Erst Moskau, dann Wien: Indiens Premier Modi im Anflug

Erst Moskau, dann Wien: Indiens Premier Modi im Anflug
Indiens kürzlich wiedergewählter Regierungschef Modi flog am Montag zu Kremlchef Putin, am Dienstag reist er weiter zu Kanzler Nehammer nach Wien.

Es ist ein Zeitpunkt mit Symbolcharakter, den Narendra Modi sich ausgesucht hat, um seinem alten Freund Wladimir Putin mal wieder einen Besuch abzustatten. Der indische Regierungschef flog am Montag nach Russland, um die zuletzt etwas abgekühlten Beziehungen zum Kreml wieder zu intensivieren. 

Putin empfing ihn in seiner Residenz in Nowo-Ogarjewo bei Moskau zum Teetrinken, auch den dazugehörigen Pferdestall zeigte der Präsident seinem Gast - kurz vor Beginn des NATO-Gipfels, bei dem ein neues Paket zur Unterstützung Kiews geschnürt werden soll.

Die offiziellen Gespräche waren für Dienstag vorgesehen. Bei der zweitägigen Reise handelt es sich nicht nur um den ersten Staatsbesuch Modis seit seiner von herben Verlusten getrübten Wiederwahl vor einigen Wochen. Es ist auch sein erstes bilaterales Treffen mit Putin seit dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Erst Moskau, dann Wien: Indiens Premier Modi im Anflug

Modi und Putin im Pferdestall

Bisher vom Besuch bekannt wurde vor allem gegenseitige Bauchpinselei. So lobte Putin etwa das politische Engagement Modis. "Sie haben Ihr ganzes Leben dem indischen Volk gewidmet, die Menschen spüren das", wurde Putin von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur "Tass" zitiert. 

"Sie haben recht, ich habe nur ein Ziel - mein Volk und mein Land", entgegnete Modi, der Putin als seinen "lieben Freund" bezeichnete. Das bilaterale Verhältnis basiere auf "gegenseitigem Vertrauen und gegenseitigem Respekt", so der Regierungschef: Jeder Inder betrachte Russland "in guten wie in schlechten Zeiten" als Freund Indiens.

Dass Modi Putins Einladung nach Moskau angenommen hat, werten viele Beobachter als einen Demonstrationsversuch. Indien will damit demnach seine ihm heilige Unabhängigkeit nochmal dick unterstreichen. Immer mehr westliche Länder versuchen, ihre Beziehungen zu Neu-Delhi zu intensivieren.

Viele Freunde, wenige Feinde

Die Außenpolitik der Regierung Modi schließt zwar Bündnisse, vor allem um wirtschaftlich zu profitieren, auf eine Seite stellt sie sich in der Regel aber nicht. Sie hat sich weder den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen, noch den Angriff auf die Ukraine verurteilt. 

Stattdessen nutzt Modi die geopolitischen Umstände wie gewohnt für eigene Zwecke und sichert sich durch die westlichen Embargos günstig gewordenes Öl aus Russland, rund 40 Prozent der Importe nach Indien kommen mittlerweile aus Russland - was Putin angesichts der hohen Kriegsausgaben wohl freut. Und obwohl Indien sich immer mehr Rüstungsgüter aus Frankreich und den USA holt, importiert es diese nach wie vor in hoher Zahl aus Russland.

Ein weiterer Grund für den Besuch könnte sein, dass Russland und China immer enger miteinander kooperieren. Das Verhältnis zwischen Neu-Delhi und Peking ist kompliziert: Den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt wird nachgesagt, um geopolitischen Einfluss zu konkurrieren. Dazu kommt ein Grenzkonflikt im Himalaya.

Aber auch Russland profitiert von Modis Besuch, zeigt er doch gerade nach dem in Europa scharf kritisierten Treffen mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in Moskau: Russland ist weltpolitisch alles andere als isoliert.

Zweiter Stopp: Österreich

Möglicherweise um westliche Kritik an seiner Russland-Reise etwas abzumildern, hat Hindunationalist Modi sich ein eher überraschendes zweites Ziel ausgesucht: Österreich. Er wird am frühen Dienstagabend am Flughafen Wien von Außenminister Alexander Schallenberg empfangen, danach geht es gemeinsam zu einem informellen, vegetarischen Abendessen mit Kanzler Karl Nehammer, an dem auch Schallenbergs Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar dabei sein wird. 

Die offiziellen Termine sind für den Mittwoch vorgesehen. Am Vormittag wird Modi mit militärischen Ehren empfangen, danach ist ein Arbeitsgespräch der beiden Regierungschefs im Bundeskanzleramt geplant, gefolgt von Pressestatements. 

Später trifft Modi laut Plan dann bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen gegenüber in der Hofburg ein, wo die Wirtschaftskammer auch ein Businessforum mit österreichischen und indischen Unternehmern ausrichtet. 

Auch ein Mittagessen mit rund 100 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Politik ist zu Ehren des indischen Premiers geplant. Erwartet werden neben dem Großteil der Bundesregierung etwa auch Nobelpreisträger Anton Zeilinger sowie die Medizinerin und Österreichs ESA-Astronautin Carmen Possnig.

Die Polizei warnte im Vorfeld des Staatsbesuchs vor Verkehrsbehinderungen in der Wiener Innenstadt. Die sicherheitstechnischen Vorkehrungen ähneln denen bei Besuchen von US-Präsidenten, ließ das Bundeskanzleramt wissen.

Eine Einladung zum NATO-Gipfel in Washington schlug Österreich angesichts der Anreise der 120-köpfigen Delegation - darunter auch Modis nationaler Sicherheitsberater - aus. 

Letzter Besuch einer indischen Premier vor über 40 Jahren

Dass hochrangige Politiker aus Indien bilaterale Visiten in Wien absolvieren, kommt nicht häufig vor. Der bisher letzte Besuch auf Regierungschef-Niveau fand statt, als Premierministerin Indira Gandhi 1983 dem frisch gebackenen Bundeskanzler Fred Sinowatz ihre Aufwartung machte. 

Diesmal dürfte es vor allem um wirtschaftliche und technologische Kooperationen gehen, mehr indische Fachkräfte für Österreich zum Beispiel. Zudem sollen 75 Jahre diplomatische Beziehungen gefeiert werden. 

In einer Presseaussendung am Montag betonte Modi, Österreich und Indien würden die Ideale von Demokratie teilen - für genau deren Einschränkung wurde Modi in seinen zwei vergangenen Amtszeiten immer wieder kritisiert.

Könnte Indien Vermittler spielen?

In Wien hofft man, dass Modi aus einem weiteren Grund kommt: Um über eine mögliche Rolle als Friedensvermittler Indiens im Ukraine-Krieg zu sprechen, die sich international - eben aufgrund der traditionell guten Beziehungen zu Moskau - schon länger viele wünschen. Auch Nehammer hatte diese Möglichkeit bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz im Juni angesprochen. 

Tatsächlich fand sich in Modis Aussendung vom Montag ein Hinweis in diese Richtung: Man sei „bestrebt, eine unterstützende Rolle für eine friedliche und stabile Region zu spielen“, hieß im Bezug zur Reise nach Russland. Bei Putin in Moskau fand Modi bereits ähnliche Worte. 

Was genau das bedeutet und ob Indien für etwaige Friedensverhandlungen tatsächlich seine bewährte Strategie des Sich-Raushaltens aus Konflikten anderer aufgeben würde, blieb bisher aber offen. Experten halten das für sehr unwahrscheinlich.

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