Nicht nur, weil Modi als erster indischer Regierungschef seit 2009 in Washington zu Gast ist, sondern vor allem, weil der äußerst autoritär regierende Premier noch vor nicht allzu langer Zeit in den Vereinigten Staaten mit einem Einreiseverbot belegt war. Doch die weltpolitische Lage macht aus US-Sicht ein enges Verhältnis zu Indien dringend notwendig.
So ist Modi erst der dritte Staatsgast der Ära Biden, nach Frankreichs Emmanuel Macron und Südkoreas Yoon Suk-Yeol, für den im Weißen Haus ein Staatsbankett ausgerichtet wird. Bei einem von der indischen Küche inspirierten Menü – etwa Portobello-Pilzen auf Safran-Risotto oder mit Rosen und Kardamom verziertem Erdbeer-Shortcake – soll der Regierungschef der weltgrößten Demokratie davon überzeugt werden, sein Land näher an den Westen zu rücken und auf Distanz zu Russland und China zu gehen.
Modi sitzt abwechselnd mit allen am Tisch: Putin, Biden, Xi
Klare Zugeständnisse wird sich Modi jedoch kaum abringen lassen. Indien ist seit Jahrzehnten ein für alle Seiten schlüpfriger Partner, die Kolonialzeit lehrte das Land, sich nie wieder von Großmächten abhängig zu machen. In einer zunehmend multipolaren Welt versteht sich die einwohnerstärkste Nation – in diesem Jahr überholte Indien erstmals China – als eigenständiger Pol, mit dem sich die anderen großen Player zu arrangieren haben – und nicht umgekehrt.
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Die Folge dieser selbstbewussten Haltung ist eine nur auf den ersten Blick unvereinbar scheinende Außenpolitik: So ist Indien etwa gleichzeitig Mitglied der BRICS-Staaten (mit Brasilien, Russland, China und Südafrika), der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (u. a. mit China, Russland, Pakistan und dem Iran), sowie des Quad-Bündnisses (mit Japan, Australien und den USA).
Während Russland und der Iran vom Westen isoliert sind, sichert sich Modis Regierung billige Energie- und Waffenimporte. Und das in rauen Mengen: Im Mai erst kamen mit fast zwei Millionen Barrel pro Tag so viel russisches Rohöl in Indien an wie nie zuvor. Für Waffen „Made in Russia“ überwies Delhi seit 2018 zwölf Milliarden Euro nach Moskau.
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Einzig mit dem fast gleich großen Nachbarn China führt Indien eine schwierige Beziehung: Aus keinem anderen Land kauft Indien mehr Produkte, gleichzeitig ringen beide Länder um Einfluss bei anderen asiatischen Staaten und tragen seit Jahren einen Grenzkonflikt im Himalaya aus. Erst 2020 starben dort bei einem Schusswechsel 20 indische Soldaten.
Indien soll Kampfdrohnen und Flugzeugteile von den USA kaufen
Genau diese gemeinsame Rivalität mit China führt Biden und Modi zusammen. Und könnte dafür sorgen, dass die militärische Zusammenarbeit ausgebaut wird: Modi soll einen Kaufvertrag über 30 US-Kampfdrohnen unterzeichnen, im Gegenzug soll der US-Waffenkonzern General Electric (GE) künftig gemeinsam mit einem Partner in Indien Kampfjet-Triebwerke produzieren – die musste das Land bisher aus Russland importieren.
Aus Bidens Sicht schlägt man damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Nicht nur ist die Aufrüstung Indiens mit US-Technologie ein Vertrauensbeweis, mit dem man Modi enger an sich zu binden hofft, man spuckt auch der russischen Waffenindustrie in die Suppe.
Für Modi wäre es ebenfalls ein mehr als gelungener Besuch: Ohne von den USA zu etwas verpflichtet worden zu sein, hätte er erneut die beste Option für Indien herausgeschlagen – und wurde dabei nicht einmal für den Abbau demokratischer Strukturen in seinem Land getadelt.
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