Christian Pilnacek: Der Weg vom mächtigen Beamten zur Suspendierung
Lange war Christian Pilnacek der mächtigste Beamte im Justizministerium. In ÖVP-Zeiten aufgestiegen, immer wieder im Clinch mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dann unter Alma Zadic (Grüne) entmachtet, konnte er sich im Vorjahr die Hälfte seiner einst übermächtigen Sektion zurückholen. Doch das Comeback, so scheint es, währte nur kurz. Am Donnerstag wurde Pilnacek vorläufig suspendiert. Verletzung des Amtsgeheimnisses lautet der Verdacht.
Die Ironie an der Sache: Pilnacek soll in der Causa Heumarkt-Projekt interne Informationen genau aus jener Behörde verraten haben, mit der er - gemeinsam mit dem Wiener Oberstaatsanwalt Johann Fuchs - seit Jahren im Clinch liegt.
Doch nicht die WKStA wurde am Donnerstag bei ihm (und bei Ex-ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter) vorstellig und schnappte sich zumindest eines seiner Handys, sondern die Staatsanwaltschaft Wien. Pilnacek wollte trotz Anfrage seit Donnerstag keine Stellungnahme abgeben.
Strippenzieher im Justizressort
Pilnacek, unter Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) 2010 zum Chef der damals neuen Strafrechtssektion IV aufgestiegen, zog mit Legistik und Einzelstrafsachen - inklusive der Weisungsabteilung - jahrelang an sehr vielen Strippen des Justizressorts. Unter Türkis-Blau auch Generalsekretär des Ministeriums, wurde die Kritik an ihm im Vorjahr immer lauter. Nach einem Treffen Pilnaceks mit Beschuldigten der Causa Casinos - darunter Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) - rügte Zadic ihn zunächst. Im Mai teilte die grüne Ministerin Pilnaceks Sektion dann auf, um für "innere Gewaltenteilung" im Ressort zu sorgen. Der Spitzenjurist bewarb sich unverdrossen und bekam die Legistik zurück.
"Setzts euch z'samm und daschlogts es"
Für gehörigen Wirbel hatte Pilnacek vor allem in der Eurofighter-Causa und dem damit verbundenen Konflikt mit der WKStA gesorgt. Letztere zeigte ihn 2019 wegen Amtsmissbrauchs an, was letztlich ohne Folgen blieb. Der Vorwurf: Pilnacek habe versucht, das Eurofighter-Verfahren teilweise abzuwürgen. "Setzts euch z'samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können", so der legendär gewordene Satz aus einem heimlich aufgenommenen Gesprächsmitschnitt.
Der Konflikt - unterlegt mit dem Vorwurf, mit nicht als Weisungen deklarierten Vorgaben zu agieren - eskalierte so sehr, dass der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) ein Mediationsverfahren einleiten ließ. Es gab aber auch eine längere Vorgeschichte, unter anderem in der BVT-Affäre. Die WKStA hatte in Eigenregie die umstrittene und letztlich rechtswidrige Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz veranlasst und wurde deswegen von Pilnacek an die Kandare genommen.
Im Vorjahr tauchte dann ein Mailverkehr mit Oberstaatsanwalt Fuchs auf. Pilnacek meinte darin, man müsse "insgesamt die Leistungen der WKStA hinterfragen" und dabei "aktive und breite Öffentlichkeitsarbeit" betreiben. FPÖ, Neos und SPÖ schäumten, sahen einen Konnex zum Misstrauen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegen die WKStA, und pochten erneut auf eine Absetzung des Spitzenjuristen.
"System Pilnacek"?
Vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss spielte Pilnacek seine Rolle herunter. Es gebe kein "System Pilnacek", seine Macht sei durch die rechtlichen Vorgaben begrenzt. Danach bezeichnete er seine Befragung als "Jammertal", er sei Opfer einer "Jagdgesellschaft".
Im Jänner 2021 zeigte die WKStA ihn erneut an. Eine weitere Korrespondenz mit Fuchs war aufgetaucht, diesmal vom Abend des Erscheinens des Ibiza-Videos. Darin schrieb Pilnacek, dass man der WKStA keine aktive Rolle zukommen lassen soll. Pilnacek und Fuchs sollen dieses Vorgehen im U-Ausschuss verschwiegen haben und wurden deswegen angezeigt.
Große Aufmerksamkeit erhielt letztlich die Zeugenaussage einer ehemaligen Korruptionsstaatsanwältin im Ibiza-U-Ausschuss. Es habe einfach zu viele "Störfeuer" gegeben, berichtete Christine Jilek, die nach 13 Jahren in ihrer Funktion das Handtuch geworfen hatte. In diesem Zusammenhang nannte auch sie Oberstaatsanwalt Fuchs und: Pilnacek.
Geboren 1963, Sohn aus bürgerlichem Haus, wurde Pilnacek 1992 zum Richter ernannt und dann der Straflegislativsektion des Justizministeriums zugeteilt. Nach sechs Jahren in der Gesetzesschmiede wechselte er zurück in die praktische Anwendung, 1998/99 war er Richter am Landesgericht Korneuburg. Seit Oktober 1999 arbeitet er im Justizministerium. Im September 2010 übernahm Pilnacek die Leitung der damals neu geschaffenen Strafrechtssektion (Legislative und Einzelstrafsachen).
Pilnacek ist in zweiter Ehe mit Caroline List, Präsidentin des Grazer Straflandesgerichts, verheiratete. Der ersten Ehe entstammen drei bereits erwachsene Kinder. Als Hobby nennt er Theater und Skifahren.
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