Indien-Wahl: Warum es doch kein Erdrutschsieg für Modi wurde

Indien-Wahl: Warum es doch kein Erdrutschsieg für Modi wurde
Das Oppositionsbündnis war stärker als gedacht, der hindunationalistische Premier braucht Koalitionspartner.

Der Weg nach Delhi führt über Uttar Pradesh, sagt man. Und dort, im bevölkerungsreichsten und politisch wichtigsten Bundesstaat Indiens, gab es am Dienstag eine Überraschung: Das Oppositionsbündnis INDIA gewann bei der Parlamentswahl mehr als die Hälfte der 80 Sitze im Unterhaus. 

Dass die von der sozialliberalen Kongresspartei angeführte Allianz die hindunationalistische BJP von Premier Narendra Modi und ihre Verbündeten bei dieser Wahl besiegen würde können, galt von Beginn an als äußerst unwahrscheinlich.

272 der 543 Sitze in der Lokh Sabha, dem indischen Unterhaus, reichen für die Bildung einer Mehrheitsregierung aus. Doch nicht mal die hat die BJP erreicht: Sie konnte sich lediglich 240 sichern, verlor damit 63 Sitze und braucht zum Regieren Koalitionspartner - die sie finden dürfte. 

Rahul Gandhi

Der Erdrutschsieg, der Modi vorausgesagt wurde, ist damit ausgeblieben. INDIA dürfte besser abgeschnitten haben als erwartet. Das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen ist da Rahul Gandhi, das bekannteste Gesicht der Kongresspartei.

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Rahul Gandhi am Dienstag auf dem Weg zur Parteizentrale 

2019 noch hatte er den Sitz seiner einflussreichen Politikerfamilie in Uttar Pradesh an die BJP verloren. Um den zurückzuholen, strengte er sich im Wahlkampf an: Im März marschierte er über 6.700 Kilometer zu Fuß quer durchs Land, um mit Wählern über Themen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Demokratie zu reden. 

Diese Bemühungen scheinen sich ausgezahlt zu haben. Die Gewalt gegen Frauen, die stärker werdende und von der BJP angeheizte anti-muslimische Stimmung und die vor allem unter den Jungen hohe Arbeitslosigkeit im Land zählten im Wahlkampf zu den großen Themen.

Modis eigentlich bedeutendster Konkurrent, der Regierungschef von Delhi, Arvind Kejriwal, sitzt aber im Gefängnis. Er war im März, kurz vor Beginn der Parlamentswahl, wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert worden.

Geholfen haben INDIA auch die starken Ergebnisse einiger Regionalparteien, etwa der Samajwadi in Uttar Pradesh, die ebenfalls Teil des Bündnisses sind. 

Extreme Hitzewelle erschwerte Abstimmung

Ein Unsicherheitsfaktor war bis zuletzt, wie viele der knapp 970 Millionen Wahlberechtigten angesichts der anhaltenden Extrem-Hitzewelle tatsächlich abstimmen würden. Hunderte Menschen, darunter auch Dutzende Wahlhelfer, sollen in den vergangenen Wochen an den Temperaturen von über 45 Grad gestorben sein. 

Berichten zufolge haben Klimaanlagen mancherorts zu brennen begonnen, weil sie überlastet waren. Den Menschen wurde zum Teil geraten, ihre Häuser nur im Notfall zu verlassen. Letztlich sind 66,3 Prozent zur Wahl gegangen – etwas weniger als 2019.

Aktienmarkt eingebrochen

Journalisten vor Ort beschrieben die Stimmung im BJP-Hauptquartier in Neu-Delhi angesichts der sich abzeichnenden Verluste als gedämpft.

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Vor dem BJP-Quartier in Neu-Delhi

Experte Chietigj Bajpaee vom Chatham House bezeichnete das Ergebnis der BBC zufolge als ein „Scheitern“ Modis, das seiner Marke schaden und seine politischen Ziele abschwächen könnte. Das erkläre auch den Einbruch des indischen Aktienmarktes während der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. 

Der indische Leitindex Sensex ist am Dienstag vorübergehend um sieben Prozent gefallen. Der Kurs der größten börsennotierten Sparte des Konzerns Adani Enterprises brach um 25 Prozent ein; dessen Eigentümer Gautam Adani ist ein wichtiger Verbündeter Modis.

Die Wahl in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt dauerte mehr als sechs Wochen. Knapp eine Milliarde Menschen waren wahlberechtigt - mehr als die Bevölkerung der Europäischen Union und der USA zusammen. Mehr als 8.000 Kandidaten waren angetreten.

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