Die Weltordnung ist bereits eine andere

Die Weltordnung ist bereits eine andere
Die G7 als globale Macht, die alles bestimmt – das war einmal. Putin kann nur beikommen, wer diese Selbstüberschätzung ablegt.
Evelyn Peternel

Evelyn Peternel

Einem Kriegsverbrecher recht zu geben, geht eigentlich gar nicht. Und doch: Wenn Wladimir Putin geifert, der Westen solle mit seinen überheblich-moralischen Wertvorstellungen besser daheim hausieren gehen und den Rest der Welt damit in Frieden lassen – ja, dann muss man ihm ein klein wenig recht geben.

Die G7, die sich gerade in geschichtsträchtiger Kulisse in Hiroshima treffen, um eben jenem Putin die nächsten Sanktionen anzudrohen, stehen dafür wie ein anachronistisches Sinnbild. Die Zeiten, in denen die sieben bedeutendsten Industriestaaten der Welt auch tatsächlich der globale Machtfaktor waren, sind lange vorbei. Im Außenauftritt merkt man den Staatenlenkern davon allerdings herzlich wenig an. Dort wird mit der eigenen Wirtschaftsmacht gedroht, als wären die letzten Jahrzehnte nicht passiert. Dass die großen Sieben nur knapp ein Drittel der Weltwirtschaft und damit in etwa gleich viel wie die BRICS-Staaten (Brasilien, Indien, China, Südafrika und Russland) stellen, dass statt Italien und Kanada eigentlich Indien und China mit am Tisch sitzen müssten – das wird einfach ignoriert.

Mehr dazu: G7-Gipfel: Mit Sanktionen gegen die neue Weltordnung

Man könnte diese Selbstüberschätzung belächeln, sie als vernachlässigbare westliche Folklore abtun, hätte sie nicht ganz reale Auswirkungen. Denn sie ist mit schuld daran, dass die als Wunderwaffe gepriesenen Russland-Sanktionen bis heute ihr Ziel nicht erreicht haben und so auch die Erwartungen vieler Bürger hierzulande enttäuschten. So wichtig, so richtig, so effektiv die Strafmaßnahmen auch sind (eine bessere nicht-kriegerische Waffe als sie gibt es nicht) – dass sie Russland nicht zerbröseln haben lassen und Putin nicht aus dem Kreml gefegt haben, liegt daran, dass der Westen seine wirtschaftliche Macht überschätzt hat – den Rest der Welt hat man einfach nicht mit ins Boot geholt. Von den zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Erde beteiligen sich nur die USA an den Sanktionen; die Mehrheit der Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika ist nicht dabei.

Das hat freilich weniger damit zu tun, dass in Brasilien oder Indien andere Moralvorstellungen herrschen würden als bei uns. Putin hat sich dort unentbehrlich gemacht, und das hat der Westen – ebenso wie die eigene Energie-Abhängigkeit übrigens – einfach ignoriert. Indien und Vietnam etwa kaufen das Gros ihrer Rüstungsgüter in Russland; im Nahen Osten, in der Türkei und Teilen Afrikas ist russischer Weizen Hauptnahrungsmittel; und in Afrika hat Putin mit seinen Wagner-Söldnern bedrohlichen militärischen Druck aufgebaut.

Wer Putin beikommen will, muss diese neue Realität anerkennen und echte, globale Allianzen schmieden. Moralische Imperative lösen dieses Problem nicht. Wir,

der Westen, sind nicht alle – wir sprechen nicht für die ganze Welt. Und das gilt nicht nur für Putin.

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