Debatte um Abschiebung nach Afghanistan entfacht
Dass es sich bei dem 25-jährigen Täter, der sich weiterhin nicht vernehmungsfähig im Krankenhaus befindet, um einen Afghanen handelt, entfachte die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan neu (ähnliche Diskussionen gibt es auch in Österreich). Der Mann kam 2013 nach Deutschland, sein Asylantrag wurde laut FAZ abgelehnt, er erhielt einen subsidiären Schutzstatus. Seine derzeitige befristete Aufenthaltsgenehmigung gilt bis 2026, weil er mittlerweile mit einer Deutschen zwei Kinder und das Sorgerecht hat. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden handelte es sich um einen "islamistisch radikalisierten Einzeltäter".
Union und AfD drängen auf Abschiebungen: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schreibt in einem Gastbeitrag in der Welt: "Wer in unser Land als Gast und Schutzsuchender kommt, sich aber nicht an unsere Rechtsordnung hält und unsere Werte mit Füßen tritt, hat sein Gastrecht verspielt.“ AfD-Politiker warfen der Bundesregierung Verharmlosung oder absichtsvolles Verschweigen vor. Die Ampelparteien fordern ein verstärktes Vorgehen gegen Islamismus, allerdings weniger konkret. Kanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf X, extremistische Täter von links wie von rechts "sollten sich fürchten müssen und damit rechnen, dass wir alle Mittel einsetzen, um ihnen zu begegnen."
Abschiebestopp seit Machtübernahme der Taliban
Derzeit ist eine Abschiebung aus Deutschland nach Afghanistan jedoch nahezu unmöglich: Der damalige CSU-Innenminister Horst Seehofer hat im Oktober 2021 einen Abschiebestopp nach Afghanistan verfügt – kurz zuvor hatten die Taliban wieder die Macht an sich gerissen. Doch aus dem Bundesinnenministerium heißt es, man lasse intensiv prüfen, ob zumindest Abschiebungen von Straftätern erfolgen können. "Die Sicherheitsinteressen Deutschlands überwiegen hier eindeutig gegenüber den Bleibeinteressen von Betroffenen", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag.
Widerstand dürfte da jedoch vom grünen Koalitionspartner drohen: Der FAZ zufolge gebe es aktuell keine Zeichen dafür, dass Außenministerin Annalena Baerbock und das Auswärtige Amt eine Neueinschätzung der Sicherheitslage des Landes planten. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour bekräftigte das am Montag: "Ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan würde bedeuten, dass man dafür einen Preis zahlt." Den Taliban Geld zu zahlen, "wäre eine Stärkung der islamistischen Szene und das ist keine Lösung." Allerdings ist die Ländereinschätzung des Auswärtigen Amtes nicht Voraussetzung für Abschiebungen nach Afghanistan.
Kritiker zweifeln jedoch, ob sich dadurch Attentate wie jenes in Mannheim verhindern ließen – der 25-jährige Täter war etwa weder ausreisepflichtig noch war er vor der Tat polizeilich oder dem Verfassungsschutz bekannt gewesen.
Aufschwung für AfD?
Dass sich die Tat wenige Tage vor der EU-Wahl ereignet hat, könnte der AfD, die aktuell in einem Umfragetief liegt, auf den letzten Metern möglicherweise einen Aufschwung bescheren, so Politanalysten. In einer am Dienstag veröffentlichten INSA-Umfrage für die Bild-Zeitung lag sie bei 15,5 Prozent Zustimmung und damit hinter CDU und SPD. Für die AfD ist das der schlechteste Wert seit März 2023. Verantwortlich dafür sind die jüngsten Skandale der Rechtspopulisten: Ein Mitarbeiter des AfD-EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah soll für China spioniert, der Listenzweite Petr Bystron Schmiergelder aus Russland erhalten haben. Krah selbst hat in einem Interview SS-Angehörige verharmlost, daraufhin wurden alle AfD-Parlamentarier aus der Rechtsaußen-Fraktion ID im EU-Parlament ausgeschlossen.
Die aufflammende Debatte um Abschiebungen spielt der AfD in die Hände, Migrationspolitik war das Thema der Rechten im Wahlkampf. In einer ARD-Umfrage gaben 41 Prozent der Befragten die Flüchtlings-, Asyl- und Integrationspolitik als das dringlichste Problem der Europäischen Union an.
Vor allem in den sozialen Medien ist die Polarisierung zu spüren. Dort verbreiteten sich neben einer Aufnahme des Attentats Videos von rechtsextremen und islamistischen Protesten, deren Herkunft oder Originalität kaum überprüfbar sind. Einem Fake-Beitrag ist auch die AfD-Vorsitzende Alice Weidel aufgesessen: Sie las auf einer Veranstaltung eine angebliche Pressemitteilung von Faeser vor, in der aufgerufen wurde, das Video des Angriffs nicht zu verbreiten, um die Persönlichkeitsrechte des Täters nicht zu verletzen. Später musste Weidel eingestehen, dass es sich um eine Fälschung gehandelt hatte.
Echt war jedoch ein emotionales Interview der Welt mit einem Helfer, der bei dem Angriff dazwischengegangen war. Unter Tränen berichtete er, wäre der Polizist nicht gewesen, wäre er derjenige, der nun tot sei. Der Mann ist selbst Migrant.
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