CoV: Kein neues Leben nach Ostern

MINISTERRAT: KURZ / KOGLER
Die Regierung schärft nach und warnt vor Verharmlosung. Als Erstes werden Geschäfte wieder aufsperren, bei Schulen und Unis wird es länger dauern.

Bis vor Kurzem gab es die leise Hoffnung, nach Ostern würde sich das Leben wieder langsam normalisieren. Die Regierung selbst hatte ja ihre drastischen Maßnahmen („Lockdown“) bis Ostermontag (13. April) befristet.

Zuletzt hatten einzelne Wortmeldungen freilich bereits Zweifel an diesem Terminplan genährt: „Die Lage ist ernst, und sie ist weiterhin ernst“, sagte etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz vergangenen Donnerstag im Vorfeld der Pressekonferenz am Freitag, an der er überraschenderweise dann gar nicht teilnahm; und: „Halten Sie sich an die Vorgaben und glauben Sie keinen Beschwichtigungs- und Beruhigungsversuchen.“

Gleichwohl hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober noch vor dem Wochenende erklärt, es werde keine neuen Maßnahmen geben. Nun aber wurde doch nachgeschärft: In ihrer mit Spannung erwarteten Erklärung erläuterten Kurz und Anschober gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler und Innenminister Karl Nehammer am Montag das weitere Vorgehen (s. u.).

Den Grundton schlug der Bundeskanzler an, mit Sätzen wie: „Die Wahrheit ist: Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Und wie grausam dieser Sturm sein kann, merkt man, wenn man in unser Nachbarland Italien schaut.“ – oder: „Es ist nicht unsere Aufgabe, dass wir das sagen, was Sie gerne hören würden. Ich halte es für ein großes Problem, dass es nach wie vor viele Verharmloser gibt, auch unter den Experten.“

Replikationsfaktor zu hoch

Grundlage der Verschärfungen sind die Prognosen des Expertenbeirats der Regierung, der für „deutlich strengere Maßnahmen als derzeit in Kraft sind“ plädiert hat. Bei einem von den Experten als realistisch angenommenen Replikationsfaktor von 1,7 (eine Person steckt 1,7 Personen an) werde das Gesundheitssystem Mitte April zusammenbrechen, so die Prognose. Die Regierung will daher den Replikationsfaktor deutlich unter eins und mittelfristig Richtung null drücken.

Erst auf Nachfrage wurden mögliche Lockerungen – vorsichtig – thematisiert: Als erstes würden aus ökonomischen Gründen Geschäfte wieder aufsperren, bei Schulen und Universitäten werde es noch länger dauern.

Nach Goethes „Osterspaziergang“ klingt das alles jedenfalls nicht …

Maßnahme 1: Maskenpflicht in Supermärkten soll ab Mittwoch gelten

Die Regierung verschärft die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus. Supermärkte dürfen künftig nur noch einzeln und mit Mund-und-Nasenschutz-Masken (MNS) betreten werden. Diese Einweg-Masken werden an den Eingängen zu den Märkten gratis ausgeteilt. Sie sollen aber nicht zum Eigenschutz dienen, sondern andere vor einem Anhusten oder Anniesen schützen. Auch Kinder müssen eine Maske tragen.

Gelten soll diese Regel, sobald genügend Stück vorhanden sind, gerechnet wird damit ab Mittwoch. Wie die Maskenpflicht rechtlich konkret geregelt ist, ist derzeit offen. Eine Verordnung wird es vorerst nicht geben. Zum Einsatz kommen darf auch ein selbst hergestellter Schutz, etwa aus Stoff. Die Maskenpflicht könnte noch in anderen Bereichen kommen. Konkretes blieb die Bundesregierung dazu aber vorerst schuldig.

WHO rät von Maskenzwang ab

Der Handelsverband geht davon aus, dass im Lebensmittelhandel pro Tag rund vier Millionen Schutzmasken benötigt werden, wenn diese nur einmal verwendet werden. Drogeriemärkte sind hier noch nicht eingerechnet. „Wir wissen von einigen Händlern, dass sich das auf keinen Fall zeitlich ausgehen wird“, sagt ein Sprecher des Handelsverbandes zum KURIER. „Die werden frühestens Ende dieser oder Anfang nächster Woche so weit sein.“ Ab Mittwoch werden auch alle Polizisten mit Mundschutz im Außendienst tätig sein.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät übrigens davon ab, Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst krank ist – und widerspricht damit der österreichischen Regierung. Im Gesundheitsministerium verweist man auf KURIER-Nachfrage auf Studien, wonach das Tragen von Masken das Infektionsrisiko senkt.

Maßnahme 2 Es gilt ein besonderer Schutz ab 65 und für chronisch Kranke

„Wir setzen weitere konkrete Maßnahmen zum Schutz von vulnerablen Gruppen“, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober. „Gefährdete werden beruflich freigestellt oder wenn möglich ins Homeoffice geschickt. Lohnkosten werden refundiert.“ Als Risikogruppe gelten Menschen über 65 Jahre sowie Personen mit chronischen Vorerkrankungen jeden Alters. Diese Gruppe schließt also auch jüngere Menschen ein.

