Österreich will seinem Fachkräftemangel mit Arbeitskräften aus Indien entgegenwirken. Sie stellen bereits die zweitgrößte Gruppe der Rot-Weiß-Rot-Karten-Inhaber.
Zahlreiche, eng nebeneinanderfahrende Busse, Motorräder und Autorikschas, deren Fahrer einander regelmäßig laut anhupen. Die Spur scheint nach Lust und Laune gewechselt zu werden, Menschen lassen die Füße während der Fahrt aus hinten offenen Transportern baumeln – Indiens Straßen sind für ihr Chaos bekannt.
Wie diese Verkehrsteilnehmer es wohl auf den vergleichsweise geordneten, ruhigen Straßen Österreichs finden würden?
Geht es nach Susanne Ebner-Mayer, sollen einige von ihnen diese Frage in absehbarer Zeit beantworten können. Die Geschäftsführerin der Welser Verkehrslehrmittel-Firma Hubert Ebner, die seit den 1990er-Jahren Standorte in Indien hat, will mit einem Projekt mehr indische Lkw-Fahrer zum Arbeiten nach Österreich bringen. Schätzungen zufolge fehlen hierzulande aktuell rund 8.000 – und je besser sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren erholt, desto höher der Bedarf.
Der Beruf ist gerade für Junge unattraktiv geworden. Das hat mit den langen Arbeitszeiten und der körperlichen Anstrengung zu tun, aber auch die Entlohnung wird immer wieder als zu niedrig kritisiert. Auch in anderen Ländern Europas gibt es – zum Teil noch viel größere – Lücken.
Was es braucht? "Willkommenskultur"
"Würden nur fünf Prozent aus unserem indischen Fahrerpool nach Österreich gehen, gäbe es keinen Mangel mehr", sagt Ebner-Mayer während einer holprigen Busfahrt durch das südindische Bangalore im Gespräch mit dem KURIER. Um in Österreich fahren zu können, brauchen die meisten indischen Lenker eine Reihe von Zusatzausbildungen.
Laut Ebner-Mayer wären zudem noch in Indien absolvierte Deutschkurse und eine "Willkommenskultur" in Österreich wichtig, um die Umzüge so einfach wie möglich zu gestalten. Viele indische Arbeitskräfte wanderten bisher nach Großbritannien oder Kanada aus, wo sie die Sprache können und es bereits große indische Communities gibt. Der größte Anreiz sind aber wohl die österreichischen Löhne, die ein Vielfaches der indischen betragen.
Eine Hürde für Unternehmen, die sich Fahrer aus dem Ausland holen wollen: Kraftfahrer stehen nicht in der von der Regierung festgelegten Mangelberufsliste. Die Wirtschaftskammer fordert, dass sich das ändert. Dann könnten ausländische Fahrer leichter mit einer Rot-Weiß-Rot-Karte in Österreich arbeiten. Die Einkommensuntergrenze fiele dann für sie weg.
Schul- und Autobuslenker hingegen gelten seit diesem Jahr bereits als Mangelberufe. Nach ihnen sucht Österreich derzeit aktiv in Indien: ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher befindet sich gerade mit WKÖ, IV und einer Wirtschaftsdelegation von 18 Unternehmen auf Dienstreise in dem südasiatischen Land (der KURIER ist auf Einladung dabei, Anm). Eins der Ziele: Arbeitsmöglichkeiten in Österreich dort bekannter machen – in jenen Bereichen, in denen Österreich sie braucht.
Dabei geht es neben den Busfahrern besonders um Fachkräfte aus dem IT-Bereich, für die Indien bekannt ist. Aber auch in anderen Mangelberufen, bei Pflegern und Köchen etwa, wittert man angesichts des Bildungsniveaus und der riesigen, jungen Bevölkerung (1,4 Milliarden Einwohner, das Durchschnittsalter liegt bei 28 Jahren) mehr Potenzial.
2023 stellten aus Indien Eingewanderte die zweitgrößte Gruppe von Rot-Weiß-Rot-Karteninhabern. Die Karte ermöglicht Drittstaatsangehörigen eine befristete Niederlassung und einen beschränkten Arbeitsmarktzugang, etwa zu Mangelberufen (Techniker, Mechaniker, Bäcker, Arzt, uvm.).
Bereits 2023 stellten die Inder nach den Serben die zweitgrößte Gruppe der Rot-Weiß-Rot-Karteninhaber dar, mehr als 1.800 der 8.000 ausgestellten Bewilligungen gingen an sie. Insgesamt waren mit Jahresende rund 7.300 Personen mit indischer Staatsbürgerschaft in Österreich beschäftigt, die meisten – 1.330 – im Tourismus und der Gastronomie.
In Indien gebe es ein sehr diverses Feld an Arbeitskräften, so Kocher: "Verschiedene Regionen haben unterschiedliche Schwerpunkte. Es wäre ein Fehler, die Fachkräfte-Rekrutierung zu stark zu zentralisieren."
Zum Thema Lkw-Fahrer sagte er: "Bisher waren sie nicht auf der Mangelberufsliste, weil es dafür zu viele gemeldete Arbeitssuchende gibt." Das liege auch daran, dass viele offene Stellen gar nicht beim AMS gemeldet werden. Das wird sich wohl nicht so schnell ändern.
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