Wie die Wagner-Revolte den Krieg beeinflusst

Wie die Wagner-Revolte den Krieg beeinflusst
Militärexperte Feichtinger sieht keine unmittelbaren Folgen für Putins Waffengang in der Ukraine, aber andere Gefahren mit Sprengkraft für die Stabilität des Regimes im Kreml.

47 Sekunden Bewegtbild, ohne Ton – mehr gab es nicht zu sehen von Sergej Schoigu. Aber immerhin, es war das erste Video, das den russischen Verteidigungsminister zeigt nach den dramatischen Stunden des Wochenendes. Bis zur Veröffentlichung am Montag war der Ressortchef abgetaucht. Der kurze Clip zeigt Schoigu angeblich an der Front in der Ukraine im Gespräch mit Militärs. Einige Blogger sind aber fest davon überzeugt, dass die Aufnahme noch vor dem Aufstand der Wagner-Söldnertruppe um Jewgeni Prigoschin entstanden seien.

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Der 62-Jährige hatte ja am Wochenende dem Verteidigungsminister und auch Generalstabschef Waleri Gerassimow zum wiederholten Mal Unfähigkeit vorgeworfen und zum Sturm auf Moskau angesetzt – eher er nach einem Deal mit Russlands Machthaber Wladimir Putin 200 km vor der Hauptstadt abdrehen ließ.

„Moral könnte sinken“

Der Kremlherr konnte aufatmen, doch welche Folgen habe die Ereignisse auf den Krieg in der Ukraine, fragen sich viele. Einige meinen, dass die Russen in der ehemaligen Sowjetrepublik noch aggressiver vorgehen könnten. Der Geopolitiker und Militäranalyst Walter Feichtinger sieht das im KURIER-Interview anders: „Unmittelbar wird es kaum Auswirkungen auf dem Schlachtfeld geben, denn die Wagner-Kräfte waren zuletzt nicht mehr an vorderster Front eingesetzt, in weiterer Folge könnten sie aber als Kampfelement schon fehlen.“

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Was für den Experten aber schwerer wiegt, sind die Aussagen Prigoschins, wonach die Ukraine nie in Russland einmarschieren habe wollen: „Er hat doch einige Sympathisanten in Russland, und russische Soldaten werden in der Armee nicht immer gut behandelt. Da könnten dann in der Bevölkerung schon Zweifel aufkommen an der Sinnhaftigkeit des Krieges. Und die Moral könnte weiter sinken.“

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Ganz zentral ist in diesem Zusammenhang für Feichtinger auch die Frage, was mit den Wagner-Formationen weiter passiert. „Das sind 15.000 bis 20.000 Soldaten, die stellen natürlich eine Gefahr dar. Wie die neue Kommandostruktur da sein kann, ist noch völlig offen. Einzig klar scheint zu sein: Für Prigoschin gibt es da keine Rolle mehr.“

An den Frontlinien in der Ukraine sieht der ehemalige Brigadier des österreichischen Bundesheeres aktuell wenig Bewegung. Und auch die Vorfälle des Wochenendes dürften daran nichts ändern. „Die Ukraine hat bei ihrer Gegenoffensive bisher keine großen Durchbrüche geschafft.“ Was auch in Kiew bestätigt wird, wo man am Montag bekanntgab, das rund 130 Quadratkilometer rückerobert werden konnten – allein der Oblast Cherson ist 200 Mal größer.

NATO stärkt Ostflanke

Die russischen Streitkräfte, so Feichtinger weiter, würden an ihrer Strategie mittelfristig wenig ändern. „Sie haben sich gut vorbereitet und eingegraben und warten auf die ukrainischen Angriffe. Bisher gelingt es Putins Truppen ganz gut, die Attacken abzuwehren. Auch funktioniert das Zusammenspiel von Boden- und Luftkräften nach einigen Lerneffekten besser als früher.“

Dass der Westen nach den jüngsten Entwicklungen verstärkt Kriegsmaterial liefert, glaubt der Militärexperte nicht. Einerseits fehlten die Kapazitäten. Und andererseits sei die Bereitstellung von westlichen Kampfjets der „Knackpunkt“. Aber da werde sich in „absehbarer Zeit“ wenig tun.

Zumindest neue Geldmittel (3,5 Milliarden Euro) hat die EU losgeeist, um die Ukraine zu unterstützen. Und Deutschland stationiert dauerhaft 4.000 Soldaten in Litauen, um die NATO-Ostflanke zu verstärken.

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