Nahost-Konflikt: Die Entwicklungen des Wochenendes im Überblick

Nahost-Konflikt: Die Entwicklungen des Wochenendes im Überblick
Am Sonntag sollen am Gaza-Streifen bereits 40 Menschen bei Luftangriffen ums Leben gekommen sein. Ein Überblick.

Die Gewalt-Eskalation im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern fand auch am Sonntag kein Ende. Beide Seiten setzen ihre Aggressionen ungehindert fort. Insgesamt sind seit Beginn des Konflikts in der vergangenen Woche bereits 188 Menschen im Gazastreifen ums Leben gekommen seien, darunter 55 Kinder. 1230 Palästinenser seien verletzt worden. In Israel kamen durch Raketenbeschuss militanter Palästinenser bisher zehn Menschen ums Leben, 282 wurden verletzt.

Eine Zusammenfassung der Geschehnisse vom Wochenende:

  • Israel greift Haus des Hamas-Chefs an, 40 Tote in Gaza

Nach massiven Raketenangriffen aus dem Gazastreifen hat Israels Luftwaffe dort das Haus des Hamas-Chefs Yahya al-Sinwar beschossen. Im Online-Dienst Twitter veröffentlichte die Armee am Sonntag ein Video, auf dem ein durch ein Bombardement zerstörtes Haus zu sehen war. Ob Sinwar bei dem Anschlag getötet wurde, war zunächst unklar.

In dem Gebäude in Khan Younis im Süden des Küstengebiets habe sich auch das Büro des Hamas-Chefs befunden, berichteten israelische Medien am Sonntagmorgen. Es habe als „militärische Infrastruktur der Terrororganisation Hamas“ gedient, teilte die israelische Armee mit. Auch das Haus von Sinwars Bruder Mohammed, ebenfalls ein ranghohes Mitglied der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas, sei angegriffen worden.

Nahost-Konflikt: Die Entwicklungen des Wochenendes im Überblick

Die israelische Armee teilte mit, dass die zivilen Opfer der Bombardements am Sonntag "unbeabsichtigt" gewesen seien. Nach Angaben der Armee wurden Büros und Häuser wichtiger Hamas-Mitglieder attackiert. Als Teil der fortwährenden Angriffe auf das unterirdische Tunnelnetzwerk der Hamas, der sogenannten Metro, seien 30 weitere Ziele bombardiert worden.

Ägypten öffnete am Sonntag den Grenzübergang Rafah zum Gaza-Streifen, um verletzten Palästinensern den Transport in Krankenhäuser zu ermöglichen. Eigentlich war die Grenzöffnung erst für Montag geplant gewesen, hieß es aus Kairo.

  • Mehrere Verletzte bei Auto-Anschlag in Jerusalem

In Ost-Jerusalem sind bei einem Anschlag mit einem Auto mehrere Menschen verletzt worden. Sechs Polizisten seien bei dem Angriff im Stadtteil Sheikh Jarrah verletzt worden, davon zwei schwer, teilte die israelische Polizei am Sonntag mit. Die lokalen Rettungskräfte. Der Fahrer sei "neutralisiert" worden, sagte Polizeisprecher Micky Rosenfeld. Zur Identität des Fahrers machte die Polizei keine Angaben.

Die Gegend sei abgesperrt worden, es herrschten weiterhin erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt. Sheikh Jarrah liegt im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems nördlich der Altstadt. Das Viertel steht seit Jahrzehnten wegen Eigentumsstreitigkeiten im Fokus. Sowohl israelische Siedler als auch Palästinenser erheben dort Besitzansprüche. Zwangsräumungen von Häusern von Palästinensern hatten in den vergangenen Jahren wiederholt Proteste nach sich gezogen, teils auch gewaltsame.

Die Streitigkeiten um das Viertel gelten als Mitauslöser für die aktuellen schweren Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern. Das israelische Außenministerium hatte der Palästinenserführung vorgeworfen, den Streit politisch zu missbrauchen.

Nahost-Konflikt: Die Entwicklungen des Wochenendes im Überblick

Der Tatort des Anschlags im Stadtviertel Sheikh Jerah in Ost-Jerusalem.

