Warum haben die Amerikaner keine Frau gewählt? Vier Gründe für Trump 2.0

Warum haben die Amerikaner keine Frau gewählt? Vier Gründe für Trump 2.0
Trumps eindeutiger Sieg mag für manche unerwartet gekommen sein. Die Gründe dafür sind aber handfest – und haben mit alten Rollenbildern, schlechter Polit-Taktik und der leidigen Teuerung zu tun.

Eines kann man nach dieser Wahl eindeutig sagen: Donald Trump ist genau jener Mann, den sich die Amerikaner wünschen. Nicht nur in Wahlmänner-Stimmen, auch im sogenannten Public Vote – den echten Mehrheitsverhältnissen – hat Trump das Rennen für sich entschieden, und zwar eindeutig.

Unverständlich? Für manche Beobachter durchaus. Geht man in die Tiefe, kommt der Sieg des Republikaners aber deutlich weniger überraschend als man glaubt. Vier Gründe, warum die USA Trump wollten – und Kamala Harris die falsche Frau zur falschen Zeit war.

1. Der Männer-Frauen-Faktor

Zuerst Hillary Clinton, jetzt Kamala Harris. Zwei (demokratische) Frauen, besiegt von einem Mann, der gern über die sexuellen Reize seiner Tochter spricht und Sätze wie "grab‘ em by the pussy" geprägt hat. Wie kann das sein?

Eine Antwort ist: Amerika ist noch immer nicht bereit für eine Frau an der Spitze. Die Themenlage (Abtreibung) und auch der Gegner (kein Frauenfreund) wären eigentlich eine Steilvorlage für jede weibliche Kandidatin gewesen. Aber schon im republikanischen Vorwahlkampf zeigte sich, dass der Faktor Geschlecht im Kampf gegen Trump kein Gewinnbringer ist; auch Nikki Haley – als Tea-Party-Bewunderin selbst nicht gerade moderat – musste sich Trump geschlagen geben.

Das hat zum einen etwas mit dem Geschlechterverhältnissen in den USA zu tun, die oft noch überraschend traditionell sind. Wie sehr sieht man an der Kampagne "Your vote is private": Unter diesem Motto wollte Kamala Harris Republikaner-Ehefrauen dazu bringen, gegen die Meinung ihrer Männer zu stimmen – zumindest geheim. Aufgegangen ist das nicht: Trump hat nicht nur massiv Männer mobilisieren können, sondern sogar bei den Frauen dazugewonnen.

Die andere Antwort ist auch, dass es Politikerinnen überall schwerer haben, sich an die Spitze zu kämpfen, aber besonders in den USA. Einerseits wird die Lösung "harter Themen" – wie die wahlentscheidende Teuerung oder die Migrationsfrage – Frauen noch immer weniger zugetraut als Männern; andererseits werden Frauen viel öfter auf ihr Geschlecht reduziert. Trump hat das lehrbuchartig vorgeführt: Er hat Harris als verrückt, kreischend und viel zu schrill abqualifiziert, zuletzt sogar als ein bisschen zurückgeblieben. So hat Harris zur stereotypisch weiblichen Hysterikerin gemacht – erfolgreich.

Warum haben die Amerikaner keine Frau gewählt? Vier Gründe für Trump 2.0

Eine verlassene Wahlparty der Demokratischen Partei in Nevada.

2. Die viel zu teuren Preise

Man will nicht schon wieder mit der Binsenweisheit "It's the economy, stupid!" beginnen. Doch hier steht sie nun.

Eigentlich waren die wirtschaftlichen Kennzahlen lange auf Joe Bidens Seite: Im März wurden 100.000 neue Arbeitsplätze mehr geschaffen als vorhergesagt; die Arbeitslosenquote lag auf einem so tiefen Stand wie seit über 50 Jahren nicht. Vor den Wahlen hat sich die Lage gedreht. Die Prognosen schwächten sich ab, wohl auch durch die Hurrikans, die Teile der USA verwüsteten, sowie durch die Streiks in den Häfen an der Ostküste und in der Luftfahrtindustrie, etwa beim Riesenunternehmen Boeing.

Dazu haben Kennzahlen nur wenig mit der gefühlten Lebensrealität der Amerikaner gemein: Sie bewerten die aktuelle Lage in den meisten Umfragen als eher negativ. Sie spüren lediglich hohe Mieten, niedrige Löhne und enorme Spritkosten in einem Land, das auf Fernstraßen gebaut ist. Der Spritpreis schwankte zuletzt zwischen 3,1 und 3,7 US-Dollar pro Gallone (rund 3,79 Liter), die Inflationsrate hat in den vergangenen Jahren zwischenzeitlich bei neun Prozent gelegen. In Nachwahlbefragungen gaben die Menschen meist die eigene finanzielle Lage als Wahlmotiv an; Trump gewann vor allem stark bei jenen Menschen, die weniger als 50.000 US-Dollar im Jahr verdienen.

