Söldner können dort operieren, wo es die Armee nicht soll
Seit Jahren nehmen sie etwa an Konflikten teil, mit denen die Armee (noch) nicht in Verbindung gebracht werden soll. Erstmals war das 2014 bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim der Fall, als zunächst Wagner-Truppen den Weg für die Streitkräfte ebneten. Das erwies sich als so erfolgreich, dass es zum Erfolgsrezept in anderen russischen Interessensgebieten weltweit wurde.
In den Folgejahren kamen russische Söldner in Syrien und Libyen zum Einsatz, später in Venezuela, Afghanistan oder dem Iran. Besonders präsent waren sie in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, wo Wagner-Truppen etwa Goldminen für Prigoschins Imperium sicherten. Im Vergleich zu regulären Soldaten weisen die meisten Söldner damit deutlich mehr Kampferfahrung auf.
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Söldner-Aktivitäten lassen sich leichter verschleiern
Weil sie offiziell Privatkonzerne sind, lassen sich die Söldner-Aktivitäten auch leichter verschleiern. Auch hier ist Wagner das beste Beispiel: Eigentlich ist die Gruppe nämlich kein einzelnes, paramilitärisches Unternehmen, sondern "eine Dachorganisation für mehrere Söldnereinheiten, Firmen und Akteure, die von Prigoschin überwacht werden", wie es in einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums heißt.
Das undurchsichtige Firmengeflecht – offiziell ist Wagner in Argentinien gemeldet, unterhält aber Büros in St. Petersburg und Hongkong – verwaltet neben zwölf einzelnen Söldnergruppen auch Prigoschins Gastronomie-Firmen.
Ebenso undurchsichtig war lange Zeit auch die Finanzierung der Gruppe, auch wenn schon lange vermutet wurde, dass Wagner ausschließlich vom Kreml finanziert wird. Am Dienstag bestätigte Putin das erstmals selbst – ebenso wie das Ausmaß: Fast eine Milliarde Euro sollen Prigoschins Truppen innerhalb eines Jahres von der Regierung erhalten haben.
Andere Söldnergruppen: Von Tschetschenien bis Gazprom
Aus russischer Sicht gaben die militärischen Erfolge der Söldner in der Ukraine, vor allem bei der Eroberung der Stadt Bachmut, dem Kurs der Regierung Recht. Prigoschin gab sich erst im Verlauf des Ukraine-Kriegs offiziell als Wagner-Chef zu erkennen, trat anschließend immer stärker und zunehmend angriffiger in der Öffentlichkeit in Erscheinung.
Erst im März weitete Putin ein Gesetz, das die "Diskreditierung der russischen Streitkräfte" verbietet, auch auf "Söldner und Freiwilligenkorps" aus. Der gestiegene Stellenwert von Söldnern in der russischen Gesellschaft ließ seither immer mehr Nachahmer aus dem russischen Boden sprießen:
- Die wohl bekannteste russische Privatarmee neben der Wagner-Gruppe ist jene des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow. Im Grunde genommen ist sie aber eine Mischform: Die knapp 12.000 "Kadyrowzy" gehören offiziell zur russischen Nationalgarde, sind also dem Verteidigungsministerium unterstellt.
Im Gegensatz zu den Wagner-Kollegen verloren sie seit Beginn des Ukraine-Krieges jedoch an Ansehen, da mehrere Hundert von ihnen in den ersten Tagen der Invasion aufgerieben wurden. Kadyrow dachte deshalb - nach dem Vorbild der Wagner-Gruppe - auf Telegram lautstark über eine neue Söldnereinheit nach.
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- Erst Ende April wurde unter dem Namen "Patriot" eine Söldnergruppe gegründet, die Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zugeordnet wird. Dass Schoigu auch Ambitionen hegte, die Wagner-Truppen unter sein Kommando zu stellen, gilt als einer der Hauptgründe für Prigoschins gescheiterten Putsch.
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- Doch auch (teil)staatliche russische Konzerne wie Gazprom betreiben ihre eigenen Armeen: Die frisch gegründete Sicherheitsfirma Gazpromneft Security soll etwa Öl- und Gasterminals in der Arktis bewachen.
- Und der ehemalige armenische Präsident Armen Sarkissjan, erst kürzlich als Verwalter der Gefängnisse in den von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebieten im Donbass eingesetzt, will Medienberichten zufolge nach Vorbild der Wagner-Gruppe Söldner aus seinen Gefängnissen anheuern.
Es wäre typisch für Putins Führungsstil, die Erfolgsstrategie der Söldner weiterzuverfolgen, jedoch ohne den Großteil der Schlagkraft in einer einzigen Organisation zu vereinen. Ob er ein weiterer Aufstand damit erschwert würde, dürfte davon abhängen, wie stabil er die Machtstrukturen im Staat aufrechterhalten kann.
Die russische Gesellschaft wird damit jedoch weiter aufgerüstet und fernab der Armee militärisch organisiert.
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