  • Netanjahu gibt Interview im US-Fernsehen

Der israelische Premier Benjamin Netanyahu betonte indes, dass die Militärkampagne "mit aller Macht" fortgesetzt werde. Er verteidigte auch die umstrittene Zerstötung eines Medien-Hochhauses im Gazastreifen am Samstag. Dieses sei ein "völlig legitimes Ziel" gewesen, weil dort auch ein Geheimdienstbüro der Hamas untergebracht gewesen sei, sagte Netanyahu dem US-Sender CBS am Sonntag.

Neuerlich warf er der Hamas vor, Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" zu missbrauchen. "Einfach falsch" sei auch der Vorwurf, dass Israel Kinder nicht schütze. "Der Grund, warum wir diese Opfer haben, ist, weil die Hamas uns kriminellerweise aus zivilen Vierteln angreift, aus Schulen, aus Häusern, aus Bürogebäuden." Israel versuche, "mit großer Präzision" gegen Hamas zurückzuschlagen. "Leider gibt es gelegentlich zivile Opfer, die wir bedauern."

  • Vereinte Nationen, USA und EU rufen zur Deeskalation auf

Die UNO, die USA und die EU riefen angesichts der steigenden Opferzahlen dringend zur Deeskalation auf. Am Sonntagvormittag (Ortszeit) beriet der UNO-Sicherheitsrat bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Tage in einer Sondersitzung. Bei den vorherigen Beratungen hatte es keine Einigung auf eine gemeinsame Erklärung gegeben. Dies lag Teilnehmern zufolge an den USA, die eine Verurteilung ihres Verbündeten Israel ablehnten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte zum Auftakt der Ratssitzung, es drohe eine "unkontrollierbare" Krise in der ganzen Region. "Dieser sinnlose Kreislauf aus Blutvergießen, Terror und Zerstörung muss sofort aufhören", sagte er. "Ich bin entsetzt über die immer größere Zahl palästinensischer Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, die durch israelische Luftangriffe in Gaza getötet wurden. Ich bedaure auch die Todesfälle Israels durch Raketen, die aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden."

  • Empörung in London über antisemitisches virales Video

Ein im Internet kursierendes Video mit Gewaltaufrufen gegen Juden hat am Sonntag große Empörung bei britischen Politikern ausgelöst. In dem 13-sekündigen Clip ist ein pro-palästinensischer Autokorso in London zu sehen, bei dem antisemitische Parolen zu hören sind.

Premierminister Boris Johnson verurteilte den Vorfall scharf. "Es gibt keinen Platz für Antisemitismus in unserer Gesellschaft", twitterte er. "Ich stehe an der Seite der britischen Juden, die einen solch schändlichen Rassismus, wie wir ihn heute gesehen haben, nicht zu ertragen haben sollten", schrieb der konservative Politiker.

In dem Videoclip, der auf Twitter bis zum Abend mindestens über 1,5 Millionen Mal angeschaut wurde, sind mehrere Fahrzeuge zu sehen, aus denen Palästina-Fahnen geschwenkt werden. Gleichzeitig ist eine Männerstimme zu hören, die unter anderem zur Vergewaltigung von jüdischen Frauen aufruft. Scotland Yard teilte am Abend mit, das betreffende Auto sei identifiziert worden. Es werde nun ermittelt, wo sich die Insassen aufhalten.

  • Ausschreitungen bei israelfeindlichen Protesten in Deutschland

Nach Ausschreitungen bei Protesten gegen Israel in Deutschland hat der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Sonntag ein hartes Durchgreifen gegen jede Form von Antisemitismus angekündigt. "Wir werden nicht tolerieren, dass auf deutschem Boden israelische Flaggen brennen und jüdische Einrichtungen angegriffen werden", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag".

Der Zentralrat der Juden in Deutschland fühlt sich durch die zahlreichen anti-israelischen Demonstrationen "an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte" erinnert. Zentralrats-Präsident Josef Schuster warnte vor einer Welle des Antisemitismus.

Am Samstag waren tausende Menschen in deutschen Städten auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden. Bei mehreren Kundgebungen kam es zu Ausschreitungen. Alle Details:

 

Samstag, 15. Mai

Einen detaillierten Überblick über die Geschehnisse des Samstags finden Sie hier:

  • Raketenangriff nahe der österreichischen Botschaft in Tel Aviv

Bei einem Raketenangriff militanter Palästinenser im Gazastreifen auf den Großraum Tel Aviv wurde am Samstag mindestens ein Mensch getötet. Eine Rakete schlug nahe der österreichischen Botschaft im Tel Aviver Vorort Ramat Gan ein, das Botschaftspersonal blieb jedoch unverletzt.

