Nach Nehammer-Rücktritt und vor Kickl-Kür: Wer regiert jetzt eigentlich?

Am Ende hat er 1.131 Tage geschafft. Drei Jahre und etwas mehr als einen Monat war Karl Nehammer Bundeskanzler, ehe er vergangenen Freitag ganz offiziell das Amt an Parteifreund und Außenminister Alexander Schallenberg übergab. Der Diplomat ist nun streng genommen nicht Kanzler, sondern „nur“ Chef einer Übergangsregierung.
Warum das so ist, dazu später mehr. Zunächst einmal gilt es das Grundsätzliche festzuhalten.
Denn auch wenn die vergangenen Tage höchst turbulent waren (gescheiterte Koalitionsgespräche zu dritt, tags darauf Abbruch aller Gespräche, dann Rücktritt des Kanzlers, dann der Regierungsauftrag an Herbert Kickl und schließlich die Angelobung des Außenministers, der gesagt hat, er wolle der nächsten Regierung sicher nicht mehr angehören): Entgegen diversen Unkenrufen ist und war Österreich in keinem Moment am Rande einer Staatskrise oder führungslos.
Die Verfassung sieht vor, dass alle obersten Organe des Landes ständig existieren bzw. funktionsfähig bleiben müssen. Es gibt also keinen Tag ohne eine entscheidungsfähige Bundesregierung oder ein handlungsfähiges Parlament.
Wie dies zu verstehen ist, lässt sich am Beispiel der Nationalratswahl erklären: Nachdem die Österreicher am 29. September über die neue Zusammensetzung des Parlaments entschieden haben, regelt die Verfassung, was weiter passiert: „Ist die Bundesregierung aus dem Amt geschieden, hat der Bundespräsident bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Mitglieder der scheidenden Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung (...) zu betrauen“, heißt es im Artikel 71.
Keine politischen Weichenstellungen mehr
Diese Fortführungsregierung hat dieselbe Rechte und Pflichten wie jede andere. Im aktuellen Fall kommt „erschwerend“ hinzu, dass ÖVP und Grüne miteinander keine Mehrheit im Nationalrat mehr haben – genau das ist aber das zentrale Kriterium, damit eine Regierung länger im Amt bleibt und regieren kann.
Wie auch immer die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP ausgehen: Einige bekannte ÖVP-Gesichter werden in keinem Fall der nächsten Bundesregierung angehören.
Karl Nehammer hat ja nicht nur seinen Rücktritt als Regierungschef, sondern auch als ÖVP-Minister erklärt; zudem gibt er sein Mandat im Nationalrat auf. Was er künftig macht, ist vorerst noch offen. Familienministerin Susanne Raab will nicht mehr in der Politik arbeiten und hat sich für den Job der Generaldirektorin des International Centre for Migration Policy Development in Wien beworben, sie könnte damit dem früheren ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger folgen.
Bereits einen fixe Job hat Wirtschaftsminister Martin Kocher. Er wechselt im Herbst als Gouverneur in die Nationalbank.
Dasselbe gilt für Magnus Brunner. Der Finanzminister wechselte kürzlich als Österreichs Kandidat in die EU-Kommission in Brüssel.
Keine Lust auf eine Verlängerung als Minister hat Alexander Schallenberg, er will der nächsten Bundesregierung genauso wenig angehören wie der scheidende Bildungsminister Martin Polaschek.
Und Karoline Edtstadler, derzeit noch Verfassungsministerin, soll im Sommer Landeshauptfrau in Salzburg werden.
Und wer bleibt? Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hat eine Zusammenarbeit mit einem möglichen Kanzler Herbert Kickl auf Nachfrage nicht ausgeschlossen.
Noch nicht konkret geäußert haben sich bis dato Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm.
Die im Amt verbliebenen, vom Bundespräsident mit der Fortführung betrauten Ressortchefs sind demnach davon abhängig, dass sie der Nationalrat nicht mit einem Misstrauensvotum aus dem Job wählt. Und das wiederum schaffen sie, indem sie „nur“ verwalten, sprich: Es gibt keine Entscheidungen, die als politische Weichenstellungen verstanden werden könnten oder die massiv Geld kosten.
Apropos Budget: In Österreich wird der Staatshaushalt vom Parlament beschlossen, genauer: im Nationalrat. Doch im Unterschied zu Ländern wie den USA besteht im Falle eines Regierungswechsels keine Gefahr, dass die öffentlichen Ausgaben (Beamtengehälter etc.) abrupt eingestellt werden.
Provisorien
Bis das Parlament einen neuen Bundeshaushalt beschließt, sieht die Rechtsordnung Provisorien vor: Das Budget läuft also weiter, mit einer Einschränkung: Ohne ein neuerlich beschlossenes Budget im Nationalrat darf eine Regierung deutlich weniger Schulden machen.
Bleibt die Frage vom Beginn: Warum ist Alexander Schallenberg streng genommen nicht Kanzler?
Auch das hat mit der Verfassung zu tun. Sie regelt zwar den Übergang zwischen zwei Bundesregierungen, sieht dafür aber keinen „Interimskanzler“ vor.
Stattdessen spricht sie von einer Person, die den „Vorsitz“ in der „einstweiligen Bundesregierung“ übernimmt.
Dasselbe gilt übrigens für den Vizekanzler. Auch diesen Job gibt es derzeit nicht. Werner Kogler ist deshalb seit Anfang Oktober „nur“ Bundesminister. Für ihn persönlich bedeutet das ein Gehaltsminus von rund 2.000 Euro im Monat – einfache Minister bekommen weniger als Vizekanzler. Koglers Mitarbeiter im Ressort haben abgesehen davon nicht nur seine, sondern auch ihre eMail-Signaturen korrigiert. Von „Büro des Vizekanzlers“ wurde auf „Bundesminister“ umgestellt. Neue Visitkarten in Papier wurden übrigens nicht bestellt. Das wäre, so heißt es, eine Verschwendung von Steuergeld gewesen.
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