BRICS oder wie eine Breitseite gegen den Westen aussehen kann
Ob er tatsächlich kommt, ist noch offen. Aber allein, dass Wladimir Putin eingeladen ist, schlägt hohe Wellen: Südafrika heißt den russischen Präsidenten nun offiziell zum Gipfel der BRICS-Staaten im August in Johannesburg willkommen – und das, obwohl er vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) als Kriegsverbrecher gesucht wird.
Putin hat Russland kaum verlassen, seit er seine Panzer Richtung Ukraine losgeschickt hat. Aus gutem Grund: Jedes Land, das ICC-Vertragsstaat ist, müsste ihn sofort nach Ankunft verhaften – das gilt eigentlich auch für Südafrika.
Nur: Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa meidet es, sich auf die Seite des Westens zu schlagen, wie viele andere Staaten des globalen Südens übrigens auch. Er nennt Putin einen Freund, sieht die USA als gleichwertige Kriegsverursacher, hat mit Russland und China im Februar sogar ein gemeinsames Manöver abhalten lassen.
Seine Juristen haben darum ein eigenwilliges Konstrukt erdacht, um den Haftbefehl zu umgehen: Per Dekret wurde verfügt, dass alle BRICS-Staatschefs Immunität genießen. Gemeinsam mit einer Sonderregelung, die Südafrika 1998 heraushandelte und die es ermöglicht, den ICC quasi zu übergehen, soll das Putin die gefahrlose Einreise ermöglichen.
BRICS
BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Dieser Staatenklub existiert seit 2009, erst ein Jahr danach war Südafrika dazugestoßen. Zusammen stellen sie 42 Prozent der Weltbevölkerung
Gemeinsame Bank
Nach dem Vorbild der Weltbank gründeten die BRICS-Staaten 2015 die „Neue Entwicklungsbank“ mit Sitz in Schanghai
31,5 Prozent
der weltweiten Wirtschaftsleistung kamen 2022 von den BRICS-Staaten. Der Anteil am weltweiten BIP der früher klar dominierenden G7-Staaten betrug hingegen 30,7 Prozent
Wieder ausgeflogen
Ob das hält? Juristen weltweit zweifeln daran. Schon einmal hat Südafrika versucht, ähnlich vorzugehen, und zwar bei der Einreise des sudanesischen Kriegsverbrechers Omar al-Baschir 2015. Da stellte sich allerdings die eigene Justiz gegen die Regierung, al-Baschir wurde kurzerhand wieder ausgeflogen.
Unklar ist, ob sich das wiederholen könnte – doch eines zeigt die Causa schon jetzt: Die BRICS-Staaten haben mittlerweile schon so viel politisches Gewicht und agieren so selbstbewusst, dass ihnen selbst die Putin-Einladung nichts anhaben dürfte.
BRICS – das steht für die Gruppe der fünf Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Treibende Kraft dieses anfangs belächelten Bündnisses ist China.
Doch im Vorjahr überholte der einstige Klub der Schwellenländer mit ihrer gewachsenen Wirtschaftskraft erstmals jene der Industriestaaten der G-7 (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada). Und immer deutlicher wird, dass sich die Fünfergruppe der BRICS der Macht der USA und des Westens generell nicht mehr beugen wollen. Keiner der fünf Staaten etwa hat bisher Russland für die Invasion in der Ukraine verurteilt.
Der Klub wächst
„Der BRICS-Block ist Teil einer neu modellierten globalen Ordnung“, sagt Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor. In Kapstadt empfing sie dieser Tage ihre Amtskollegen aus den anderen BRICS-Staaten. Gemeinsam legten sie dort den Grundstein für eine Erweiterung der Gruppe.
Mit dem Ziel, wie es Chinas Staatschef Xi Jinping schon im Vorjahr formulierte: „Die Aufnahme von frischem Blut wird der BRICS-Zusammenarbeit neue Vitalität verleihen und den Einfluss der Staaten erhöhen.“
An die 20 Staaten sollen bereits einen Aufnahmeantrag gestellt haben. Der dabei wohl Bedeutendste: Saudi-Arabien. Für den BRICS-Block wäre das ein enormer Gewinn: Saudi-Arabien bringt sehr viel Geld mit und vor allem Öl.
Für die USA wäre es ein Tiefschlag. Bisher galt Saudi-Arabien als enger Verbündeter Washingtons. Zuletzt aber näherte sich Riad immer stärker an China an.
Und so ist es denn auch China, das die Erweiterung des BRICS-Bündnisses vorantreibt – und es dabei als Gegenblock zu den USA in Stellung bringt.
„Was alle BRICS-Länder gemeinsam haben, ist der Wunsch, nicht länger den Launen der USA und ihrer engen Verbündeten ausgeliefert zu sein, die die Welt in den vergangenen zwei Jahrhunderte dominiert haben“, schreibt der Chef-Kommentator Martin Wolf in der Financial Times.
Andere Länder, die dazustoßen wollen: Von Argentinien bis zur Türkei, von Nigeria bis zum Iran. Jedes neue Mitglied, so das Kalkül Chinas, zementiert die Gegenkraft zum Westen und stärkt den Globalen Süden. Peking braucht Verbündete.
Vor Chinas Karren
Doch sich einfach vor Chinas Karren zu spannen zu lassen, dürfte auch innerhalb der BRICS für Spannungen sorgen. Sowohl Indien als auch Brasilien sehen sich bei aller kritischen Distanz auch als ein wirtschaftlicher Partner des Westens.
Und da wäre auch noch der Eifer Indiens, das Machtstreben seines großen Konkurrenten in Asien zu begrenzen.
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