Ein Vermittler, so ließ man schon im Vorfeld aus Brüssel wissen, sei Orbán keinesfalls. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell wetterte, er habe "kein Mandat" für die Reise; tatsächlich dürfte niemand in hohen EU-Kreisen und in Europas Außenämtern offiziell von der Reise gewusst haben. "Appeasement wird Putin nicht stoppen", postete deshalb auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf X. Kaja Kallas, Premierministerin von Estland und designierte EU-Außenbeauftragte, schimpfte, dass Ungarns Premier "die Präsidentschaft ausnutzt, um Verwirrung zu stiften."
Stimmt das?
Orbáns Plan
Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Die offizielle Linie Brüssels ist, mit Putin keine Gespräche zu suchen, man sieht ihn als Kriegsverbrecher; eine Kontaktaufnahme wird als Treuebruch gegenüber Kiew empfunden. Das dürfte auch der Grund sein, warum Orbáns Mannschaft schon im Vorfeld der Reise möglichst kryptisch geblieben ist: Der Besuch war erst nach Landung des Flugzeugs vom Regierungssprecher offiziell bestätigt worden, und Orbáns Sprecher Zoltán Kovács hatte vor Journalisten sogar davon gesprochen, dass Orbán "vom Radar verschwunden" sei. "Wir werden Ihnen nicht im Voraus verraten, was er vorhat."
Gewusst haben dürfte ausschließlich die NATO von dem Treffen, wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag einräumte. Das geschah womöglich aus Sicherheitsgründen – ganz ungefährlich ist ein derartiger Ausflug ja nicht.
Was Orbán damit bezweckte, ist die andere Frage. Bilaterale Themen – etwa das russische Gas, von dem Ungarn so abhängig ist und dessen Transport über die Ukraine im Dezember endet – dürften doch eher zweitrangig gewesen sein. Das Ziel des Besuchs machte Orbán ohnehin selbst öffentlich: In einer am Freitagvormittag ausgestrahlten Radioansprache sagte er, "man kann Frieden nicht von einem bequemen Sessel in Brüssel aus schaffen." Auch wenn die EU-Ratspräsidentschaft kein Mandat habe, "können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet."
Freilich, den Friedensplan, den Orbán Putin vorlegte, ist vage – er spricht stets von einem Waffenstillstand, den aber derzeit keine der beiden Seiten akzeptiert. In Kiew kommentierte man den Vorstoß des Regierungschefs deshalb besser gleich gar nicht, und Putin selbst sprach auch nur sehr wolkig davon, dass man jedes Bemühen, eine Lösung zu finden, schätze. Mehr aber nicht.
Treffen mit nächstem "Friedensbringer"
Was Orbán unterm Strich bleibt? Jedenfalls Aufmerksamkeit, schätzen Beobachter. Für ihn war der Besuch eine Bühne, um sich als eigenständiger Regierungschef zu präsentieren, der sich von Brüssel nichts sagen lässt – ein eindeutig innenpolitisches Motiv. Unberechenbarkeit und Geheimniskrämerei sind sein Ding, so wie auch bei seinem spontanen Besuch in Kiew vergangenen Dienstag.
Für einen tatsächlichen Frieden in der Ukraine dürfte der Besuch aber nicht sorgen. Kiew kritisierte Orbáns Besuch scharf, nannte ihn kontraproduktiv, und für Putin selbst war er nur ein willkommenes Schauspiel, um zu zeigen, dass er vom Westen nicht ganz isoliert ist.
Unterm Strich hatte von der ganzen Sache nur Orbán etwas. Und vielleicht sein Verbündeter in den USA: Auch Donald Trump inszeniert sich gern als potenzieller Friedensbringer, er unterhält auch beste Kontakte zu Orbáns Team. Kommende Woche, wenn der ungarische Premier beim NATO-Gipfel in Washington ist, werden sich Orbáns Leute auch mit jenen Trumps treffen. Das Ziel: Trump zu einem EU-Gipfel in Ungarn holen, wie der Investigativjournalisten Szabolcs Panyi berichtet, der auch die Moskau-Reise exklusiv enthüllte.
Das scheint zwar derzeit weit weg – aber wissen kann man ja nie.
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