Für die schlechte wirtschaftliche Lage wird meist die Regierung im Amt abgestraft, auch das ist eine Binsenweisheit. Daran ändert auch nichts, dass Trump vorwiegend Steuererleichterungen für Superreiche und Großunternehmen versprochen hat, und dass seine Zollpolitik die Preise wohl noch steigen lassen wird – ebenso wie dadurch die US-Schuldenquote, die bereits bei 121 Prozent liegt, weiter steigen wird.

3. Die lange Fehlerliste der Demokraten

Harris‘ Misserfolg auf Trump zu reduzieren, ist zu wenig. Die Demokraten haben da brav mitgewirkt: Viel zu lange haben sie darauf vertraut, dass Trump nach dem Kapitolsturm 2021 unwählbar ist. Mehr noch: Sie nahmen sogar Geld dafür in die Hand, um sein Lager zu stützen. Bei den Zwischenwahlen vor zwei Jahren finanzierten demokratische Geldgeber bewusst radikale Trump-Kandidaten, weil man sich gegen die Outlaws bessere Chancen ausrechnete. Die Strategie ging auf, sicherte den Demokraten den Senat. Schlussendlich stärkte sie aber nur Trump selbst.

Ähnlich blauäugig war die Partei bei Joe Biden. Natürlich gehört es sich nicht, gegen einen amtierenden Kandidaten zu kandidieren, aber seine Sturheit zu akzeptieren und ihn bei den Vorwahlen unhinterfragt durchzuwinken, war ein Geschenk an die Republikaner. Die warfen dem Gegner umgehend Elitenhörigkeit und  Missachtung demokratischer Prozesse vor. Dazu trug auch bei, dass die liberalen Medien viel zu lange wegsahen, wie Biden über Treppen und Sätze stolperte – übrig blieb da die Erzählung: Alles ist ein abgekartetes Spiel zum Machterhalt.

Auch der Übergang auf Harris war nachbetrachtet kein Glanzstück. Zuerst völlig konturlos als Vizepräsidentin, wurde sie von Partei und Medien ohne Gegenwind zur Heilsbringerin hochgejubelt. Das Momentum, das die Welt damals spürte, hielt aber nicht lange – Harris konnte es nicht mit Leben füllen. In Interviews blieb sie schwammig, gab Satzungetüme von sich und hatte vor allem keine konkreten Visionen und Pläne. Die Rechnung dafür bekamen die Demokraten in ihren Hochburgen präsentiert: Harris schnitt selbst in klassisch blauen Staaten wie Maryland oder Virginia schlechter ab als Biden 2020 oder Clinton 2016.

Warum haben die Amerikaner keine Frau gewählt? Vier Gründe für Trump 2.0

Donald Trump bei seinem Auftritt in der Wahlnacht in Florida.

4. Allein auf die Herkunft zu zählen, reicht nicht

Sie zählen eigentlich zu einer typisch demokratischen Wählerschaft: Einwanderer aus lateinamerikanischen Ländern. Landesweit stellen sie 15 Prozent der Wähler, in einigen Swing States wie Arizona, Pennsylvania und Nevada waren sie eine wesentliche Wählergruppe. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 gewann Joe Biden 59 Prozent ihrer Stimmen.

Diesmal stimmten sie aber überdurchschnittlich für die Republikaner. Das hat einerseits mit Trumps Themen zu tun: Latinos teilen eher konservative Werte, glauben an Familie, harte Arbeit, Recht und Gesetz – und sind zum Teil sehr religiös. Dass sie sich von einer Kandidatin mit Migrationshintergrund eher repräsentiert fühlen würden, war ein Irrglaube; viele Latinos – Selbiges gilt für asiatisch-stämmige oder Afroamerikaner – fühlten sich auch von der "woken", sprich allzu linken Agenda mancher Demokraten abgestoßen. Die teilweise rassistischen Äußerungen von Trump und dessen Team – Komiker Tony Hinchcliffe nannte Puerto Rico eine "Müllinsel" – sorgte wider Erwarten nicht für nennenswerte Verluste für Trump.

Zweitens ist die lateinamerikanische Bevölkerung sehr jung – und stellte viele Erstwähler. Etwa 31 Prozent der wahlberechtigten Latinos sind zwischen 18 und 29 Jahre alt, verglichen mit 20 Prozent der landesweiten Wählerschaft. Auch in dieser Wählergruppe hat Harris stark verloren. Hier spielt auch das Thema Wirtschaft wieder mit: Eine gefühlt schlechte Wirtschaftslage bereitet auch den Jungen Zukunftssorgen und sorgt für Unzufriedenheit mit dem Status quo.

Drittens: das Thema illegale Einwanderung, das die Hispanics spaltet. Auch wenn geschenkte Staatsbürgerschaften Schauermärchen von Trollfabriken oder Trump selbst waren, dominierte bei vielen ein Empfinden der Ungerechtigkeit angesichts der Hürden, die man für eine Einbürgerung und sein Leben in den USA auf sich genommen hat.

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