Wer ist in hohem Ausmaß gefährdet?

Als chronische Erkrankungen, nach aktueller Evidenz, gelten:

∙ (chronische) Atemwegs- bzw. Lungenerkrankungen inklusive COPD

∙ Diabetes

∙ Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hochdruck

∙ Krebserkrankungen

∙ Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen

Hintergrund der Maßnahme ist, dass unabhängig vom Alter die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung mit schwerem Verlauf für Personen mit chronischen Vorerkrankungen steigt. Gerade für diese Risikogruppen ist das Coronavirus gefährlich.

Zählt in einer Partnerschaft die Partnerin/der Partner zu einer der beiden Risikogruppen, wird zur besonderen Vorsicht geraten, wenn getrennte Wohnsitze bestehen.

Bei der Wirtschaftskammer Österreich herrscht allerdings noch Ratlosigkeit. „Wir wissen noch nicht, wer in die Risikogruppe fällt und wie lange die Freistellung dauert“, sagt eine Sprecherin. Auch die Definition „Vorerkrankung“ sei sehr allgemein gefasst. Die Kammer habe noch keinerlei Details und warte auf die entsprechenden Auszüge aus dem Gesetzestext.

Maßnahme 3 Saftige 600 Euro Strafe bei Erst-Verstoß gegen Corona-Regeln

In der Corona-Krise gilt, was grundsätzlich auch sonst gilt: Die Polizei kontrolliert, ob die geltenden Rechtsnormen eingehalten werden. Derzeit liegt das Hauptaugenmerk auf den Verordnungen, die das Gesundheitsministerium zur Eindämmung der Virusinfizierungen erlässt.

Rund 7.000 Polizisten sind täglich aktiv im Dienst, vermehrt auch als Fußstreife, um zu kontrollieren, ob im öffentlichen Raum der Sicherheitsabstand von einem Meter eingehalten wird. Im Zuge der Streifengänge kontrollieren die Polizisten auch, ob das Betretungsverbot von Geschäften, die behördlich gesperrt sind, beachtet wird. Dasselbe gilt für Restaurants und Hotels.

Schockierende Spuckattacken

Wie geht die Polizei bei Verstößen vor? „Es wird auf das Gespräch gesetzt“, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. Der überwiegende Teil der Personen reagiere kooperativ. Nur, wenn das nicht fruchtet, zeigt die Polizei die Regelverstöße an, die Bezirkshauptmannschaft stellt dann die Strafen aus. „Inzwischen sind die ersten Strafen erlassen, und die sind mit 600 Euro bei einem Erstverstoß durchaus saftig“, sagt die Ministeriumssprecherin.

Der Strafrahmen beträgt im Wiederholungsfall bis zu 3.600 Euro bei Personen, bei Unternehmen bis zu 30.000 Euro. Es habe bisher nur sehr wenige Verstöße gegen das Betretungsverbot von Geschäften gegeben, und diese seien eher am Beginn der Beschränkungen passiert. Die Polizei berichtet aber auch von „schockierenden Einzelfällen wie Spuckattacken angeblich Infizierter“.

Von den in Summe 30.000 österreichischen Polizisten sind rund 100 infiziert.

Karl Nehammer: Geburtstagsfeiern erst nach der Coronakrise abhalten

Maßnahme 4 Alle Hotels zu – doch ein paar wenige dürfen noch einchecken

Jetzt müssen alle Hotels in Österreich schließen. Klingt nach drakonischer neuer Maßnahme, ändert aber nicht viel an der gelebten Praxis. Die meisten Betriebe haben ohnehin schon zu. In den Bundesländern Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten wurde das längst behördlich angeordnet, in Wien konnten Hoteliers selbst entscheiden. „Von 365 Hotels hatten am 27. März bereits 235 geschlossen“, weiß Walter Straßer vom Wien Tourismus.

Branchensprecherin Petra Nocker-Schwarzenbacher begrüßt die Entscheidung, jetzt alle Hotels zu schließen. Damit gebe es auch für die Gäste Klarheit. Szenen, wie jene in der Steiermark, wo sich Urlauber geweigert haben, wegen der Coronakrise aus dem Hotel auszuziehen, könne es so nicht mehr geben. Ähnliches ist von Martin Stanits, Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), zu hören. Einige unbelehrbare Gäste würden noch immer ihren Osterurlaub antreten wollen. Vermieter hätten es hier oft schwer, zu argumentieren, speziell bei Stammgästen. „Da bringt der Erlass schon eine Erleichterung“, sagt Stanits.

Wer noch ins Hotel darfJedenfalls muss in diesem auch klargestellt werden, welche Personen weiterhin beherbergt werden dürfen. Etwa Schlüsselarbeitskräfte wie Monteure, Bauarbeiter oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Pflegepersonal. Auch eine Beherbergung von Personen, die aus humanitären oder sozialen Gründen eine Unterkunft suchen, wie etwa Opfer häuslicher Gewalt, muss weiterhin möglich und erlaubt sein, betont Susanne Kraus-Winkler vom Fachverband Hotellerie.

Einen Auszug jener Hotels, die noch offen haben, gibt es übrigens auf openhotels.at.

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