Pelosi in Taiwan: Unnötige Provokation

U.S. House Speaker Nancy Pelosi meets Taiwan President Tsai Ing-wen
Chinas Antwort fällt hoffentlich klein genug aus, um eine große Kollision der Supermächte zu verhindern.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Da mag Chinas Führung  drohen, Kampfflugzeuge nahe an Taiwan schicken und   militärische Muskelspiele anordnen –  verbieten konnte Peking den Besuch von Amerikas Parlamentschefin Nancy Pelosi auf der Insel natürlich nicht. Doch nicht alles, was nicht ausdrücklich unmöglich ist, sollte die dritthöchste Politikerin der USA auch tun.  

Eine infame Provokation war diese Reise Pelosis in den Augen der Führung in Peking, die glasklar postuliert: Taiwan ist Chinas Einflussbereich.

Allerspätestens 2049, wenn das kommunistische China sein 100-jähriges Bestehen feiert,  soll die Insel mit der Volksrepublik  wieder vereinigt sein. War es wirklich nötig, den chinesischen Koloss  zu reizen, ausgerechnet jetzt, wo es an Kriegen und Krisen in dieser Welt nicht gerade mangelt?  Der Besuch, so meinen es selbst Kritiker in den USA, habe nur zu  weiteren Spannungen in  den ohnehin höchst schwierigen Beziehungen zwischen den  Supermacht-Konkurrenten USA und China geführt .   

Und was hat  Taiwan davon, dass die USA  wieder  einmal hochrangigen US-Besuch auf die Insel schickten? Nichts Gutes  – außer dem Versprechen Pelosis, dass sich die USA  dem chinesischen Appetit auf die  Insel entschlossen entgegenstellen.  Die wichtigste aller Fragen sprach Pelosi  nicht an: Würden die USA zum letzten Mittel greifen, also militärisch intervenieren, wenn China Taiwan attackiert? Präsident Biden hatte dies einmal versprochen – und widersprach damit der offiziellen Doktrin der USA gegenüber Taiwan.

Die lautete bisher  wohlweislich „strategische Ambiguität“ – was so viel heißt, wie Taiwan zu unterstützen, ohne sich  exakt festzulegen. So haben die USA bisher  ihre strategischen Interessen im pazifischen Raum gewahrt,  ohne China in einen Krieg zu treiben. Doch das wirtschaftlich und militärisch mächtig gewordene China duldet die USA vor der Nase ihres eigenen Einflussbereiches immer weniger. Man stelle sich umgekehrt vor, China würde Kuba unter seine strategisch-militärischen Fittiche nehmen. 

Pelosis Reise wird wohl keinen Krieg zwischen den USA und China auslösen. Aber sie  ist eine Art  Vortasten: Wie weit können die USA  in ihrer Unterstützung für Taiwan gehen, bis Peking eskaliert?  Denn unübersehbar ist: Die USA wollen offenbar  gegenüber dem chinesischen Großmachtstreben klarere Kante zeigen. Gefährlich ist dies aber gerade in diesem Moment, als Chinas allmächtiger Staats- und Parteichef  für die nächsten fünf Jahre in seinem Amt bestätigt werden will. Provokationen  kann Xi Jinping da vor dem Parteikongress im Herbst gar nicht gebrauchen. Mit größtmöglicher Härte wird der mächtigste Chinese seit Mao deshalb auf Pelosis Vorstoß reagieren – und man kann nur hoffen, dass  seine Antwort klein genug ausfällt, um nicht eine große Katastrophe auszulösen. 

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