegt prinzipiell bei der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde. AGES-Mediziner Allerberger hält vorerst nichts von Schließungen: „Das wäre eine Überreaktion und würde Kollateralschäden verursachen“, sagt er.
Und: „Wir müssen uns von der Idee, das Virus auszurotten, verabschieden.“ Es werde immer wieder Cluster geben – vor allem im Herbst rechnet er mit einem neuen Aufblühen des Virus, und das noch vor dem Start der alljährlichen Grippewelle.
Und wie sieht die Strategie nun aus?
Die Regierung setzt weiterhin auf Eigenverantwortung, Hausverstand – und breite Screenings. Unternehmen in Risikobereichen werden nun kostenlose PCR-Tests angeboten, pro Woche sind bis zu 30.000 Tests möglich. 40 Betriebe haben sich bereits gemeldet, darunter auch jene vier Betriebe in Oberösterreich, in denen nun die Infektionen bekannt wurden. Eine Überraschung war der Cluster also nicht. Als Nächstes testet die AGES in Salzburg und Niederösterreich.
Braucht es verpflichtende Tests in Betrieben?
Pflicht sind die Tests erst bei Verdachtsfällen. Beim Screening setzt man auf Freiwilligkeit. Allerberger: „Wir sind dankbar, dass so viele Betriebe kooperieren und Verantwortungsbewusstsein zeigen. Wer steht schon gerne als Corona-Cluster in der Zeitung?“
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