Israel zerstört internationales Medienbüro und droht Hamas-Führern mit gezielter Tötung
Die Gewalt-Eskalation im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern findet kein Ende. Das israelische Militär hat der Führungsriege der im Gazastreifen herrschenden Palästinenserorganisation Hamas mit gezielter Tötung gedroht. Armeesprecher Hidai Zilberman sagte dem israelischen Fernsehen am Samstagabend, man werde in der Nacht weiter wichtige Einrichtungen der Hamas und des Islamische Jihad überall im Gazastreifen angreifen. Dies gelte auch für die höchste Führungsriege der Hamas.
Ein Sprecher des militärischen Hamas-Arms drohte, seine Organisation werde von Mitternacht an erneut Raketen auf Tel Aviv feuern. Bei einem massiven Angriff auf ein breites Tunnelsystem der Hamas hatte Israels Luftwaffe nach eigenen Angaben in der Nacht auf Freitag rund 500 Tonnen Munition eingesetzt. Nach Einschätzung der israelischen Armee könnten bei dem Angriff auf das unterirdische sogenannte Metro-System zahlreiche Hamas-Kämpfer getroffen worden sein.
"Jeder Terrorist in Gaza weiß heute, dass er sich nirgends verstecken kann, nicht über der Erde - und nach dem Angriff auf die Metro - auch nicht unter der Erde", sagte Zilberman. "Wir wollen viele Erfolge anhäufen", sagte der Armeesprecher zu den Zielen der Operation. Die Bilanz der Angriffe werde bestimmen, "wie lange danach Ruhe herrscht, ob die Hamas danach fünfmal, 50 Mal oder 500 Mal nachdenkt, bevor sie Raketen in Richtung Jerusalem schießt".
Die Situation eskaliert am Samstag weiter
Bei einem Raketenangriff militanter Palästinenser im Gazastreifen auf den Großraum Tel Aviv wurde am Samstag mindestens ein Mensch getötet. Eine Rakete schlug nahe der österreichischen Botschaft im Tel Aviver Vorort Ramat Gan ein, das Botschaftspersonal blieb jedoch unverletzt.
Insgesamt schlugen nach Angaben der israelischen Polizei zwei Raketen in Ramat Gan ein. Ein 50 Jahre alter Mann wurde dabei nach Angaben von Sanitätern tödlich verletzt. In der Küstenmetropole Tel Aviv - Israels Wirtschaftszentrum - wurde am Samstag drei Mal kurz hintereinander Raketenalarm ausgelöst. Es waren in Tel Aviv immer wieder heulende Warnsirenen und Explosionen zu hören. Es war die achte Angriffswelle auf den Großraum Tel Aviv seit Dienstagabend. Auch in der Wüstenstadt Beersheba im Süden Israels sowie in Grenzorten zum Gazastreifen heulten in der Früh die Warnsirenen, wie das israelische Militär mitteilte.
Auch das Haus des ranghohen Hamas-Führers Khalil al-Hayya wurde bombardiert, teilte die israelische Armee am Samstag auf Twitter mit. Das Haus des Vize-Chefs des Hamas-Politbüros habe als "Terror-Infrastruktur" gedient. Die Armee veröffentlichte ein Video des Angriffs. Nach palästinensischen Angaben hielt Hayya sich aber zur Zeit des Angriffs nicht in dem Haus auf.
Israel zerstört internationales Medienbüro
Die israelische Armee hat unterdessen beim Beschuss des Gazastreifens am Samstagnachmittag gegen 14:30 Uhr auch ein Gebäude internationaler Medien angegriffen. In dem Gebäude haben unter anderen der katarische Fernsehsender Al-Jazeera und die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ihre Büros, wie Korrespondenten anderer Nachrichtenagenturen berichteten. Laut Reuters stürzte das Hochhaus unter dem Beschuss israelischer Raketen ein.
Nach Angaben eines AP-Journalisten wurde der Eigentümer des Hochhauses von der israelischen Armee im Vorfeld "gewarnt", dass dieses "zum Ziel wird". Es wurde deshalb nach Angaben von Augenzeugen bereits zuvor evakuiert.
Das bestätigt auch der Israel-Korrespondent des ORF, Tim Cupal, auf Twitter. Cupal selbst hatte von dem Gebäude aus in der Vergangenheit bereits mehrfach selbst berichtet.
In dem Gebäude befanden sich auch Wohnungen und weitere Büros. Es ist das fünfte Hochhaus, das Israels Armee seit Beginn der jüngsten Eskalation am Montag zum Einsturz bringt. Die israelische Armee teilte bei Twitter mit, Kampfjets hätten ein Hochhaus angegriffen, in dem der Militärgeheimdienst der islamistischen Hamas über "militärische Ressourcen" verfügt habe.
"In dem Gebäude liegen Büros ziviler Medien, hinter denen die Terrororganisation Hamas sich versteckt und die es als menschliche Schutzschilde missbraucht." Ein Sprecher des militärischen Hamas-Arms sagte, Tel Aviv solle sich auf eine "Antwort vorbereiten, die die Erde erschüttern lässt".
Die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP reagierte entsetzt: "Das ist eine unglaublich beunruhigende Entwicklung", teilte AP-Präsident Gary Pruitt am Samstag in New York mit. "Wir sind nur knapp einem schrecklichen Verlust von Menschenleben entgangen."
Pruitt zeigte sich "schockiert" darüber, dass das israelische Militär ein Gebäude mit Medienbüros zerstörte. Die Welt werde nun weniger darüber erfahren, was in Gaza passiert. Den Streitkräften sei bekannt gewesen, dass das AP-Büro in dem Gebäude untergebracht war.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, twitterte: "Wir haben den Israelis direkt mitgeteilt, dass die Gewährleistung der Sicherheit von Journalisten und unabhängigen Medien eine vorrangige Verantwortung ist."
