Ramsan Kadyrow: Putins brutalster Scherge

“Kriegsherr“, „Foltermeister“, „Putins Bluthund“ – Ramsan Kadyrow erhielt viele Spitznamen in den 15 Jahren seiner Herrschaft über die autonome russische Teilrepublik Tschetschenien. Sie alle zeigen, dass dem Mann der Ruf eines mittelalterlichen Despoten vorauseilt. Von Moskau wird Kadyrow fürstlich dafür bezahlt, dass er die einst so aufmüpfige Region am Nordkaukasus mit eiserner Faust unter Kontrolle hält. Entscheidend dafür ist auch seine gewaltige Privatarmee, die sogenannten „Kadyrowzy“.
In den letzten Monaten hat der „Bluthund“ offensichtlich massiv an Einfluss beim russischen Präsidenten Wladimir Putin gewonnen, er war im vergangenen Jahr auffallend oft in Moskau. Beobachter fragten sich lange, warum der nützliche, aber bei der russischen Elite alles andere als beliebte Tschetschene so in der Gunst des Präsidenten gestiegen war. “Jetzt wissen wir, dass Kadyrow wohl frühzeitig in die Planung des Ukraine-Kriegs miteingebunden war“, sagt der Russland-Experte Alexander Dubowy zum KURIER.
Die Invasion der Ukraine bietet Kadyrow die Möglichkeit, die Schlagkraft seiner persönlichen Kämpfer und damit seinen Nutzen auch außerhalb Tschetscheniens zu demonstrieren. Deshalb hatte Kadyrow wohl vor gut zwei Wochen behauptet, selbst in der Ukraine zu sein – wie sich anhand von Ortungsdaten seines Handys herausstellte, verließ er Grosny jedoch seit Wochen nicht.

Sonderstellung
Kadyrow ist gläubiger Muslim erzkonservativer Prägung. Seinen Bart trägt er, wie viele tschetschenische Männer, so, wie ihn der Prophet Mohammed einst getragen haben soll. Nach fundamentalistisch-islamischem Vorbild ist Kadyrow mit drei Frauen verheiratet – obwohl die Mehrfachehe in Russland eigentlich verboten ist.
Der Tschetschene erlaubt sich überhaupt deutlich mehr als andere regionale Machthaber in Russland, so dürfen das russische Innen- oder Justizministerium in seiner Teilrepublik nur mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis operieren. Als die Bundespolizei 2015 etwa zuletzt einen Tschetschenen in der Nähe der Regionalhauptstadt Grosny bei einem Verhaftungsversuch erschossen hatte, erteilte Kadyrow seinen Sicherheitskräften den Schießbefehl gegen Moskauer Beamte auf tschetschenischem Gebiet.
Erst im Jänner ließ Kadyrow die Frau des ehemaligen russischen Bundesrichters und Menschenrechtsaktivisten Saidi Jangulbajew in der Großstadt Nischni Nowgorod von seinen Männern verhaften – fast 1.800 Kilometer außerhalb Tschetscheniens.
Folter und Morde
Dass Kadyrow es auf Menschenrechtler in ganz Russland abgesehen hat, ist keine Überraschung, schließlich wird ihm von etlichen Organisationen eine lange Liste von Verbrechen vorgeworfen. So wurden etwa Menschen inhaftiert, die als „zu ungläubig“ galten – aber auch solche, die man wegen ihres starken Glaubens als „Extremisten“ ansah.
Eine faire Rechtsprechung gibt es in Tschetschenien nicht, Gefangene werden meist so lange gefoltert, bis sie gestehen, was von ihnen verlangt wird. Jene ernstzunehmenden Kadyrow-Kritiker, die diese Säuberungsaktionen überlebt haben, sind entweder geflohen oder sitzen im Gefängnis.
Überhaupt keinen Platz in Kadyrows Welt haben jene Tschetschenen, die nicht heterosexuell sind. Seit fünf Jahren werden unter anderem Homo-, Bi- und Transsexuelle gnadenlos verfolgt und in Sondergefängnisse gesperrt, wo sie anschließend gefoltert und sogar vergewaltigt werden sollen. In der 2021 erschienenen Dokumentation „Welcome to Chechnya“ des US-amerikanischen Regisseurs David France sagt Kadyrow auf Nachfrage zu den Vorwürfen: “Das ist alles Unfug. Bei uns gibt es solche Leute nicht.“
Morde im Ausland, auch in Wien
Aber auch im Ausland können sich Tschetschenen nicht sicher fühlen. Wer sich negativ über Kadyrow äußert, muss damit rechnen, dass die Familie in der Heimat bestraft wird – oder weibliche Verwandte unter Gewaltandrohung mit seinen Getreuen zwangsverheiratet werden.
In mehreren europäischen Ländern kam es bereits zu Morden, bei denen Kadyrow im Verdacht steht, sie in Auftrag gegeben zu haben. Auch in Österreich: Erst 2020 wurde etwa in Gerasdorf bei Wien ein gebürtiger Tschetschene mit fünf Schüssen hingerichtet, der Kadyrow zuvor online kritisiert hatte. 2009 erschossen zwei Männer den ehemaligen Kadyrow-Leibwächter und späteren Menschenrechtsaktivisten Umar Israilow in Floridsdorf.
Wird er zum Problem?
Während die Narrenfreiheit, mit der sein „Bluthund“ agiert, offenbar vielen in der russischen Sicherheitselite sauer aufstößt, lässt Putin die Leine locker. Kadyrow zahlt es ihm mit großer Treue zurück: „Ich bin Putins Fußsoldat“ sagte er etwa bei einer Rede 2015.
Diese Beziehung bringt gleichzeitig einen Konflikt mit sich, denn: „Kadyrows Treue gilt nur Putin selbst, nicht dem System der Russischen Föderation. Von einer Treue zu Moskau kann überhaupt keine Rede sein“, meint Experte Dubowy.
Durch die Autonomie Tschetscheniens sei auch der Einfluss der russischen Führung bis heute klein geblieben. Dazu kommt, dass Kadyrow sich mit Staatsbesuchen in Saudi-Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten ein eigenständiges Netzwerk innerhalb der muslimischen Welt aufgebaut hat.
Das alles führt Dubowy zu dem Schluss: „Sollte Putin einmal nicht mehr sein, können wir davon ausgehen, dass Kadyrow die tschetschenische Unabhängigkeit ausrufen wird.“ Und dann könnte es erneut zum Krieg kommen.
Zwei Unabhängigkeitskriege führten die Tschetschenen gegen Moskau: Von 1994-1996 und 1999-2009. Die Hauptstadt Grosny wurde dabei durch Bombardierungen völlig zerstört
Achmat Kadyrow, Ramsans Vater, war einst Mufti Tschetscheniens, weihte den ersten Krieg gegen Moskau sogar zum heiligen Dschihad. Im zweiten Krieg wechselte er dann die Seiten und wurde von Putin zum ersten Präsidenten der Teilrepublik ernannt, ein Jahr später aber bei einem Attentat getötet
Achmats Erbe wird bis heute hochgehalten. Nach ihm ist die größte Moschee und der größte Fußballverein benannt, zudem prägt Achmats Konterfrei die Fahnen der „Kadyrowzy“. Ihr Schlachtruf ist bis heute „Achmat Sila“ – „Achmats Stärke“

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