"Assad will keine Flüchtlinge zurücknehmen"
Bente Scheller leitet seit 2019 das Referat Nahost und Nordafrika der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, zuvor das Büro in Beirut, und arbeitete für die deutsche Botschaft in Damaskus und Beirut. Sie stellt sich gegen den Vorschlag: "Der Kontakt nach Syrien ist nie ganz abgebrochen. Es ist nur so, dass nicht jeder auf jeder Ebene mit jedem redet. Es gibt den UN-Sondergesandten für Syrien, nach wie vor einzelne Botschaften vor Ort, zum Beispiel die tschechische."
Auch die österreichische Botschaft unterhält einen Standort in Damaskus. "Österreich hat auch Kanäle offengelassen, um etwa über den Libanon ins Land einreisen zu können. Man würde nicht viel gewinnen, würde man weitere öffnen."
Scheller empfiehlt, sich an den Erfahrungen jener Staaten zu orientieren, die die Beziehung zu Assad bereits normalisiert haben – etwa Jordanien oder der Libanon, die ebenfalls die Hoffnung hegten, Geflüchtete wieder zurückschicken zu können. "Das ist aber nicht eingetreten", so die Expertin. "Assad hat immer klargestellt, er möchte Geflüchtete nicht zurücknehmen." Sie werden als "Verräter" des Regimes gesehen. Berichten zufolge sollen zurückgekehrte Flüchtlinge verschwunden oder auch wieder im Libanon aufgetaucht sein.
Folter, Verhaftungen und Erpressung
"Die Menschenrechtslage hat sich nicht gebessert. Berichte dokumentieren, dass Menschen, die zurückkehren, Misshandlungen und Folter ausgesetzt sind, oder willkürlich verhaftet werden, nicht zuletzt, um Familien Geld abzupressen." Der Sicherheitsapparat gilt als höchst kriminell; Assads Regime, dem Menschenrechtsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung vorgeworfen werden, verdient sein Geld vorwiegend mit Produktion und Handel der synthetischen Droge Captagon.
Militärische Stabilität sei nicht gleichbedeutend mit Sicherheit, heißt es immer wieder von Beobachtungsstellen. "Europa darf sich von Assad nichts erhoffen", so Scheller.
Dennoch kocht die Debatte, vor allem über die Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten Afghanistan und Syrien, immer wieder auf – zuletzt als in Deutschland ein Afghane bei einem vermutlich islamistisch motivierten Messerangriff einen Polizisten getötet hat. Auch linke und liberale Parteien sprachen sich daraufhin für Abschiebungen von Straftätern aus – angesichts der fehlenden diplomatischen Beziehungen und, weil nicht mit dem deutschen Grundgesetz und den Europäischen Menschenrechtskonventionen vereinbar, über einen Drittstaat.
Aktuell sorgt das erste Urteil eines Oberverwaltungsgerichts in Deutschland, dass ein syrischer Schlepper abgeschoben und ihm der Subsidiäre Schutzstatus verweigert werden dürfe, wieder für Diskussionen.
Forderung "innenpolitisch motiviert"
Scheller kritisiert: "Forderungen nach Abschiebungen sind klar innenpolitisch motiviert. Das Migrationsthema wurde von populistischen und rechten Parteien in den Diskurs getragen. Mittlerweile versuchen sich die Parteien darin zu überbieten, wie scharf die Migrationspolitik handgehabt werden soll."
Die Politologin gibt zu bedenken: "Rücknahmen würde sich das Regime wohl teuer bezahlen lassen. Überhaupt sollten wir, wenn es um die Abschiebung von Straftätern geht, uns aus eigenen Sicherheitsinteressen fragen: Trauen wir diesen Staaten tatsächlich zu, diese Menschen so zu verwahren, dass sie uns nicht mehr gefährlich werden? Wenn sie vor unseren Gerichten stehen und in unseren Gefängnissen sitzen, sind unsere rechtsstaatlichen Standards garantiert. Ich bin mir nicht sicher, ob Terrorismus in Syrien ähnlich geahndet wird, und das syrische Regime ein Interesse an unserer Sicherheit an."
Und schließlich wäre da noch die internationale Symbolwirkung, die eine Annäherung an den von Russland und dem Iran unterstützten Assad hätte. Scheller: "Das Regime bewegt sich keinen Millimeter – auch weil ihm Russland den Rücken stärkt. Wenn wir Assad nachgeben, geben wir auch Putin nach."
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