Überrascht haben derartige „alternative Fakten“ weder Kamala Harris noch die beiden TV-Moderatoren, die mehrmals dezidiert Trumps Behauptungen als unrichtig zurückwiesen.
Performance und Stil
Amerikaner kennen Donald Trump, sie haben ihren Ex-Präsidenten vier Jahre lang als Staatschef erlebt, dem Milliardär, Ex-Geschäfts- und Showman und nunmehrigen Präsidentschaftskandidaten entkommt man in den USA auf keinem Medium. Für Kamala Harris war das TV-Duell hingegen die Chance, sich erstmals auf sehr breiter Basis jenen Zusehen vorzustellen, die noch immer kein klares Bild von der Frau haben, die ins Weiße Haus einziehen will.
Die 59-jährige Ex-Staatsanwältin schlug sich erfolgreich, ließ sich von Trump nicht provozieren, blieb gelassen bis skeptisch, lachte immer wieder, wirkte unaufgeregt, aber fokussiert, konnte Trump sogar hin und wieder in Rage bringen.
Woran es hingegen mangelte: Klare, politische Inhalte auf den Punkt zu bringen. Viele Versprechen – „den Mittelstand stärken“, ohne Wege aufzuzeigen, wie das gehen soll.
Trump hingegen wirkte oft grimmig, zuweilen beleidigt, vor allem, als Harris ihm vorwarf, die Besucher seiner Wahlveranstaltungen würden „aus Langeweile“ oft früher heimgehen.
Abstruse Vorwürfe in der Abtreibungsfrage
Demokraten würden „Hinrichtungen nach der Geburt“ unterstützen, also Babys töten, sagte Trump – ein derartig abstruser Vorwurf, dass Kamala Harris erst gar nicht darauf antworten musste. Tatsächlich hat die Demokratin beim Thema „freier Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen“ die Nase vorn. Sogar republikanische Wählerinnen, das belegen Umfragen, sprechen sich gegen ein völliges Verbot von Abtreibungen aus.
Tatsächlich sei Trumps Standpunkt dabei „eine Beleidigung für alle Frauen in den USA“, konterte Harris. Das „amerikanische Volk hat Freiheit gewählt“, sagte sie und versprach, sich wieder für den völlig freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA einzusetzen.
- Keine Lösung bei der Migrationsfrage
Klare Pläne, wie sie die illegale Migration eindämmen wollen, präsentierten weder Trump noch Harris. Wie immer versprach Trump, „massenhaft und Millionen und Millionen Migranten“ abzuschieben ohne zu sagen, wie er das umsetzen könnte. Auch Kamala Harris hatte wenig zu bieten außer der Ansage: Sie sei die „einzige Person hier auf der Bühne, die transnationale Verbrecherbanden angeklagt hat“.
- Wie Kriege enden können
Ganz leicht, sagte Donald Trump, noch ehe er sein Amt antrete, wenn er wieder gewählt würde, „ist der Krieg in der Ukraine innerhalb eines Tages beendet“. Die Erklärung, wie das gehen soll, blieb der Republikaner allerdings schuldig. Kamala Harris lieferte die Antwort: „Weil er die Ukraine einfach aufgeben würde“ und fügte hinzu: „Wenn Trump jetzt im Amt wäre, hätte Putin schon Kiew eingenommen und würde Trump zum Frühstück fressen.“ Ein Schlagabtausch, bei dem auch Harris keine Antwort liefern konnte, wie der Krieg zu beenden wäre. Sie versicherte nur vage: Die Unterstützung für die Ukraine bliebe hoch – ebenso wie jene für Israel.
- Und was ist mit der Wirtschaft?
Die Frage, die Amerikas Wähler neben der Migration am meisten interessiert, waberte ins Vage aus. Von Trump kam nur Eigenlob über die Errungenschaften seiner eigenen Präsidentschaft („die beste Wirtschaft“), für seine künftige Zeit als Präsident kündigte er Handelszölle an – 10 Prozent auf alle Importe und 50 Prozent für alles, was aus China komme.
Worauf Harris konterte: „Das hat uns ins höchste Handelsdefizit in der Geschichte geführt. Es war eine Einladung zum Handelskrieg.“ Aber auch ihre eigenen Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik dürften die Amerikaner nicht vollends überzeugt haben. Ihr Ziel sei jedenfalls, sagte sie, für den Mittelstand zu kämpfen.
- Und wer hat jetzt die Debatte gewonnen?
„Es war meine beste Debatte überhaupt“, lobte sich Trump sofort danach selber: Die Anhänger seines Lagers sind derselben Meinung, und aus der Sicht der Demokraten hat eindeutig Kamala Harris gesiegt. Die beiden Seiten haben einander nichts geschenkt, es war ein Duell auf Augenhöhe. Ein klareres Bild werden allerdings erst die Umfragen in den nächsten Tagen ergeben – und selbst dann ist vor allem entscheidend: Welchem von den beiden Kandidaten ist es besser gelungen, die bisher unentschiedenen Wähler anzusprechen und zu überzeugen?
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