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und US-Präsident Joe Biden telefonierten unterdessen offiziell zum zweiten Mal seit Beginn der Gewalteskalation zwischen Israel und den Palästinensern am Montag. Er habe Biden über Entwicklungen und Maßnahmen informiert, die Israel ergriffen habe und noch ergreifen wolle, teilte Netanyahu am Samstag auf Twitter mit. Er dankte dem amerikanischen Präsidenten zudem für die "bedingungslose Unterstützung" der USA, wenn es um Israels Recht auf Selbstverteidigung gehe.
Biden sprach am Samstag auch erstmals seit seinem Amtsantritt im Jänner mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Ein Sprecher des palästinensischen Präsidialamts nannte das Telefonat "wichtig", machte dazu aber keine inhaltlichen Angaben.
Tote auf beiden Seiten
Die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa teilte am Samstag mit, im Flüchtlingslager Shati im Westen von Gaza sei ein Haus getroffen worden. Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums zufolge seien dabei zehn Mitglieder einer palästinensischen Familie getötet worden, darunter acht Kinder. Ein fünf Monate alter Bub überlebte den Angriff demnach.
Auch in Beit Lahia im Norden des Küstenstreifens sowie an anderen Orten wurden laut Wafa Zivilisten getötet. Eine israelische Armeesprecherin sagte, man prüfe die Berichte. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden seit der Eskalation der Gewalt am Montag 140 Palästinenser im Gazastreifen getötet.
In der israelischen Stadt Beersheba wurde nach Polizeiangaben ein Haus durch Raketensplitter getroffen. Es gebe Sachschaden, aber keine Verletzten, hieß es. Auch die israelischen Küstenstädte Ashkelon und Ashdod wurden erneut angegriffen. Wie Israels Armee mitteilte, kamen in Israel durch den Raketenbeschuss der vergangenen Tage acht Menschen ums Leben.
Hohes Risiko, aber vorerst kein Einsatz von Bodentruppen
Seit Montag wurden nach Angaben palästinensischer Gesundheitsbehörden im Gazastreifen mindestens 132 Menschen getötet, darunter 32 Kinder und 21 Frauen. Rund 950 Menschen seien verletzt worden. In Israel kamen nach Angaben dortiger Behörden acht Menschen ums Leben, darunter zwei Kinder. Auch ein Soldat sei unter den Toten, er sei an der Grenze zum Gazastreifen auf Patrouille gewesen sei.
Israel hat dort Panzer und Infanterie zusammengezogen. Dies weckte Erinnerungen an die Konflikte in den Jahren 2009 und 2014, als auch Bodentruppen eingesetzt wurden. In israelischen Medien hieß es allerdings, der direkte Einsatz einer größeren Zahl von Soldaten sei wegen des Risikos hoher Verluste unwahrscheinlich.
Die Gefechte zwischen Israels Militär und der Hamas hatten nach Ausschreitungen in Ost-Jerusalem an der Al-Aqsa-Moschee begonnen. Die Hamas forderte am Montag ultimativ unter anderem einen Abzug israelischer Sicherheitskräfte von dort und begann nach Ablauf ihrer Frist mit den Raketenangriffen auf Jerusalem, Tel Aviv und anderen Städten. Verschärft wurden die Spannungen durch Pläne, Häuser palästinensischer Familien in Ost-Jerusalem zu räumen. Das Land wird von jüdischen Siedlern beansprucht. Für Sonntag sind Beratungen des UN-Sicherheitsrates über die Lage geplant.
Ausschreitungen, Gewalt und Tote auch in Israel
Neben dem Konflikt Israels mit militanten Palästinensern kommt es auch in israelischen Ortschaften mit arabischen Einwohnern immer wieder zu Ausschreitungen. Trotz einer Ausgangssperre in der Stadt Lod begannen am Freitagabend wieder Konfrontationen arabischer Israelis mit Sicherheitskräften, wie die Polizei in der Nacht zum Samstag mitteilte.
Die Polizei sei dabei mit zwei Brandflaschen beworfen worden und habe daraufhin den Tatverdächtigen mit Schüssen am Bein verletzt und festgenommen.
Für Besorgnis in Israel sorgten zusätzlich zwei Vorfälle im Norden. Zwei Demonstranten aus dem Libanon kamen bei Zusammenstößen an der Grenze zu Israel ums Leben, einer von ihnen durch Panzerfeuer. Ein 21-Jähriger sei getroffen worden, nachdem er mit Dutzenden anderen am Freitag über den Grenzzaun auf israelisches Gebiet gelangt sei, berichtete die staatliche libanesische Agentur NNA. Laut Augenzeugen wurde er am Bauch getroffen und starb später im Krankenhaus. Ein zweiter Demonstrant wurde den Angaben nach angeschossen und erlag später seinen Verletzungen, wie Sicherheitskreise bestätigten. Die der mit Israel verfeindeten Hisbollah bestreitet dessen Tod jedoch.
Die israelische Armee teilte am Samstag mit, eine erste Untersuchung des Vorfalls habe ergeben, dass die Randalierer verdächtige Gegenstände zurückließen. Möglicherweise handle es sich dabei um Sprengkörper. Das Militär geht davon aus, dass die Libanesen einen Terroranschlag im Dorf Metula im Norden Israels verüben wollten. Zunächst hatte die Armee mitgeteilt, die Demonstranten hätten ihre Solidarität mit den Menschen in Gaza und Jerusalem gezeigt und palästinensische Flaggen mit Blick auf Metula geschwenkt. Das Militär bestätigte, auf die Beine der Verdächtigen geschossen zu haben.
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