Einerseits gibt Bundeskanzler Karl Nehammer eine Pressekonferenz mit Ungarns Premier Viktor Orbán und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, weil immer mehr Inder und Pakistani über Belgrad nach Österreich – illegal – zuwandern.
Andererseits weist der Wirtschaftsbund-Stellenmonitor im September exakt 256.203 offene Stellen aus, in nahezu allen Branchen. „Der Arbeitskräftemangel ist bereits seit geraumer Zeit eine enorme Belastung für Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich“, sagt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP). Inzwischen holen manche Betriebe pensionierte Mitarbeiter zurück in den Betrieb, weil die Produktion ohne sie nicht mehr möglich wäre. Lukas Gahleitner von der Asylkoordination sagt zum KURIER, dass immer mehr Betriebe, auch solche im staatsnahen Bereich oder im Eigentum der Länder, um Vermittlung von Asylberechtigten bitten – mit dem Versprechen, alle Ausbildungskosten dieser Migranten zu übernehmen.
„Das zeigt uns vor allem eines“, sagt Gahleitner: „Wir haben eine völlig verfehlte Arbeitsmigrationspolitik.“
Egger setzt sich für eine Erweiterung der Mangelberufsliste ein, da die Anzahl der chronisch fehlenden Arbeitskräfte immer mehr Branchen umfasse. Die Rot-Weiß-Rot-Karte (Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Drittstaatsangehörige, die per 1. Oktober reformiert wurde) müsse laufend angepasst werden.
Ziel müsse sein: „Wer in Österreich arbeiten will und die nötigen Kenntnisse mit sich bringt, soll unbürokratisch und schnell eine legale Möglichkeit finden. Bezüglich der illegalen Einwanderung fordern wir rasche Verfahren, damit schnell Klarheit über den Aufenthaltsstatus und die Beschäftigungsmöglichkeiten besteht.“ Bleibt die Politik untätig, schade das auf Dauer unserer Wirtschaft, so Egger.
Die meisten Asylanträge werden derzeit von Indern gestellt – ohne Aussicht auf Erfolg. 2022 registrierten die Behörden über 4.100 Migranten aus Indien, die um Asyl ansuchten. Im ganzen Jahr 2021 waren es nicht einmal 1.000 gewesen. Chancenlos sind die Asylansuchen der Inder, weil ihnen daheim keine Verfolgung droht, es also keinen Asylgrund gibt.
Doch muss die Frage erlaubt sein: Warum lassen wir sie nicht arbeiten? Inderinnen und Inder sind auf der ganzen Welt gern gesehene Arbeitskräfte. Längst sind sie nicht mehr nur im Billiglohn-Sektor anzutreffen, sondern besetzen Aufsichtsratsmandate: Von den Fortune 500-Betrieben haben inzwischen mehr als 60 indische CEOs, darunter Microsoft, Google, Twitter und IBM.
Also geht es nicht auch ganz legal? Kann ein auswanderungswilliger Inder einfach in die österreichische Botschaft in Delhi gehen, und um ein Arbeitsvisum ansuchen? Ja, heißt es dazu aus dem Außenministerium: Visa und Aufenthaltstitel können an fast allen Vertretungsbehörden, so auch in New Delhi, beantragt werden. Etwa die Rot-Weiß-Rot-Karte, die eine „kriteriengeleitete Zuwanderung“ ermöglichen soll. Dafür muss man aber ausreichend Geld verdienen, einen Rechtsanspruch auf Unterkunft nachweisen und auch eine Krankenversicherung.
Asylexperte Gahleitner kennt diese Fakten. Das zeige nur, „dass die Schwelle für die legale Migration offensichtlich viel zu hoch“ sei. Das sei angesichts des riesigen Arbeitskräftebedarfs auch nicht sehr klug.
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