Die Wr.-Neustadt-Connection und das Ibiza-Video
Eine hinterlistige Verschwörung von Geheimdiensten wurde vermutet. Manche glaubten an böse Spiele von hochrangigen Politikern und Interessensverbänden.
Und dann das.
Die wichtigsten Puzzlestücke im spannendsten Kriminalfall der Republik findet sich in einer heruntergekommenen Eigentumswohnung im Zentrum von Wiener Neustadt:
„Die Wohnung befand sich in einem äußerst unordentlichen und unaufgeräumten Zustand. Die Wohnung war unter anderem durch Katzenkot sowie teils schimmlige Speisereste verschmutzt. Auf Grund der sanitären Übelstände in der Wohnung ergeht seitens der hs. Dienststelle eine separate Meldung an den Magistrat der Stadt Wr. Neustadt.“
Geheimer Polizeibericht
So hält es der streng geheime Polizeibericht des Bundeskriminalamts fest, der dem KURIER vorliegt. Bei der Durchsuchung dieses Domizils am 8. Jänner konnten die Fahnder der SOKO Ibiza/Tape den großen Durchbruch schaffen. Dort fanden sie bereits damals - außer einem Schlagring und einer Gaspistole - ein Foto des angeblichen Lockvogels Alyona Makarov auf einem Laptop. Auf einem Handy fanden sich die ersten Bruchstücke des Ibiza-Videos.
Es war die Wohnung der Lebensgefährtin jenes Detektivs, der das brisante Video wohl angefertigt hat. Mit ihr lebte dort zumindest zeitweise der (mittlerweile ehemalige) Feuerwehrmann R. und ein sechsjähriges Kind, das auch die Jugendwohlfahrt schon beschäftigte.
Zum Zeitpunkt der Razzia wissen die Beamten noch nicht, dass R. in einer Steckdose einer weiteren Wohnung in Wiener Neustadt eine Speicherkarte mit dem kompletten Video versteckt ist. Dieses werden sie erst Ende April entdecken.
Nachdem selbst neun Interpol-Dienststellen (vor allem in Ost-und Südeuropa) mit dem im Februar übermittelten Foto des Lockvogels nichts anfangen können, setzt das Bundeskriminalamt im Mai schließlich als letzte Möglichkeit auf die Öffentlichkeitsfahndung. Alyona Makarov dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach in der Balkanregion aufhalten. Möglicherweise sind dort auch der Detektiv und seine rumänische Lebensgefährtin untergetaucht.
Gold im Spiel?
Und Wiener Neustadt ist möglicherweise noch eine weitere wichtige Drehscheibe in der Causa Ibiza. Denn hier (in einer Bank) sollen auch Krügerrand-Goldmünzen von zwei bis heute unbekannten Männern, keine Ausländer, eingetauscht worden sein. Manche vermuten, dass diese Münzen ein Teil jener 600.000 Euro sein könnten, die für das Video bezahlt worden sein sollen. Diese Behauptung von Zeugen ist jedenfalls noch nicht gesichert.
In der Wohnung in Wiener Neustadt fand man jedoch auch noch Hinweise auf ein Schließfach in Zürich. Dort gab es am zweiten Jahrestag der Erstellung des Ibiza-Videos ein Treffen von zwei mutmaßlich Beteiligten (dem Detektiv und einem Tontechniker), der rumänischen Lebensgefährtin des Detektivs und einer vierten Person.
Die Rumänin fuhr zur Schließfachfirma am Zürcher Limmatquai und öffnete dort Schließfach 466, das auf ihren Namen angemietet war. Nach vier Minuten war sie wieder weg. Als das Fach Anfang Jänner 2020 im Zuge der Rechtshilfe von der Schweizer Justiz geöffnet wurde, war es leer.
Die SOKO Ibiza hat jedenfalls in den vergangenen Monaten zahlreiche wichtige Puzzlestücke zusammengesetzt. So ist nun auch klar, dass der Lockvogel offenbar mehrfach im Einsatz war, 2016 war die Frau, die Strache und Gudenus zu Fall brachte, schon einmal in Wien.
Tschechische Pistole
Doch das wichtigste Geschäft der Hintermänner des Videos könnte Kokain gewesen sein. Zumindest waren manche von ihnen auch bewaffnet, so wurde eine Zastava CZ-99-Pistole mit herausgefeilter Seriennummer in einer Salzburger Wohnung sichergestellt. Einige der Beteiligten werden von Zeugen als Suchtgift-Konsumenten beschrieben (was alle aber bestreiten).
Liest man die Berichte der SOKO, dann ergibt sich jedenfalls eher ein Bild, wonach es keine großen Profis waren, die die Republik derart erschüttern konnten. Es handelt sich um einen Personenkreis vor allem aus dem Unterwelt- und Halbweltmilieu. Dabei war das aufgenommene Video von derart schlechter Qualität, dass es tagelang bearbeitet werden muss, um nur irgendetwas zu verstehen. Eine Profiarbeit schaut jedenfalls anders aus.
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