China und die USA: Noch wird der Konflikt mit Worten ausgetragen

China und die USA: Noch wird der Konflikt mit Worten ausgetragen
Der Ballon-Spionageskandal ist ein weiterer Beleg für das angespannte Verhältnis beider Großmächte. Ein US-General rechnet schon 2025 mit einem Krieg.

Es hätte ein Zeichen der Annäherung sein sollen. Zum ersten Mal seit fast fünf Jahren hätte am Sonntag mit Anthony Blinken wieder ein US-Außenminister nach China reisen wollen. Der Besuch war im November von den beiden Präsidenten Joe Biden und Xi Jinping am Rande des G-20-Gipfels in Bali vereinbart worden – doch daraus wurde nichts. Zu brisant war der Zwischenfall um einen Spionage-Ballon vom Donnerstagabend, der das ohnehin schon frostige Gesprächsklima weiter abkühlen ließ.

Blinken telefonierte nach Angaben seines Ministeriums am Freitag mit dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi und erklärte dabei, dass er wegen des Vorfalls nicht wie geplant nach China reisen werde. Blinken habe in seinem Telefonat ausgeführt, dass er Chinas Erklärung des "Bedauerns" zur Kenntnis genommen habe, dass der Ballon-Einsatz aber "einen verantwortungslosen Akt und eine klare Verletzung der US-Souveränität und des internationalen Rechts" darstelle. Chinas Vorgehen untergrabe das Ziel seiner eigentlich geplanten Reise. "Der Minister hat erklärt, dass es angesichts der andauernden Angelegenheit nicht angebracht wäre, Peking jetzt zu besuchen", führte das US-Außenministerium aus.

Man werde einen geeigneteren Termin finden, hieß es aus den USA.

Dabei gäbe es in vielerlei Hinsicht Gesprächsbedarf: Von den Vereinigten Staaten wird China inzwischen als die „größte geopolitische Herausforderung“ gesehen, so formulierte es auch CIA-Chef Williams Burns am Donnerstag. In der Volksrepublik sieht man dagegen Versuche des Westens unter der Führung der USA, den Aufstieg zur Weltmacht Nummer eins mit allen Mitteln aufzuhalten; wirtschaftlich, diplomatisch, militärisch. Diese Erzählung dürfte Xi Jinping auch dabei geholfen haben, seine Macht auf dem kommunistischen Parteitag im Oktober erheblich auszubauen.

Im Zentrum der Spannungen zwischen den USA und China steht nach wie vor die Insel Taiwan mitsamt ihrer 24 Millionen Einwohner. Chinas Präsident Xi spricht regelmäßig davon, Taiwan eines Tages militärisch erobern zu wollen. Am Papier sind die USA seit 40 Jahren dazu verpflichtet, die Insel im Falle eines Angriffs zu verteidigen.

Neue Taiwan-Strategie der USA

Bereits am Wochenende war die Privatmeinung des hochdekorierten US-Luftwaffen-Generals Mike Minihan durchgesickert, der 2025 mit einem Krieg um Taiwan rechnet. Das Pentagon kassierte die Einschätzung von General Minihan sofort ein und betonte, dass man an einer friedlichen, fairen Koexistenz interessiert sei. CIA-Chef Burns bekräftigte dagegen die latente Gefahr.

Spätestens seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist in Washington ein anderer Umgang mit den Drohungen Chinas bemerkbar. Anders als seine Vorgänger betonte US-Präsident Biden seither bereits drei Mal, es mit dem Schutzversprechen gegenüber Taiwan ernst zu meinen.

Trotz vielfacher Drohungen aus Peking reisten gleich mehrere Delegationen von US-Kongressabgeordneten die taiwanesische Hauptstadt Taipei. Darunter auch die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, deren Besuch die bisher größten Spannungen auslöste. Ihr Nachfolger, der Republikaner Kevin McCarthy, dürfte in den nächsten Monaten trotzdem selbst nach Taipei reisen.

Um Chinas Einfluss im Indopazifik einzuschränken, verstärkten die USA ihre Präsenz in der Region massiv und erweckten mehrere Bündnisse mit anderen Staaten in der Region wieder zum Leben, etwa AUKUS (mit Australien und Großbritannien) und die Quad-Allianz (mit Japan, Indien, Australien).

China und die USA: Noch wird der Konflikt mit Worten ausgetragen

Waren keine Freunde: Chinas Ex-Außenminister Wang Yi (l.) und US-Außenminister Anthony Blinken.

Neuer Außenminister in China

US-Außenminister Blinken wäre also auch ohne den Ballon-Eklat mit einigen Themen im Gepäck nach Peking gereist. Dabei hatten manche Experten die Bestellung eines neuen Außenministers in China als versöhnliches Signal gesehen: Qin Gang, bisher Botschafter in Washington, ersetzte mit 1. Jänner Wang Yi, der China zehn Jahre auf der Weltbühne vertreten hatte und von nun an „außenpolitischer Chefideologe“ bleibt.

Wang galt als „Wolfskrieger“, der sich selten diplomatisch gab und unter anderem 2021 bei einem Treffen mit Blinken schwer aneinandergeraten war. Ob Blinken und Qin eine bessere Gesprächsbasis aufbauen können, wird sich erst bei der nächsten Gelegenheit zeigen.

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