Putin und Xi: Das Wiedersehen der "grenzenlosen" Freunde
Sie blieben einander fern, obwohl sie sich doch so lange nicht mehr gesehen hatten. Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesisches Gegenüber Xi Jinping - der ihre Beziehung bei ihrem letzten persönlichen Treffen Anfang Februar als eine "fast grenzenlose Freundschaft" bezeichnet hatte - trafen einander am Donnerstag erstmals wieder seit Beginn des Krieges in der Ukraine.
Das Treffen, bei dem die beiden Präsidenten weit voneinander entfernt an gegenüberliegenden Enden eines gewaltigen Prunksaals Platz nahmen, fand am Rande eines Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im usbekischen Samarkand statt. Einer Stadt, die schon in der Antike als einer der wichtigsten Handelsplätze entlang der Seidenstraße galt, die China mit den Ländern Zentralasiens verband.
Chinesischer Gegenentwurf zur NATO?
Die Organisation wird im Westen, allen voran von den USA, mit Argwohn beobachtet. Es wurde 2001 unter dem Vorsitz Chinas ursprünglich als Forum asiatischer Staaten zum Austausch über Sicherheitsfragen, allen voran der Terrorismusbekämpfung, gegründet. Viele politische Beobachter sehen darin aber den chinesischer Versuch, einen Gegenentwurf zum Militärbündnis NATO zu formen.
Offizielle Mitgliedsstaaten der SCO sind neben China und Russland auch Indien und Pakistan sowie die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Gastgeber Usbekistan. Bei dem Gipfel am Donnerstag soll zudem der Iran als neuntes ständiges Mitglied aufgenommen werden.
China und Russland wollen mit dem Gremium nach und nach jene Staaten vereinen, welche die globale Vormachtstellung der USA beenden wollen. Bezeichnenderweise soll bei Treffen der SCO-Staaten auch nur Russisch oder Mandarin gesprochen werden, Englisch wird als Arbeitssprache - zumindest offiziell - abgelehnt.
Treffen ist für Putin enorm wichtig
Doch die Mitglieder der SCO stehen politisch bei weitem nicht so nah beisammen, wie man es in Peking und Moskau gerne verkauft. So wird Xi nach dem Putin-Treffen etwa mit Indiens Premier Narendra Modi über die Spannungen zwischen ihren Nationen sprechen - an der indisch-chinesischen Grenze im Himalaya kommt es seit Jahren zu Spannungen. Daneben fürchten einige der zentralasiatischen Teilnehmer, nach dem Krieg in der Ukraine zum nächsten Ziel russischer Expansionsbestrebungen zu werden.
Für Putin ist die Teilnahme an dem Gipfel ein wichtiges politisches Signal, ist er doch ansonsten außenpolitisch isoliert. Gerade, dass Xi sich auf seiner ersten Auslandsreise seit mehr als zweieinhalb Jahren mit Putin zusammensetzt, wird von russischen Medien als klares Zeichen gewertet, dass China im Konflikt mit dem Westen weiter an der Seite Russlands steht.
Rein rhetorisch mag das zutreffen - so fahren chinesische Offizielle seit Kriegsbeginn einen rhetorisch schwammigen Kurs: Mit keinem Wort wurde der russische Angriff bisher verurteilt, wohl aber die Sanktionen und "aggressive Außenpolitik" des Westens. Selbst den Sprachgebrauch des Kreml übernahm die chinesische Führung: Es handle sich um eine "Spezialoperation", keinen Krieg.
Abgesehen von außenpolitischen Signalen - zu denen auch das Treffen in Samarkand zählt - zeigt sich China aber nur bedingt solidarisch seinem Nachbarn gegenüber. Die Volksrepublik lieferte bisher etwa keine Waffen an Russland, obwohl der Kreml schon kurz nach Kriegsbeginn in Peking darum angefragt haben soll, wie das US-Magazin Politico berichtete.
Russisch-chinesische Partnerschaft immer einseitiger
Im ersten Halbjahr 2022 stieg das Handelsvolumen zwischen beiden Nationen um ein Drittel. Chinesische Produkte füllen viele Lücken, die im russischen Markt durch die EU-Sanktionen entstanden waren. Ähnlich ist es bei den Energieexporten: Seit Russland weniger Öl und Gas nach Europa liefert, stiegen die Exportzahlen nach China drastisch an, rund 70 Prozent gehen dabei auf Öl- und Gaslieferungen zurück. Letzte Woche gab Putin sogar den Bau einer neuen Gaspipeline bekannt, die China über die Mongolei versorgen soll.
Schon seit Jahren profitieren die beiden Nationen nicht mehr gleichwertig von der Partnerschaft, seit Kriegsbeginn ist das Verhältnis aber noch deutlich ungleicher geworden. Das isolierte Russland ist auf den chinesischen Markt angewiesen, dessen ist man sich in China mehr als bewusst.
Das heißt auch: Peking gibt die Preise bei wichtigen Geschäften vor, Moskau ist gezwungen, sich zu fügen. So zahlt man in China für russisches Öl pro Barrel rund 30 US-Dollar weniger als auf dem Weltmarkt, bei Flüssiggas sicherte man sich zehn Prozent Rabatt. Für russisches Gas bezahlt seit Jahren keine andere Nation so wenig wie China.
Doch auch bei jenen chinesischen Exporten, für die in Russland Notwendigkeit besteht, werden die Preise in Peking bestimmt. So zahlte der russische Aluminiumproduzent Rusal einen fast 40-prozentigen Aufpreis für dringend benötigte Rohstoffe, die man vor dem Krieg deutlich günstiger aus der Ukraine importiert hatte.
Es ist also in erster Linie Symbolik, die in Samarkand dargeboten wird. Die bald neun Mitglieder der SCO inszenieren sich trotz etlicher interner Schwierigkeiten ebenso als Gemeinschaft, wie sich die Autokraten Xi und Putin trotz ihrer ungleichen Machtverhältnisse als gleichwertige Partner präsentieren. Beides ist als Signal dem Westen gegenüber zu werten.
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