Chinesische Kampfjets drangen in Taiwans Luftverteidigungszone ein
Als Nancy Pelosis Flugzeug am Mittwoch in Taipeh abhob, hinterließ die Chefin des US-Repräsentantenhauses ein breite Spur chinesischen Zorns. Kaum 20 Stunden hatte der Besuch von Amerikas dritthöchster Politikerin auf Taiwan gedauert, doch das Politbüro in Peking schäumt noch immer – und holte zu einer ganzen Serie von Strafen aus: Kampfjets drangen in die taiwanesischen Luftverteidigungszone ein, Militärmanöver mit scharfen Waffen wurden angesetzt. Die Übungen könnten Taiwans Luft- und Seewege über mehrere Tage hinweg blockieren. Über hundert taiwanische Lebensmittelunternehmen dürfen zudem nicht mehr aufs chinesische Festland exportieren, weitere Sanktionen werden vorbereitet.
Allesamt sind es zielgerichtete Nadelstiche, die Taiwan spüren lassen sollen: Die Insel steht im Einflussbereich Chinas – und jede Annäherung an Pekings wichtigsten Kontrahenten, die USA, wird sofort geahndet.
„Wer China beleidigt, wird bestraft“, donnerte Chinas Außenminister Wang Yi am Mittwoch. Und als eine unerhörte Beleidigung hat Peking den kurzen Besuch von US-Parlamentschefin Nancy Pelosi diese Woche erlebt. In Taipeh, bei ihrem Treffen mit Präsidentin Tsai und mit Menschenrechtsaktivisten, ließ die 82-jährige US-Demokratin kaum etwas aus, um den Ärger Pekings weiter zu schüren: „Die Entschlossenheit der USA, die Demokratie in Taiwan und dem Rest der Welt zu bewahren, ist eisern“, sagte Pelosi und sicherte der Insel die Solidarität der USA zu.
Die Unterstützung in den Vereinigten Staaten für Taiwan sei parteiübergreifend. „Heute steht die Welt vor der Wahl zwischen Demokratie und Autokratie“, sagte Pelosi und lobte Taiwan als „eine der freiesten Gesellschaften der Welt“.
Wiedervereinigung
Nach einem Versprechen, der auch für die USA strategisch so wichtigen Insel im Ernstfall militärisch beizustehen, klang das zwar nicht. Doch steht für die Volksrepublik China fest: Jedwede fremde Einmischung auf Taiwan wird Peking zurückdrängen. Bis allerspätestens in 27 Jahren, wenn die Volksrepublik ihr 100-jähriges Bestehen feiert, will sich China mit der abtrünnigen Insel Taiwan wieder vereinigt haben.
Pekings „rote Linien“ werden dabei immer deutlicher. Militärisch hochgerüstet und wirtschaftlich bereits die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, reagiert China nun harsch auf Annäherungen anderer Staaten an Taiwan. Zuletzt hatte Peking sogar das kleine Litauen im Visier. Seit die baltische Republik im Vorjahr ein Taiwan-Büro eröffnet hat, deckt China Litauen mit harten Sanktionen ein.
Selbstverteidigung
Tatenlos dabei zusehen, wie sich China Taiwan unter den Nagel reißt, wollen die USA nicht: Washington hat sich 1979 mit dem „Taiwan Relations Act“ dazu verpflichtet, Taiwans Verteidigungsfähigkeit zu unterstützen. Die Insel soll sich – mithilfe amerikanischer Waffen – wehren können, sollte sie mit Gewalt erobert werden.
Doch dass die riesige Volksrepublik die im Verhältnis dazu winzige Insel nicht einfach militärisch überrennt, hat auch wirtschaftliche Gründe: China ist in hohem Ausmaß von Taiwans starker Chipindustrie abhängig. Die Halbleiter sind eine Art wirtschaftliches Schutzschild Taiwans gegen Chinas Aggression.
Wichtiger Handelsweg
Vor allem aber dürfte die weltgrößte Exportnation davor zurückschrecken, ihre eigenen Handelswege zu blockieren. Über die Taiwan-Straße, also das Meer zwischen der Insel und Festland-China, geht knapp die Hälfte aller globalen Schiffsfrachten in Richtung Westen. 2.600 Containerschiffe, mit Waren aus China, Japan, Südkorea und Taiwan, haben diese Route heuer bereits genommen.
Würde China die Insel militärisch angreifen, wären die Schiffswege empfindlich gestört, die Lieferketten Richtung Westen würden nach der Corona-Pandemie erneut zusammenbrechen. Andererseits haben die USA immer wieder durchklingen lassen: Dass China sich die Kontrolle über den so wichtigen Handelsweg sichert, wird Washington nicht hinnehmen.
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