Unsere Haltung zur Taiwan-Frage ist klar und konsequent: Wir streben eine friedliche Wiedervereinigung an, dafür unternehmen wir enorme Anstrengungen. Aber wir werden den Unabhängigkeitsbestrebungen und Provokationen Taiwans keinerlei Spielraum lassen, daher bleibt die Situation angespannt. Die Behörden in Taiwan bemühen sich um die Unterstützung der USA – und die USA nutzen Taiwan, um China einzudämmen. Sie verdrehen das Ein-China-Prinzip; höhlen es aus, verkaufen auch immer mehr moderne Waffen an die Behörden in Taiwan.
Gibt es nicht auch von chinesischer Seite Provokationen, zum Beispiel die mehr als 900 Verletzungen des taiwanesischen Luftraums durch chinesische Kampfjets im vergangenen Jahr?
Taiwan ist ein Teil des chinesischen Territoriums, also eine chinesische Provinz. Es ist das heilige Recht eines jeden Landes, seine Einigkeit und seine territoriale Integrität zu wahren. Dass unsere Kampfjets also in unserem Gebiet fliegen und unsere Kriegsschiffe in unseren Gewässern fahren, ist gerecht und legitim.
Es ist aber auch bekannt, dass sich die USA seit 1979 dazu verpflichtet haben, Taiwan militärisch vor jeder Aggression zu schützen…
Der sogenannte Taiwan Relations Act, den Sie hier ansprechen, ist ein einseitiges Dokument der USA, das ihrem Bekenntnis zum Ein-China-Prinzip widerspricht. Das besagt nämlich: Es gibt nur ein China - und Taiwan ist ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums.
Sie sprechen von der Wichtigkeit der “territorialen Integrität”. Beim russischen Überfall auf die Ukraine wurde deren territoriale Integrität verletzt. Trotzdem bezieht China nicht klar Stellung - vertritt man hier sein eigenes Prinzip nicht?
Russland und die Ukraine sind befreundete Länder Chinas. Beide sind wichtige Energie- und Getreidelieferanten für uns. Aber die Ukraine-Krise hat eine sehr komplizierte Vorgeschichte. Der Ursprung liegt in der ständigen Ost-Erweiterung der NATO. Manche westliche Staaten pochen nun auf die territoriale Integrität der Ukraine, aber sie verletzen gleichzeitig die territoriale Integrität Chinas. Das ist ein typischer Doppelstandard.
Diesen Doppelstandard muss sich auch China vorwerfen lassen. Beim Angriff auf die Ukraine gab es ja keine klare Kritik an Russland…
Wir haben betont, dass die territoriale Integrität aller Länder respektiert und die Sicherheitsbedenken aller Länder ernstgenommen werden müssen. Also die der Ukraine genauso wie jene Russlands. Unsere Position ist hier objektiv und fair.
Würden Sie denn der Einschätzung zustimmen, dass sich die Beziehungen zwischen Europa und China in den vergangenen Jahren verschlechtert haben?
Die Beziehungen zwischen China und Europa bleiben im Großen und Ganzen stabil. Beide Seiten arbeiten in wichtigen internationalen Fragen eng zusammen, zum Beispiel beim Klimaschutz oder bei den Atomverhandlungen mit dem Iran. Aber es ist nicht zu leugnen, dass wir auch Probleme haben. Der Hauptgrund liegt darin, dass manche in Europa eine falsche Wahrnehmung von China haben und uns als sogenannten “systematischen Rivalen” betrachten. Dabei legt die chinesische Kultur seit jeher großen Wert auf Frieden. China hat nie ein anderes Land angegriffen, sich nie in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingemischt. Es ist auch nicht unser Ziel, unser eigenes System zu exportieren.
Lässt sich Europa Ihrer Meinung nach wirtschaftlich zu stark von den USA unter Druck setzen? So wurden auf US-Druck etwa alle europäischen Kooperationen mit Huawei eingestellt…
Huawei ist ein privates chinesisches Unternehmen. Die USA wollen hier ihre eigene Vorherrschaft aufrecht erhalten und Chinas Entwicklung eindämmen. Das machen sie mit Hilfe gravierender Sanktionen gegenüber Huawei, aber auch anderen chinesischen Unternehmen. Wir würden uns wünschen, dass Europa sich hier dem Druck der USA in nicht einfach beugt und eine unabhängige Außenpolitik verfolgt.
Es gibt aber auch Druck seitens Chinas, meist nach Kritik an der Menschenrechtssituation im Land. Warum reagiert China hier so sensibel, etwa bei Fragen zur Verfolgung der Uiguren?
Das ist unbegründete Kritik. Desinformation und falsche Vorwürfe lehnen wir strikt ab. Wir sind ein modernes Land mit einer offenen Gesellschaft. Chinas Gesetze verbieten Zwangsarbeit. Das wäre für uns Chinesen unvorstellbar und auch nicht akzeptabel, wenn diese Vorwürfe stimmen würden. Jedes Jahr besuchen hunderte Millionen Menschen Xinjiang - sie alle können bestätigen, dass es dort keine Zwangsarbeit gibt.
Es gibt Satellitenbilder von hunderten Arbeits- und Umerziehungslagern, zuletzt sogar Fotos aus dem Inneren dieser Einrichtungen. Sie sagen, das ist alles erfunden?
Das sind alles Falschinformationen, die von chinafeindlichen Kräften, von uigurischen Separatisten, verbreitet werden. Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, besuchte Xinjiang erst in diesem Jahr nach Bekanntwerden der Vorwürfe. Sie hat keine Hinweise auf Zwangsarbeit oder Verfolgung gefunden. Die Fotos habe ich auch gesehen, aber heutzutage ist es leicht, so etwas zu fälschen. Es gibt natürlich Berufsbildungszentren in Xinjiang, aber das sind keine sogenannten “Konzentrationslager”.
Stimmt es, dass in China das Bild vorherrscht, der Westen befände sich im Niedergang, sei dekadent und verdorben?
In meinen sechs Jahren als Botschafter in Österreich habe ich viele lebhafte Diskussionen darüber geführt, wie viele Freiheiten jeder Einzelne haben sollte. China und Europa haben eine unterschiedliche Geschichte und Kultur, unterschiedliche Entwicklungsniveaus und ein unterschiedliches politisches und gesellschaftliches System. Wir können das Modell des westlichen Lebens nicht einfach kopieren, sondern sollten einander respektieren.
Mit dem Modell des westlichen Lebens meinen Sie die Demokratie?
Die westliche Demokratie ist geeignet für westliche Länder. Aber in China herrschen andere Verhältnisse vor. Es lässt sich viel vom Westen lernen - und diese Erfahrungen passen wir an die chinesischen Verhältnisse an. Unsere Erfolge zeigen uns, dass dieser Weg, dieser Sozialismus chinesischer Prägung, der richtige für uns ist
Kommentare