"Braune Donau": Mit FPÖ-Auftrag ist "Brandmauer in Österreich eingestürzt"
Internationale Tageszeitungen kommentieren den Regierungsbildungsauftrag an FPÖ-Chef Herbert Kickl am Dienstag wie folgt:
„Neue Zürcher Zeitung“:
"Nun ist also wahrscheinlich, was (fast) alle politischen Akteure verhindern wollten: dass Herbert Kickl bald die Geschicke des Landes führt. Für Österreich wären Rechtsnationalisten in der Regierungsverantwortung zwar keine Zäsur mehr. Anders als etwa in Deutschland gibt es in dem Land keinen Reflex, Brandmauern gegen rechts zu errichten. Einen FPÖ-Kanzler gab es allerdings noch nie.
Gerade Kickl empfiehlt sich bis dato nicht für politische Experimente. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die an Regierungskoalitionen beteiligt waren, gilt der 56-Jährige als knallharter Ideologe. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er die illiberalen Ideen von Viktor Orbán als Inspiration sieht und sein Land weg von der EU und ihren "Zwängen" führen will, mehr Nähe zu Russland wäre in seinen Augen kein Problem. (...)
Für Österreich sind das keine guten Aussichten. Aber noch ist Kickl nicht im Kanzleramt. Will er bald dorthin, braucht er einen Partner – und muss zwangsläufig Kompromisse machen. Inhaltliche Überschneidungen zwischen den beiden Parteien – etwa in der Sicherheits- und Migrationspolitik – gibt es zwar schon lange. Doch Kickl hat sich in vielen Positionen radikalisiert. Die Verantwortung, ihn zu zügeln, liegt nun bei der ÖVP.
"ABC" (Madrid):
"Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. (...) Die politische Brandmauer ist in Österreich eingestürzt. Ausgerechnet ihre Hauptbefürworter - die Parteien des Mitte-Links-Spektrums - tragen dafür die Verantwortung. Nun stellt sich die Frage, ob es in Österreich die extreme Rechte stärkt oder schwächt, sie von den Institutionen fernzuhalten. Gleichzeitig gilt es herauszufinden, ob die wahre Gefahr für die liberale Demokratie in der politischen Ausrichtung der Regierenden liegt - oder vielmehr im Umgang mit den bestehenden Regeln sowie in der Unabhängigkeit der anderen Institutionen."
"La Repubblica" (Rom):
"Niemand darf sich der Illusion hingeben, dass Kickl leicht gezähmt werden kann. Er hat die Wahlen im September mit dem Versprechen gewonnen, zum ́Volkskanzler ́ aufzurücken, wie es einst Adolf Hitler getan hatte. Kickl hat versprochen, Österreich zu orbanisieren und die EU abzubauen. Dabei hat er gegen die Corona-Impfstoffe gewettet, Russland verteidigt und Flüchtlinge diffamiert".
"Il Fatto Quotidiano" (Rom):
"Kickl ist bereit, zum ersten rechtsextremen Bundeskanzler Österreichs aufzurücken. Er vertritt den radikalsten Flügel seiner Partei, der inzwischen in der FPÖ die Mehrheit hat. Sein Ziel ist die Normalisierung der Beziehungen zu Putin, angefangen von der Abschaffung der Russland-Sanktionen".
"Corriere della Sera" (Mailand):
"Auch in Österreich ist die Brandmauer gefallen, die die traditionelle Politik jahrelang um die Parteien der neuen euroskeptischen, ausländerfeindlichen und prorussischen Rechten aufgebaut hatte. Eine ähnliche Wende hatte es bereits in den Niederlanden im Oktober 2023 gegeben".
"Il Giornale" (Mailand):
"Nicht nur die Gespenster der Vergangenheit werfen einen Schatten auf Kickl. Während seiner Jahre als Innenminister wurde er verdächtigt, die österreichischen Geheimdienste für die Infiltrierung durch russische Spione geöffnet zu haben. Sollten diese Gerüchte bestätigt werden, würde sich mit der FPÖ in der Regierung ein Loch in der Sicherheit Europas öffnen".
"La Stampa" (Turin):
"Braune Donau: Österreich segelt in Richtung einer Regierung mit dem Ultrarechten Kickl. Eine mögliche Regierung Kickls könnte die europäische Agenda in mindestens drei Sektoren beeinflussen: Gemeinsame Verteidigung, Ukraine-Politik und Zukunft der EU. Die FPÖ ist nämlich gegen Russland-Sanktionen und gegen die wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine. Gegenüber der EU teilt sie die Euroskepsis der deutschen AfD".
"de Volkskrant" (Amsterdam):
"Herbert Kickl hatte einst für den FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider und die Partei antiislamische und ausländerfeindliche Losungen wie "Daham statt Islam" oder "Mehr Mut für Wiener Blut - Zu viel Fremdes tut niemandem gut" entwickelt. Seine Slogans erwiesen sich als wirkungsvoll. Im Parlament entpuppte sich Kickl als aggressiver Provokateur mit einer populistischen Agenda. (...) Die FPÖ warb für die Kanzlerschaft Kickls mit dem Begriff "Volkskanzler". Eine Bezeichnung, mit der sich in den 1930er-Jahren Adolf Hitler beschrieben hatte. Dass über dieses seinerzeit von Joseph Goebbels geprägte "Nazi-Wort" ein kleiner Mediensturm entbrannte, kam der FPÖ gelegen. Je mehr Aufmerksamkeit in den Medien, desto besser, meint Kickl. (...)
Für Aufsehen sorgte er auch mit seiner Aussage, dass "das Recht der Politik folgen sollte und nicht die Politik dem Recht". Er will, dass die Medien weniger kritisch gegenüber seiner FPÖ sind, die er selbst mit einer weiteren Anspielung auf den Nationalsozialismus als "soziale Heimatpartei" bezeichnet."
"Népszava" (Budapest):
"Es ist kein besonders vielversprechendes Zukunftsbild, dass Österreich einen Bundeskanzler bekommt, der offen pro-russische Ansichten vertritt. Und Donald Trump ist noch nicht einmal in sein Amt eingeführt worden. Vielleicht ist es besser, gar nicht erst darüber nachzudenken, was die Zukunft bringt."
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