In letzter Sekunde: UNO bestätigt Chinas Verbrechen an den Uiguren

In letzter Sekunde: UNO bestätigt Chinas Verbrechen an den Uiguren
Erstmals macht die UNO in einem Papier die schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit im Land deutlich – Minuten, bevor die UN-Komissarin abtrat.

Es war monatelang die Lieblingsausrede, der Persilschein der chinesischen Regierung: Das Statement der UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet bei ihrem Besuch in China im März. Sie war damals persönlich in Chinas größte Provinz Xinjiang gereist, wo die muslimische Minderheit der Uiguren seit Jahren systematisch verfolgt und in sogenannten „Umerziehungslager“ massenhaft inhaftiert sein soll.

Bei einer Pressekonferenz vor Ort erklärte Bachelet, die stets eng von chinesischen Offiziellen begleitet worden war, sie habe „keine Indizien“ für solche Menschenrechtsvergehen feststellen können. Eine Aussage, die Amtsträger aus der Volksrepublik stets vor sich hertrugen, wenn sie auf das Schicksal der Uiguren angesprochen wurden.

In letzter Sekunde: UNO bestätigt Chinas Verbrechen an den Uiguren

Die frisch abgetretene UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet.

Seit Mittwoch, kurz vor Mitternacht, ist diese Ausrede obsolet geworden. Nur zehn Minuten, bevor am Donnerstag Bachelets vierjährige Amtszeit als Menschenrechtskommissarin endete, veröffentlichte ihr Büro einen 46 Seiten langen Bericht, in dem das Beweismaterial ausführlich aufgelistet wird.

Am Ende steht das Urteil: Es sei davon auszugehen, dass die chinesische Regierung in Xinjiang seit Jahren „schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen“ und sogar „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an der uigurischen Bevölkerung begehe.

Folter, sexuelle Gewalt und Zwangssterilisation

Es ist nicht nur das erste Mal, dass eine offizielle UN-Institution die erdrückende Beweislast des „kulturellen Genozids“ an den Uiguren bestätigt, die sich seit 2017 nicht zuletzt anhand von Satellitenbildern und geleakten, offiziellen Dokumenten angehäuft hat. Bachelets Büro sprach auch mit 40 Zeugen aus der Region, von denen 26 in den vergangenen Jahren in Umerziehungslagern inhaftiert waren.

Sie alle berichten von denselben dystopischen Zuständen. Etwa davon, dass Folter in diesen Einrichtungen an der Tagesordnung steht, entweder in Form von Schlägen durch (oftmals elektrische) Schlagstöcke oder in Form von psychologischer Folter (Hunger, Schlafentzug).

Weiter heißt es: „Fast alle Befragten gaben an, zwangsweise entweder Injektionen, Tabletten oder beides regelmäßig eingeflößt bekommen zu haben“. Diese Medikamente hätten sie „schläfrig“ gemacht.

Dazu gäbe es etliche Berichte von sexueller Gewalt durch das Wachpersonal, „mehrheitlich an weiblichen Inhaftierten“: Die Betroffenen berichten von Vergewaltigungen und Erniedrigungen, so mussten sich Frauen in den Lagern etwa regelmäßig vor einer Gruppe anderer Insassen gynäkologisch untersuchen lassen.

Tausende uigurische Frauen sollen außerdem gegen ihren Willen sterilisiert worden sein, um die Geburtenrate der Minderheit zu drücken – sie sank alleine zwischen 2017 und 2019 um 48 Prozent. Deshalb seien Aussagen betroffener Frauen „trotz ihrer geringen Zahl glaubwürdig“.

Abseits der menschenunwürdigen Vorgänge im Inneren der Umerziehungslager werden in dem Bericht auch mehrfach Ungereimtheiten in den offiziellen Erklärungen der chinesischen Regierung aufgelistet. So wird in China etwa stets behauptet, die Umerziehungslager seien lediglich „Berufsfortbildungszentren“ gewesen, von denen seit 2019 aber keines mehr in Betrieb sei.

Dazu heißt es, das UNO-Hochkommissariat habe die Regierung in Peking um Lehrmaterial aus diesen Fortbildungszentren angefragt, „aber bis zum heutigen Tag keine Informationen diesbezüglich erhalten“. Satellitenfotos beweisen zudem, dass bestehende Lager in Xinjiang weiter ausgebaut und sogar neue errichtet werden.

 

Chinas Führung tobt

In China war man auf die Veröffentlichung des Berichts offenbar vorbereitet. Schon am frühen Donnerstagmorgen antwortete die Regierung in Peking ihrerseits mit einem 121-seitigen Dokument, das den UN-Bericht als „Lügen des Westens“ bezeichnet und die Notwendigkeit der Maßnahmen gegen „terroristische Aktivitäten“ in Xinjiang betont.

Brisant ist allerdings, dass Bachelet angab, seit Monaten unter massivem Druck gestanden zu sein – nicht nur durch China, sondern durch die Vertreter von insgesamt 40 Regierungen. Die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik wird für ihre Nachfolger in der UNO mit Sicherheit noch schwieriger werden.

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