Enthüllt: Ibiza-Video war ein Jahr lang in Steckdose versteckt
Es ist für alle Beteiligten ein gewaltiges Drama: Da finden die Soko-Ermittler des Bundeskriminalamts das meistgesuchte Video in ganz Österreich – und dann wird in weiterer Folge nur noch darüber gestritten.
Der KURIER konnte nun erstmals mithilfe von Insidern rekonstruieren, wie alles hinter den Kulissen abgelaufen sein dürfte: Der Ursprung des ganzen Schlamassels war offenbar die Beschlagnahmung des Handys von Vizekanzler Heinz-Christian Strache im vergangenen Jahr.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wollte dieses nicht an die Staatsanwaltschaft Wien ausliefern. Am 19. August 2019 kam es deshalb zu einem klärenden Gespräch mit der Oberstaatsanwaltschaft, dabei wurde ausgemacht, dass die Verfahren getrennt geführt werden.
Auch innerhalb der Soko wurden die Bereiche feinsäuberlich aufgeteilt, die unterschiedlichen Teams sitzen sogar in verschiedenen Stockwerken. Der Bereich Ibiza-Video wurde der Staatsanwaltschaft Wien zugesprochen.
Erster Fund im Jänner
Im Jänner schließlich stellen die Fahnder erste Fragmente des Ibiza-Videos in der Wohnung der Lebensgefährtin des mutmaßlichen Videoerstellers Julian H. auf einem fremden Mobiltelefon sicher. Über dieses kamen die Soko-Mitarbeiter auf den Besitzer - einen Niederösterreicher -, der im März erstmals vom Bundeskriminalamt dazu befragt wird. Der Feuerwehrmann R. gibt zu, das gesamte Video auf seinem Handy besessen zu haben, es aber bereits vor Monaten (durch Runterspülen im Klo) vernichtet zu haben.
Erst bei einer weiteren Einvernahme am 20. April gibt er gegenüber der Soko unter zunehmenden Druck zu, das Video doch auf einer SD-Speicherkarte zu Hause versteckt zu haben. Es war in der Steckdose in seiner Wohnung in Wiener Neustadt. Der Niederösterreicher erklärte, das Video als Sicherheit bekommen zu haben, falls der Lebensgefährtin von Julian H. etwas passieren sollte. Dann hätte er es weitergegeben bzw. verkauft.
Bereits am darauffolgenden Tag wird die Staatsanwaltschaft Wien telefonisch von dem brisanten Fund verständigt. Der federführende Staatsanwalt besichtigt zwei Tage später das sichergestellte Material mit einem Kollegen. Dabei wird die Aufarbeitung des Videos beschlossen und ein Haftbefehl gegen Julian H. erlassen, was erst später durch einen KURIER-Bericht bekannt wird.
Geheim gehalten
Um Julian H. nicht zu warnen und das komplette Material in Ruhe sichten zu können, beschließen Staatsanwaltschaft und Ermittler, das alles vorerst geheim zu halten. Warum die Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht informiert wurde, hat offenbar viel mit internen Zerwürfnissen zu tun. Das eine war die Nicht-Weitergabe des Strache-Handys justizintern, andere Ursachen gehen auf die misslungene Razzia im Verfassungsschutz zurück. Die Staatsanwaltschaft Wien sagt offiziell, dass sie keinen Zugriff auf die Ermittlungsanträge der Korruptionsstaatsanwaltschaft habe.
Bereits am Montag wurde laut gut informierten Kreisen das Büro von Justizministerin Alma Zadic von der Staatsanwaltschaft Wien verständigt. Das wurde dem KURIER zunächst auch offiziell von einer Zadic-Sprecherin bestätigt, dann war Stunden später plötzlich die Rede von einem "Missverständnis".
Am darauf folgenden 26. Mai wird der Staatsanwaltschaft Wien der Sicherstellungsbericht der Soko übergeben, das Video ist zu diesem Zeitpunkt erst grob gesichtet und strukturiert. Von einer Analyse der Geschehnisse ist man noch weit entfernt, auch benötigt man bei einigen Sequenzen einen Übersetzer.
Einer geplanten gemeinsamen Pressekonferenz von Polizei und Justiz wird von der Staatsanwaltschaft eine Absage erteilt.
Am darauffolgenden Tag geht das Bundeskriminalamt von sich aus in die Offensive, weil befürchtet werden muss, dass die Informationen ohnehin bald bekannt werden. Der spektakuläre Fund wird über eine Presseaussendung auf der Homepage präsentiert. Eine (von einem Lokalmedium später behauptete) Pressekonferenz findet nicht statt.
Die Frage, was auf dem gesamten zwölfstündigen Videomaterial zu sehen ist, bleibt vorerst ungeklärt. Das wissen noch nicht einmal die Ermittler selbst. Die Auswertung des Materials wird noch Wochen dauern. Das Problem ist, dass die Tonqualität dermaßen schlecht ist, dass alles erst aufwendig aufbereitet werden muss.
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