Wie russische Medien die Minsker Flugzeugaffäre verwässern
Während der Kreml beteuert, nichts mit der Umleitung des Fluges zu tun zu haben, hat er längst eine andere Armee ausgesandt, um dem kleinen Bruder im Minsker Präsidentenpalast die Stange zu halten: kremltreue Medien. Die von Moskau kontrollierten Online-Portale, TV-Sender und Social-Media-Seiten sind in der vergangenen Woche ausgerückt, um das Narrativ, das in westlichen Medien zu der Causa gezeichnet wurde, wieder zunichte zu machen.
So wurde vielfach der Zwischenstopp des Fluges von Evo Morales 2013 in Wien thematisisert, als Edward Snowden gesucht wurde – was mit dieser Causa nichts zu tun hat. Es wurde behauptet, dass die Umleitung durch einen Kampfjet "in Einklang mit den internationalen Bestimmungen" sei, was falsch ist. Roman Protassewitsch wurde als Neonazi diffamiert, was die Aktion der belarussischen Führung allerdings nicht legaler macht.
Nachrichtenfabrik
In einem riesigen Gebäude in St. Petersburg laufen die Fäden zusammen. Von dieser als "Trollfabrik" bekannt gewordenen Stätte aus werden falsche, manipulative oder halbwahre Botschaften in Umlauf gebracht. Auch Hackergruppen sollen hier tätig sein.
Weniger geheimnisvoll geht es bei RIA oder Russia Today, das mittlerweile auf fünf Fremdsprachen, inklusive Deutsch, erscheint. Sie werden offiziell vom russischen Staat finanziert. Bei vielen anderen Medien, die pro-Kreml-Inhalte produzieren, ist das nicht so transparent. Dennoch fügen sie sich in ein Bild ein, das von der EU seit mittlerweile 2015 genau beobachtet wird. Auf der Homepage EUvsDisinfo.eu wird blogartig festgehalten, was Mitgliedstaaten und Experten an Desinformation und Propaganda (vor allem aus prorussischen Quellen) herausfiltern können.
Ablenkung, Themenänderung, Verwirrung
"Passiert etwas auf der Welt, das Russlandbezug haben könnte, wird die Maschinerie angeworfen", sagt Peter Stano, Sprecher der für die Seite zuständigen Abteilung in der EU-Kommission. So auch nach dem Umleiten des Ryanair-Fliegers am Sonntag. Es gehe darum, die Ereignisse "sofort in dem Licht zu zeigen, das dem Kreml-Narrativ entspricht".
Das sei aber im Falle des verhafteten Bloggers nichts Neues. Die Methoden seien bekannt, sagt Stano: Es wird auf andere Fälle verwiesen, abgelenkt, das Thema geändert, alles bisher Berichtete in Frage gestellt und verschiedene Theorien verbreitet.
Fast die Hälfte der EU-Bürger werden mittlerweile zu Spitzenzeiten (etwa vor der letzten EU-Wahl) mit diesen Medien erreicht. "Die Desinformation ist maßgeschneidert auf den jeweiligen nationalen Markt", weiß Stano. In manchen EU Staaten finde man – allein schon wegen historischen, kulturellen oder emotionalen Verbindungen mit Russland – aufmerksamere Leserschaften als in anderen.
Gegenmittel Faktencheck
"Die russische Medienstrategie für Europa ist hochentwickelt und auf einzelne Länder maßgeschneidert", sagt Peter Stano, "und sehr effektiv". "Dafür wird viel Geld und Personal abgestellt." Die "Trollfabrik" in St. Petersburg zeige nur, wie institutionalisiert die Strategie bereits sei.
Die einzige Methode, die die EU zur Bekämpfung der russischen Desinformation habe, sei die Aufklärung. "Wir können diesen Medien den Zugang zu unserem Markt nicht verwehren – das würde unseren Werten und Freiheiten widersprechen", weiß man bei der Kommission. Man werde "Feuer nicht mit Feuer" bekämpfen, sondern auf Faktenchecks, Enthüllungen von Desinformations-Akteuren und Aufklärung in der Bevölkerung setzen.
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