Insgesamt schlugen nach Angaben der israelischen Polizei zwei Raketen in Ramat Gan ein. Ein 50 Jahre alter Mann wurde dabei nach Angaben von Sanitätern tödlich verletzt. In der Küstenmetropole Tel Aviv - Israels Wirtschaftszentrum - wurde am Samstag drei Mal kurz hintereinander Raketenalarm ausgelöst. Es waren in Tel Aviv immer wieder heulende Warnsirenen und Explosionen zu hören. Es war die achte Angriffswelle auf den Großraum Tel Aviv seit Dienstagabend.

In der israelischen Stadt Beersheba wurde nach Polizeiangaben ein Haus durch Raketensplitter getroffen. Es gebe Sachschäden, aber keine Verletzten, hieß es. Auch die israelischen Küstenstädte Ashkelon und Ashdod wurden erneut angegriffen. Wie Israels Armee mitteilte, kamen in Israel durch den Raketenbeschuss der vergangenen Tage acht Menschen ums Leben.

  • Israel zerstört internationales Medienbüro in Gaza

Die israelische Armee hat unterdessen beim Beschuss des Gazastreifens auch ein Gebäude internationaler Medien angegriffen. In dem Gebäude haben unter anderen der katarische Fernsehsender Al-Jazeera und die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ihre Büros, wie Korrespondenten anderer Nachrichtenagenturen berichteten. Laut Reuters stürzte das Hochhaus unter dem Beschuss israelischer Raketen ein.

Nach Angaben eines AP-Journalisten wurde der Eigentümer des Hochhauses von der israelischen Armee im Vorfeld "gewarnt", dass dieses "zum Ziel wird". Es wurde deshalb nach Angaben von Augenzeugen bereits zuvor evakuiert. In dem Gebäude befanden sich auch Wohnungen und weitere Büros. Es ist das fünfte Hochhaus, das Israels Armee seit Beginn der jüngsten Eskalation am Montag zum Einsturz bringt.

Die israelische Armee teilte bei Twitter mit, Kampfjets hätten ein Hochhaus angegriffen, in dem der Militärgeheimdienst der islamistischen Hamas über "militärische Ressourcen" verfügt habe. "In dem Gebäude liegen Büros ziviler Medien, hinter denen die Terrororganisation Hamas sich versteckt und die es als menschliche Schutzschilde missbraucht."

  • Weltweite Empörung nach Zerstörung des Medienbüros

Die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP reagierte entsetzt: "Das ist eine unglaublich beunruhigende Entwicklung", teilte AP-Präsident Gary Pruitt am Samstag in New York mit. "Wir sind nur knapp einem schrecklichen Verlust von Menschenleben entgangen." Die Welt werde nun weniger darüber erfahren, was in Gaza passiert.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, twitterte: "Wir haben den Israelis direkt mitgeteilt, dass die Gewährleistung der Sicherheit von Journalisten und unabhängigen Medien eine vorrangige Verantwortung ist."

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und US-Präsident Joe Biden telefonierten unterdessen offiziell zum zweiten Mal seit Beginn der Gewalteskalation zwischen Israel und den Palästinensern am Montag. Er habe Biden über Entwicklungen und Maßnahmen informiert, die Israel ergriffen habe und noch ergreifen wolle, teilte Netanyahu am Samstag auf Twitter mit. Er dankte dem amerikanischen Präsidenten zudem für die "bedingungslose Unterstützung" der USA, wenn es um Israels Recht auf Selbstverteidigung gehe.

Biden sprach am Samstag aber auch erstmals seit seinem Amtsantritt im Jänner mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Ein Sprecher des palästinensischen Präsidialamts nannte das Telefonat "wichtig", machte dazu aber keine inhaltlichen Angaben.

  • Kundgebungen für und gegen das Vorgehen Israels in Wien

Vor dem Hintergrund der Eskalation im Nahen Osten haben sich einige hundert Menschen am Samstagnachmittag im Zentrum Wiens versammelt. Neben der Staatsoper trafen jüdische Studenten zusammen. Ein Aufmarsch pro-palästinensischer Aktivisten in der Nähe war kurzfristig untersagt worden. Die Polizei war mit einem Großaufgebot präsent, um ein Aufeinandertreffen der gegnerischen Gruppierungen zu verhindern.

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