Der Architekt des chinesischen Terrorregimes in Tibet und Xinjiang

Auf seinem Weg an die Spitze ist Chen Quanguo wahrlich über Leichen gegangen: In den letzten elf Jahren wurden seine Ideen für die Verfolgung der Tibetaner und den Genozid an den Uiguren Realität. Chinas Machthaber Xi Jinping dürfte ihn dafür noch in diesem Jahr befördern.
Der 67-Jährige gilt als eiskalter Karrierist und brennender Ideologe. Er ist nicht nur Regent der flächenmäßig größten chinesischen Provinz Xinjiang, sondern auch Mitglied des 25-köpfigen Parteibüros, des höchsten politischen Gremiums in China.
Mit 21 Jahren trat Chen der Partei bei, um Wirtschaft studieren zu können. Rasch erklomm er die Karriereleiter: Zunächst in seiner Heimat, später als Gouverneur der nördlichen Provinz Hebei. In Parteikreisen war Chen für die Härte berüchtigt, mit der er gegen Untergebene vorging, die aus seiner Sicht unzufriedenstellend arbeiteten.
Diesen Ruf bestätigte er ab 2011 nachhaltig, als er als Gouverneur von Tibet eingesetzt wurde. Chen erhielt die Anweisung, die Region zu „stabilisieren“, wie es hieß.

Chen Quanguo, links hinter Staatspräsident Xi Jinping bei einer Sitzung des Parteibüros.
Unter seiner Herrschaft verschwanden tausende Tibetaner spurlos, die zuvor an Protesten teilgenommen hatten. Offizielle Dokumente wiesen plötzlich stark erhöhte Zahlen von Todesunfällen in Gefängnissen aus. Chen ließ sogar erste Formen der „Umerziehungslager“ in Tibet errichten, mit mehreren Hundert Gefangenen.
Ein Mitgrund für Chens steilen Aufstieg ist seine devote Ergebenheit gegenüber dem Staatspräsidenten. Am Nationalen Volkskongress 2016 trugen Chen und seine Delegation sogar Fotos von Xi Jinping am Anzug. Kurz danach wurde Chen auf Wunsch des Präsidenten von Tibet nach Xinjiang versetzt, um auch dieser Region „Stabilität“ zu bringen.
In seinem ersten Jahr als Gouverneur ließ Chen direkt 90.000 Stellen im Sicherheitsapparat ausschreiben. Bei der Angelobung tausender Polizisten in Ürümqi kündigte er eine „vernichtende Offensive“ gegen jeden an, der „Symptome“ von Extremismus oder Regierungsfeindlichkeit zeige.
Chen ließ mit dieser Begründung klassische uigurische Traditionen verbieten, wie lange Bärte oder Vollverschleierung. Er etablierte einen hochmodernen Überwachungsapparat mit Gesichtserkennungskameras und Kontrollpunkten der Polizei an jeder größeren Kreuzung. Und er ließ die berüchtigten Umerziehungslager bauen, in denen heute eine Million Uiguren ohne Verfahren inhaftiert sind.
Widerstand aus der eigenen Partei
Interne Dokumente, die 2019 von den New York Times veröffentlicht wurden, belegen, dass etliche Beamte besorgt über Chens brutale Anordnungen waren. Er reagierte, indem er verdeckte Ermittler in der ganzen Region operieren ließ, die „Verräter“ ausforschen sollten. Alleine bis 2019 wurden somit mehr als 12.000 chinesische Beamte wegen der „Unterstützung von Separatisten“ inhaftiert.
Als Chen erfuhr, dass ein Bezirksverwalter namens Wang Yongzhi eigenständig die Entlassung von mehr als 7.000 gefangenen Uiguren angeordnet hatte, ließ er den Mann nicht nur einsperren. Wangs nach langem Verhör erzwungenes Geständnis musste in jedem Beamtenbüro in Xinjiang zeremoniell verlesen werden. Wang gab - wohl unter Folter - zu, er habe die Gefangenen nicht aus Überzeugung befreien lassen, sondern habe Bestechungsgeld dafür verlangt.
In Peking zeigt man sich äußerst zufrieden mit Chens Arbeit. Im Dezember wurde er als Gouverneur abgelöst, bleibt aber Parteivorsitzender von Xinjiang. Damit ist Chen freigespielt, wenn am 20. Parteitag der Kommunistischen Partei im Herbst die richtig großen Jobs neu verteilt werden. Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des stellvertretenden Premierministers.
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