Nicht nur Ballons: Der Spionage-Alltag zwischen China und den USA
Der Skandal um einen mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon, den die US-Regierung am Samstag vor der Küste South Carolinas mit Kampfjets vom Himmel holte, sorgt auch Tage danach noch für große diplomatische Spannungen zwischen den beiden Weltmächten. Dabei dürfte das hauptsächliche Problem darin liegen, dass China in der aktuell angespannten Situation auf ein Gerät setzte, dass selbst von Privatpersonen mit freiem Auge zu erkennen war.
Wie Pentagon-Sprecher Patrick Ryder schon am Wochenende durchblicken ließ, war dem Verteidigungsministerium der Aufenthaltsort des Ballons erstmals am 28. Jänner bekannt gewesen, als er noch Alaska und Kanada überflogen hatte. Laut US-Medien habe die Regierung den Vorfall wegen der anstehenden Reise von Außenminister Anthony Blinken nach China ursprünglich klein halten wollen.
Erst, nachdem am Donnerstag mehrere US-Bürger im Bundesstaat Montana meldeten, ein unbekanntes Flugobjekt gesichtet zu haben, entschied man sich demnach dazu, die Entdeckung öffentlich zu machen. Die innenpolitische Stimmung in den Vereinigten Staaten, wonach nicht nur Abgeordnete aus beiden Parteien, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung eine härtere Gangart gegenüber China einfordert, habe US-Präsident Joe Biden zeitgleich keine andere Möglichkeit gelassen, als den Ballon abzuschießen, sobald er sich über dem Meer befand.
Dass der unbemannte Eindringling aus Peking nicht der erste seiner Art war, machte das Pentagon am Wochenende ebenfalls öffentlich. Inzwischen entschuldigte sich die chinesische Führung bereits öffentlich bei den Regierungen der lateinamerikanischen Staaten Costa Rica, Kolumbien und Venezuela, über deren Staatsgebiet ein zweiter, laut Peking "ziviler Wetterballon" gesichtet wurde.
China besitze eine ganze Flotte solcher Ballons, so Ryder, man habe ihren Einsatz schon auf fünf Kontinenten beobachten können, auch in Europa. Selbst unter Ex-US-Präsident Donald Trump soll es schon drei Überflüge chinesischer Ballons über US-Gebiet gegeben haben. Damals blieb die Aufregung aus.
Kein Wunder, schließlich gehören Spionage- und Überwachungs-Aktivitäten seit jeher zum Repertoire von Großmächten. Das ist heute zwischen den USA und China nicht anders als einst im Kalten Krieg mit der Sowjetunion. Ein Überblick:
Spione und geheime Polizeistationen
Menschliche Informanten stellen wohl die klassischste Form der Spionage dar, von ihnen dürfte es auf beiden Seiten Hunderte geben. Typischerweise leben sie im einen Land ein scheinbar normales Leben, oft sind sie sogar im staatlichen Dienst angestellt, übermitteln dabei aber regelmäßig Informationen an die Regierung oder den Geheimdienst des Gegenübers.
Wie die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders im vergangenen September in einem Bericht öffentlich machte, betreibt China zudem mehr als 100 geheime Polizeistationen im Ausland - darunter auch mindestens eine in Österreich. Sie werden nicht von der Zentralregierung in Peking, sondern von einzelnen Provinzverwaltungen betrieben.
In einer Art "vorausschauendem Gehorsam" gegenüber der Parteiführung sollen die Betreiber dieser Stationen Regierungskritiker im Ausland unter Druck gesetzt und unter Androhung von Konsequenzen für deren Familienangehörige in China zur Heimreise aufgefordert haben. Chinas Regierung bestätigte die Existenz der Polizeistationen nach Bekanntwerden des Berichts, erklärte aber, diese seien lediglich dazu da, Auslandschinesen Behördengänge fernab der Heimat zu ermöglichen.
Die US-Regierung warnte in der Vergangenheit zudem stets vor dem Einfluss chinesischer Technologieunternehmen im Ausland. Die Führung in Peking könne im kommunistischen System Chinas schließlich jederzeit die von dortigen Privatunternehmen gewonnenen Daten anfordern. Mit dieser Begründung erließ Washington 2019 ein Embargo gegen den chinesischen Huawei-Konzern.
Dabei gestattet auch die Gesetzeslage in den USA der Regierung, Firmendaten von Privatunternehmen anzufordern, wenn diese zur Aufklärung von Verbrechen oder zum Schutz der nationalen Sicherheit benötigt werden. So können etwa regelmäßig Informationen von Tech-Riesen wie Alphabet (Google) oder Meta (WhatsApp, Instagram, Facebook) angefordert werden.
Satelliten und Kampfjets
Beide Seiten setzen normalerweise vornehmlich auf Satellitenbilder, um die Territorien der jeweils anderen zu beobachten. Mithilfe solcher Fotos aus dem All konnten Menschenrechtsorganisationen - und in weiterer Folge auch das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen - etwa die Existenz und den Ausbau von sogenannten Umerziehungslagern im Nordwesten Chinas beweisen.
Die Regierung in Peking hatte deren Existenz nach Veröffentlichung der Bilder 2019 eingeräumt, aber deren Weiterbetrieb geleugnet. Auch diese Aussage konnte inzwischen durch Bilder von US-Satelliten widerlegt werden.
Über hochmoderne, autonom fliegende Überwachungsballons, wie sie China am Wochenende einsetzte, verfügen die USA laut Militärexperten gar nicht. Auf amerikanischer Seite gehören daher Aufklärungsflüge mit Kampfjets zum Alltag: Einer regierungsunabhängigen chinesischen Denkfabrik zufolge sollen US-Aufklärungsflugzeuge alleine im vergangenen Jahr mehr als 600 Flüge vor den Küsten Chinas unternommen haben, um die Aktivitäten der chinesischen Marine im Indopazifik zu beobachten. Und das waren nur jene Flugzeuge, deren Transponder aktiviert war.
China kritisiert dabei vor allem, dass die amerikanischen Jets von Militärstützpunkten in Japan oder den Philippinen aus starten, und beschuldigt diese Drittstaaten, diese Provokationen erst zu ermöglichen. Auch die modernen Raketenabwehrsysteme, die von den USA in Südkorea betrieben werden und offiziell zum Schutz vor Angriffen aus Nordkorea dienen sollen, würden inzwischen in erster Linie dazu eingesetzt, Aktivitäten in China zu überwachen, beklagt man in Peking.
Diplomatische Krise nach US-Aufklärungsflug 2001
Zu einem bemerkenswerten diplomatischen Zwischenfall, in den ein US-Spionageflugzeug verwickelt war, kam es zuletzt 2001: Damals kollidierte ein US-Tarnflugzeug vom Typ Lockheed EP-3 bei einem Aufklärungsflug mit einem chinesischen Abfangjäger. Der chinesische Pilot starb beim Absturz ins Meer, die US-Maschine war notgedrungen gezwungen, auf der chinesischen Insel Hainan notzulanden, wo die 24-köpfige Crew eine Woche lang in Haft saß, bis sie auf diplomatischem Wege ausgelöst werden konnte.
Damals entschuldigte sich US-Präsident George W. Bush öffentlich. Doch damals hatte China auch noch nicht den Status einer Weltmacht inne - und der diplomatische Wind über dem Pazifik wehte noch nicht so eisig wie heute. Zumindest die chinesische Version, ein solcher Wind hätte dazu geführt, dass sich zwei "zivile Wetterballons" über den amerikanischen Kontinent verirrt hätten, darf auch ohne geheimdienstliche Informationen bezweifelt werden.
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