Machtwechsel, einmal anders: Alles über Joe Bidens Angelobung
36 Jahre ist er zwischen Wilmington/Delaware und Washington DC mit dem Zug gependelt. Mehr als 3,3 Millionen Bahn-Kilometer dürfte Joe Biden während seiner Zeit als Senator dabei abgespult haben. Am Tag vor Beginn seiner Präsidentschaft am 20. Jänner wollte der 78-Jährige der Schiene treu bleiben und mit der künftigen First Lady Jill Biden in der „Union Station“ nahe des Kapitols einrollen.
Die Sicherheitslage hat den Plan durchkreuzt. Wie überhaupt fast alles in Washington beim Machtwechsel diesmal ganz anders ist. Corona und die Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Donald Trumps erforderten ein „radikales Umdenken“, erklärt das Komitee für die Ausrichtung der „Inauguration“.
Stand der Dinge: Nach der traditionellen Übernachtung im Blair House gegenüber dem Weißen Haus wird das Ehepaar Biden am Mittwochmorgen nach einem Gottesdienst zum Kapitol gebracht.
Trump setzt sich ab
Die übliche Begegnung zwischen Alt- und Neu-Präsident fällt dem Vernehmen nach aus. Trump setzt sich voraussichtlich nach Florida ab. Er ist damit nach mehr als 150 Jahren, nach Andrew Johnson, der erste Präsident, der seinem Nachfolger die traditionellen Gesten der friedlichen Machtübergabe verweigert.
Auf der Tribüne werden – Coronavirus-getestet und mit Abstand platziert – 200 VIPs aus der Nähe miterleben, wie Pop-Star Lady Gaga die Nationalhymne singt. Auch Jennifer Lopez tritt ans Mikro. Der Rest der rund 3.000 geladenen Gäste wird auf dem Rasen davor platziert.
Die üblichen Menschenmassen auf der „Mall“ dahinter gibt es nicht – alles gesperrt. Das Bittgebet spricht Reverend Leo O’Donovan. Der 87 Jahre alte Jesuit ist mit Biden, der nach John F. Kennedy der zweite katholische Präsident in der Geschichte der USA wird, eng befreundet. Eine Feuerwehr-Frau aus Georgia übernimmt den Fahnen-Eid. Amanda Gorman (22) sorgt mit „The Hill We Climb“ für die traditionelle Prise Poesie. Den Segen spricht ein afroamerikanischer Methodistenprediger.
Um die Mittagszeit wird der 78-jährige Demokrat auf die Bibel schwören und vor dem Vorsitzenden Richter am Obersten Gericht, John Roberts, den Amtseid sprechen: „Ich schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich verwalten und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen will. So wahr mir Gott helfe.“
Carter kommt nicht
Zuvor aber ist Vizepräsidentin Kamala Harris dran, begleitet vom ersten „Second Man“, Doug Emhoff. Nach dem Akt am Kapitol, bei dem Vize-Präsident Mike Pence die Fahne der alten Regierung hochhält, legt Biden auf dem Nationalfriedhof in Arlington einen Kranz nieder. Er wird dabei von Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama begleitet. Alt-Präsident Jimmy Carter (96) fühlt sich den Strapazen nicht mehr gewachsen.
Keine Partys
Fast alles, was den Tag der „Inauguration“ stets ausmachte, die Schaulustigen, die Parade mit Bands und Tanzgruppen auf der Pennsylvania Avenue, abends festliche Bälle und Partys, ist in den virtuellen Raum verlegt. Unter dem Motto „Geeintes Amerika“ sollen Veranstaltungen aus allen Teilen des Landes via Internet und Fernsehen Gemeinschaftsgefühl erzeugen.
Kulturelles i-Tüpfelchen wird ab 20.30 Uhr ein von großen TV-Sendern und sozialen Medien übertragenes Konzert sein. Moderiert von Hollywood-Titan Tom Hanks treten u. a. Justin Timberlake, Jon Bon Jovi und Bruce Springsteen auf.
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