Die Nester des Drachen: Chinesische Polizeistationen im Ausland

Die Nester des Drachen: Chinesische Polizeistationen im Ausland
Chinas Regierung soll weltweit mindestens 110 Polizeistationen betreiben, um Auslandschinesen zu kontrollieren – auch in Österreich. Aus Sicht Pekings handelt es sich um ein Missverständnis.

Ein Bericht der in Madrid ansässigen Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders löste am 12. September 2022 eine politische Lawine aus. Sie führte dazu, dass sich sogar FBI-Direktor Christopher Wray wenig später den Fragen des US-Senats stellen musste. Die Juristen in Madrid hatten die Existenz von Polizeistationen enthüllt, die von der chinesischen Regierung im Ausland verdeckt betrieben werden sollen, um dort Kritiker zu überwachen. Auch in Österreich.

Das Vorgehen wird intern als "Operation Fuchsjagd" bezeichnet

Dem Bericht zufolge laufen die in chinesischen Regierungsdokumenten als „Fuchsjagd“ bezeichneten Operationen nach einem klaren Muster ab. Ihr Ziel sei es, Dissidenten im Ausland dazu zu bringen, nach China zurückzukehren, wo sie ein Prozess erwartet. Dabei werden zunächst Angehörige in China ausgeforscht, bevor die Zielpersonen kontaktiert werden – entweder online, oder telefonisch.

Den Dissidenten wird meist mit Folgen für ihre Verwandten in China gedroht, sollten sie nicht bis zum Ablauf einer Frist zu einer der jeweiligen Polizei-Servicestellen kommen. In dem Bericht wird eine Vielzahl solcher Drohungen aufgelistet, etwa die Kündigung der Gesundheitsversicherung oder ein Schulverbot für Kinder von Verwandten.

Die Nester des Drachen: Chinesische Polizeistationen im Ausland

Im April hing an diesem Gebäude in Budapest noch ein Schild, das es als „Polizei-Servicestelle“ der chinesischen Provinz Qingtian auswies. Heute ist das Schild weg.

"Wir sind uns der Existenz dieser Stationen in den Vereinigten Staaten bewusst", sagte FBI-Chef Wray bei seiner Befragung. Vorwürfe der Belästigung, Verfolgung, Überwachung und Erpressung von chinesischstämmigen Bürgern in den USA würden bereits geprüft: "Das ist ein echtes Problem und etwas, worüber wir auch mit unseren ausländischen Partnern sprechen, denn wir sind nicht das einzige Land, in dem dies geschehen ist."

Auch in Österreich betreibt China eine Polizeistation

In dem Bericht werden 32 solche Stationen, offiziell "Polizei-Servicestellen" genannt, in mehr als 20 Ländern aufgelistet – darunter auch Deutschland, Ungarn und Österreich. Sie alle sollen nicht von der Regierung in Peking, sondern von den regionalen Polizeidirektionen der chinesischen Städte Fuzhou und Qingtian betrieben werden.

Der schwedische Menschenrechtler Peter Dahlin, Gründer von Safeguard Defenders, vermutet, das die regionalen Regierungen ihre Dissidenten aus vorauseilendem Gehorsam überwachen. Und nicht, weil sie den Befehl aus Peking erhalten hätten. In den Regierungsdokumenten fänden sich aber deutliche Hinweise darauf, dass es noch viel mehr solcher Stationen gebe.

Von der chinesischen Botschaft in Wien hieß es auf KURIER-Anfrage: „Unserer Kenntnis nach haben manche lokale Behörden in China Online-Serviceplattformen errichtet.“ Dabei solle „Überseechinesen“ lediglich ermöglicht werden, Amtswege zu erledigen, um etwa „ihre aktuellen Probleme wie Führerscheinverlängerungen zu lösen.“

Das österreichische Innenministerium erklärte dagegen, man prüfe „die gegenständlichen Hinweise“ und kooperiere mit internationalen Behörden. Da die Prüfung noch laufen, wollte man den Ermittlungsstand aber nicht im Detail kommentieren. Auch auf KURIER-Nachfrage zwei Jahre später hieß es, man könne laufende Ermittlungen nicht kommentieren.

Polizeistationen waren damals auch bei G-20-Gipfel Thema

In anderen Ländern ist das politische Nachspiel dagegen bereits in vollem Gange. Irland und die Niederlande ordneten bereits die Schließung von chinesischen „Servicestellen“ in Dublin, Rotterdam und Amsterdam an, in Großbritannien wurde das Thema im Parlament diskutiert.

Die Nester des Drachen: Chinesische Polizeistationen im Ausland

Chinas Präsident Xi Jinping (r.) wies Kanadas Premierminister Justin Trudeau in Bali öffentlich zurecht.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau erklärte im November 2022 gegenüber heimischen Journalisten, er habe am Rande des G-20-Gipfels auf Bali ein Vier-Augen-Gespräch mit Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping geführt und dabei auch die Vorwürfe der Verfolgung der chinesischen Minderheit in Kanada angesprochen.

Xi war offensichtlich gar nicht damit einverstanden, dass Trudeau den Inhalt des Gesprächs nach außen trug. Direkt am nächsten Tag fing ein Kamerateam auf Bali ein, wie der chinesische Präsident den kanadischen Premier vor versammelten Medienvertretern maßregelte: „Alles, was wir besprochen haben, stand heute in den Zeitungen. Das ist unangemessen. Wenn Sie nicht aufrichtig sind, werden wir so nicht mehr miteinander sprechen können“.

 

Dieser Artikel erschien erstmals im November 2022, aufgrund aktueller Ereignisse rund um chinesische Spionageaktivitäten im Ausland haben wir ihn in aktualisierter Form erneut veröffentlicht.

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