Es begann mit einer anonymen Anzeige: Wenige Wochen nach Platzen der Ibiza-Affäre gelangte im Juni 2019 bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein Schreiben mit detailliertem Insider-Wissen über angebliche Hintergründe zur Bestellung von Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos Austria AG ein.
Eine weitere anonyme Anzeige kam Mitte August 2019 - und setzte Ermittlungen in Gang, bei denen es bis zuletzt eine ganze Reihe von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bis in höchste Politik- und Justiz-Kreise gab.
Hier ein Überblick (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) gegen wen wegen welcher Vorwürfe ermittelt wird. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.
Harald Neumann, Ex-Novomatic-Chef
Am 12. August 2019 fanden mehrere Hausdurchsuchungen statt: Bei Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus, Casinos-Finanzvorstand Peter Sidlo, Novomatic-Gründer Johann Graf und bei Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann.
Die Vorwürfe gegen Neumann: Untreue und Bestechung.
Neumann soll mit FPÖ-Vertretern ausgedealt haben, dass Sidlo, FPÖ-Bezirksrat, als dritter Vorstand der Casinos Austria nominiert wird. Im Gegenzug soll die FPÖ eine Novelle des Glücksspielgesetzes versprochen haben.
Auch der frühere FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs soll involviert gewesen sein, auch er gilt als Beschuldigter.
Hartwig Löger, Ex-Finanzminister (ÖVP)
Am 12. November 2019 fanden weitere Hausdurchsuchungen statt: Beim Ex-Finanzminister Hartwig Löger, beim ebenfalls Ex-Finanzminister und heutigen Casinos-Aufsichtsrat Josef Pröll, beim Casinos-Aufsichtsratspräsidenten Walter Rothensteiner und bei ÖBAG-Chef Thomas Schmid (zu Schmid unten mehr).
Die Vorwürfe gegen Löger: Amtsmissbrauch und Bestechung.
Löger soll Rothensteiner gedrängt haben, Sidlos Bestellung als Finanzvorstand durchzusetzen. So wurde bei Rothensteiner eine Notiz gefunden, in der es hieß: „Löger hat mit (Johann, Novomatic-Gründer, Anm.) Graf konferiert, der hat irgendeinen Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss."
Rothensteiner wird Bestechung und Untreue vorgeworfen, selbiges bei Pröll - auch er soll sich für Sidlos Bestellung stark gemacht haben.
Thomas Schmid, ÖBAG-Chef
Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium ist seit 2019 Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG). Auch er soll in die Bestellung Sidlos eingebunden gewesen sein.
Schmid wird - soweit bekannt - in der Casinos-Causa Beitragstäterschaft zu Bestechlichkeit vorgeworfen.
Die WKStA hat zu seiner Handy-Auswertung kürzlich einen 186-seitigen Bericht vorgelegt, die Hintergründe seiner Bestellung als ÖBAG-Chef zeigen (mehr dazu hier).
Gernot Blümel, Finanzminister (ÖVP)
Am 11. Februar 2021 war Blümel bei der WKStA und willigte in eine freiwillige Nachschau in seiner Wiener Wohnung ein. Dabei wurden das Handy und der Laptop Blümels sichergestellt.
Die Vorwürfe gegen Blümel: Untreue, Amtsmissbrauch, Bestechung/Bestechlichkeit.
Auf Blümel kam die WKStA wegen Nachrichten auf dem sichergestellten Handy von Ex-Novomatic-Chef Neumann, der 2017 bei Blümel (damals noch nicht-amtsführender Stadtrat in Wien) um einen Termin beim damaligen Außenminister und heutigen Kanzler Sebastian Kurz gebeten hat, um zwei Dinge zu besprechen: Erstens "Spende", zweitens "ein Problem in Italien" mit Steuern.
Die ÖVP erklärte später, Novomatic-Eigentümer Johann Graf habe nicht Kanzler Kurz, sondern Aufsichtsrätin und Schwiegertochter Martina Kurz getroffen.
Clemens-Wolfgang Niedrist, Kabinettschef Blümels
Wie am Freitag bekannt wurde (mehr dazu hier), soll der Kabinettschef eine Anordnung zu Sicherstellungen im Finanzministerium an Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek geschickt haben.
Der Vorwurf gegen Niedrist: Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Nach der Hausdurchsuchung bei Blümel wollte die WKStA noch Unterlagen im Finanzministerium sicherstellen, um herauszufinden, ob Novomatic-Chef Neumann der Wunsch nach Hilfe zu seinem Steuerproblem in Italien erfüllt wurde. Pilnacek riet Niedrist, Beschwerde gegen die Sicherstellungen einzulegen.
Christian Pilnacek, Justiz-Sektionschef
Am 25. Februar 2021 war die Staatsanwaltschaft Innsbruck bei Pilnacek im Ministerium und stellte sein Handy sicher, später kam noch ein älteres Gerät dazu. Pilnacek wurde vorläufig suspendiert, die Bundesdisziplinarbehörde verlängerte die Suspendierung aber nicht (mehr dazu hier).
Der Vorwurf gegen Pilnacek: Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Dieser Verdacht kommt aus der Causa um Investor Michael Tojner: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck glaubt, dass er im Juni 2019 Informationen über eine Razzia bei Tojner an dessen Rechtsbeistand, Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, weitergegeben habe.
Eine erste Auswertung von Pilnaceks Handy brachte diese Woche Brisantes ans Tageslicht: Pilnacek korrespondierte mit Niedrist wegen der Hausdurchsuchung im Finanzministerium und bezeichnete die WKStA-Aktion als "Putsch" (mehr dazu hier).
Gegen Pilnacek gibt es noch zwei weitere Verfahren: Eines wegen Amtsmissbrauchs in der Causa Stadterweiterungsfonds (nach einer anonymen Anzeige von April 2020) und eine wegen Falschaussage im U-Ausschuss (Anzeige vom Jänner 2021).
Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien
Am 15. März klopfte die Staatsanwaltschaft Innsbruck auch bei Fuchs in der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) an und beschlagnahmte sein Handy.
Der Vorwurf gegen Fuchs: Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Auf Pilnaceks Handy fand man einen Informationsbericht über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Blümel, den die OStA ovn der WKStA im Zuge der Fachaufsicht erhalten hatte. Es besteht nun der Verdacht, dass Pilnacek diesen von OStA-Fuchs geschickt bekam.
Das würde jedenfalls dazu passen, was Fuchs im März im U-Ausschuss andeutete: Er sagte, er tausche sich immer noch mit Pilnacek über Strafverfahren aus, obwohl dieser seit einer Sektionsteilung schon seit Monaten nicht mehr für Strafsachen zuständig ist. Und er konnte nicht ausschließen, dass es auch um den Fall Blümel ging.
Wolfgang Brandstetter, Verfassungsrichter und Ex-Justizminister
Sein Fall hat nichts mit der Casinos-Causa zu tun, er war nur Auslöser für die Beschlagnahme bei Pilnacek: Wie oben beschrieben, wirft man ihm vor, von Pilnacek die Information über die Tojner-Razzia 2019 erhalten und Tojner davor gewarnt zu haben. Zudem soll er 2017, zu seiner Minister-Zeit, Tojner darüber informiert haben, ob gegen ihn ermittelt wird (mehr dazu hier).
Der Vorwurf gegen Brandstetter: Verletzung des Amtsgeheimnisses.
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