Regierung legt sich bei Lockerungen nicht fest, Experten warnen vor weiterer Öffnung

CORONAVIRUS: PK BUNDESREGIERUNG "NEUE MASSNAHMEN (LOCKDOWN)"
Vor Corona-Gipfel: Die Lage für die Regierung ist einigermaßen kompliziert. Die Wirtschaft macht massiv Druck, auf der anderen Seite stehen medizinische Experten, die vor Lockerungen warnen.

Corona-Maßnahmen lockern oder gar verschärfen? Der neuerliche Anstieg der Covid-Neuinfektionen am Samstag macht die Entscheidung nicht leichter. Am Montag trifft sich die Regierung mit Experten, den Oppositionsparteien und den Landeshauptleuten zum Corona-Gipfel, um die weitere Vorgehensweise zu beraten. Es müssen zwei Dinge abgewogen werden: Auf der einen Seite soll die jetzige relativ stabile Situation nicht aufs Spiel gesetzt werden, auf der anderen Seite wachsen die Begehrlichkeiten aus  Wirtschaft, Sport und  Kultur auf Erleichterungen ab Mitte des Monats.

"Stabiles Infektionsgeschehen"

Die Regierung legt sich auch am Tag vor den nächsten Corona-Gipfelgesprächen nicht fest, ob es im März zu weiteren Lockerungen kommt. Dies werde von den Zahlen und den Einschätzungen der Experten abhängen, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Angesichts der stark steigenden Infektionszahlen vor allem im Osten etwas überraschend ist, dass man von einem stabilen Infektionsgeschehen spricht.

Immerhin waren am Samstag 2.457 Infektionen verzeichnet worden. Das ist in etwa das Doppelte jener Zahlen vor der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts und der Öffnung des Handels vor drei Wochen. In Wien wurden 769 Infektionen gemeldet. Das ist fast das Vierfache des Werts vom Ende des strikten Lockdowns.

Sonntagsrekord

Am Sonntag wurde die Marke von 2.000 Neu-Infektionen überschritten. Das ist zum ersten Mal im heurigen Jahr am letzten Wochentag, der wegen der geringeren Zahl an ausgewerteten Tests immer vergleichsweise niedrige Werte zeigt, geschehen. Im Vergleich zum Sonntag vor drei Wochen, also dem Tag vor der Lockdown-Lockerung ist der Wert um rund 800 Fälle gestiegen. Einziger Lichtblick: in den Spitälern ist die Lage unverändert stabil.

Darauf wird dann auch gerne bei den Befürwortern von Öffnungsschritten in der Gastronomie sowie im Kultur- und Freizeit-Bereich verwiesen. Die Wirtschaftskammer pochte auch am Sonntag auf entsprechende Weichenstellungen für Mitte März mit entsprechenden Test-Angeboten.

Aus der Regierung heißt es, dass die Öffnungsschritte vom 8. Februar mit den damit verbundenen Tests bisher noch keinen massiv ansteigenden Trend in der Entwicklung der Neuinfektionen zeigten. Allerdings seien die Zunahmen der vergangenen Tage mit aller notwendigen Aufmerksamkeit genau zu analysieren und in den Beratungen über weitere Schritte jedenfalls zu berücksichtigen. Man wolle die jetzige stabile Situation nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Die Fachleute, die am Montag ins Kanzleramt geladen sind, kennt man bereits. Das geht von der Virologin Dorothee von Laer über die Epidemiologin Eva Schernhammer, den Vizerektor der Med Uni Wien Oswald Wagner bis zu Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH. Sie werden auch bei den Beratungen mit der Opposition sowie mit den Landeshauptleuten dabei sei.

Es ist kompliziert

Die Lage für die Regierung ist einigermaßen kompliziert. Die Wirtschaft macht massiv Druck, z.B. die Gastronomie mit Eintrittstests zu öffnen. Dazu kommen die gesamte Kulturwelt, die wieder ihre Arbeit aufnehmen will. Nicht zuletzt drängen die Sportorganisationen auf Lockerungen im Amateur- und Freizeitbereicht. Auch mehrere Landeshauptleute hatten sich in den vergangenen Tagen mit Öffnungswünschen hervorgetan, sowohl aus der ÖVP wie Thomas Stelzer (Oberösterreich) und Johanna Mikl-Leitner (Niederösterreich) als auch aus der SPÖ wie Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Experten warnen vor Lockerungen

Auf der anderen Seite stehen die medizinischen Experten, die zum größten Teil angesichts der offenkundig ansteckenderen britischen Variante, die das Infektionsgeschehen bereits dominiert, vor Lockerungen warnen. Ganz im Gegenteil hat die Ampel-Kommission sogar eine Rücknahme empfohlen, sobald eine bundesweite Inzidenz von 200/100.000 Einwohner erreicht ist. Zuletzt lag sie bei 149, wobei sie sich in Niederösterreich und dem Burgenland schon der 200er-Marke näherte. Zu beachten ist dabei, dass sich die britische Variante zunächst im Osten breit gemacht hatte.

Einen gewissen Effekt bei der Zunahme der Fallzahlen hat auch der Ausbau der Tests. Österreich führe mittlerweile pro Woche rund 2,5 Millionen Tests durch und befinde sich so im weltweiten Spitzenfeld, freut sich die Regierung.

"Die aktuelle Lage ist hochriskant"

Am Samstag hatte es vor allem warnende Stimmen gegeben: SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach sich angesichts der steigenden Zahl an Neuinfektionen gegen weitere Öffnungsschritte aus „Die aktuelle Lage ist hochriskant. Ich bin für den Weg der Sicherheit und der Kontrolle und möchte keinesfalls eine Situation wie im November, wo Intensivstationen vor dem Kollaps standen“, sagte Rendi-Wagner. Weitere Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt wären die Kapitulation vor dem Virus mit verheerenden Folgen für den Gesundheitsschutz und die Wirtschaft.

Mehr dazu hier:

"Situation sehr komplex"

Auch die Epidemiologin Eva Schernhammer, die auch am Gipfel teilnehmen wird, sprach sich gegen Lockerungen aus. Die Situation sei „sehr komplex“, es sei nicht möglich, die weitere Entwicklung vorherzusagen. Weitere Öffnungen könnte man guten Gewissens nur bei stabilen Infektionszahlen und der Gewissheit ankündigen, „dass das auch so bleibt“ und sich nicht durch das Abgehen von Maßnahmen verschlechtert.

Mehr dazu hier:

Outdoor-Sport

Die Interessensvertretung Sport Austria hatte zuletzt  ein dreistufiges Lockdown-Ende gefordert.  Ab sofort sollten Outdoor-Sportarten ohne Kontakt wieder möglich sein. Ab Mitte März dann Outdoor-Sportarten mit Kontakt und Indoor-Sportarten ohne Kontakt  – Basis dafür wären  regelmäßige Corona-Tests. Die dritte Stufe sähe ab 29. März auch Indoor-Sportarten mit Kontakt vor – mit Tests als unbedingter Voraussetzung.

Kommentare