Neues Duo an US-Spitze: Wie ticken Joe Biden und Kamala Harris?
Beim dritten Mal, mit 78, hat es nun endlich geklappt. Joe Biden übernimmt ein Amt, das er zum ersten Mal schon 1988 anpeilte. Viel mehr blieb von der rasch beendeten Kandidatur des damals 46-jährigen Senators aus Delaware nicht übrig als eine Reihe von peinlichen Versprechern, Halbwahrheiten und politischen Ausrutschern. Ein Ruf, der Joe Biden bis heute begleitet.
Auch nach 36 Jahren im US-Senat und acht Jahren als Vizepräsident im Weißen Haus gilt er als fehleranfälliger Redner, der Politik lieber im direkten Gespräch mit Mitstreitern und Gegnern macht als in der Öffentlichkeit.
Triumphe, Totalpleiten, Tragödien: Joe Biden
Verhandlungsgeschick und Kompromissfähigkeit haben die politische Karriere des studierten Historikers und Juristen immer bestimmt. Biden war nie ein großer Ideologe, hat in seinen vielen Jahren im Brennpunkt der US-Politik Positionen vertreten, die von Mitte-Rechts bis klar links reichen.
Er war bereit, diese Positionen zu verändern, wenn es die politische Realität in Washington erforderte. Üblicherweise wird er deshalb zur etablierten Mitte der Demokraten gerechnet.
Dass das Programm der Präsidentschaft auch klar linke Positionen enthält, ist eher ein Zugeständnis an den linken Flügel der Partei als politische Überzeugung. Biden hat zuviel durchgemacht und überstanden – in der Politik und im Privatleben – , um nicht Pragmatiker zu sein.
Das Kind einer Mittelklassefamilie, die mit finanziellen Schwierigkeiten zu raufen hatte, kennt die Mühen und die Tragödien des Lebens aus eigener bitterer Erfahrung.
Seine erste Frau Neilla und seine gerade einmal ein Jahr alte Tochter Naomi starben bei einem Autounfall, sein Sohn Beau 46-jährig an einem Hirntumor. Biden kann Rückschläge überwinden, nicht nur in Wahlkampagnen, und weiß, dass es für manchen Erfolg Geduld und Zähigkeit braucht.
Die programmierte Nachfolgerin: Kamala Harris
Ihr jüngster Auftritt auf dem Cover der Mode-Illustrierten Vogue sorgte für eine heftige Debatte. Man habe Kamala Harris mit technischen Tricks eine hellere Gesichtsfarbe verpasst, damit sie den Lesern nicht zu schwarz sei, empörten sich liberale Amerikaner.
Den Konservativen zu schwarz und zu links für den Posten der Vizepräsidentin, in den Augen vieler Linker zu gemäßigt und eigentlich nicht wirklich schwarz: Die 56-Jährige lässt kaum jemanden kalt.
Sie soll Joe Biden beim linken Flügel der Demokraten rund um Bernie Sanders und bei den jüngeren Amerikanern Glaubwürdigkeit verschaffen. Auch steht sie dafür, dass es die kommende Regierung mit ihrem Kampf gegen Rassismus ernst meint.
Keine Ideologin
Doch wie Biden ist auch Harris keine Ideologin. Vor radikalen Positionen ist sie in ihrem politischen Leben immer zurückgeschreckt. Die Warnungen vor der Sozialistin Harris, die Republikaner im Wahlkampf ständig bei der Hand hatten, gehen ins Leere.
Anders als etwa Michelle Obama hat Harris keine typisch afroamerikanische Biografie. Sie ist die Tochter eines Wirtschaftsprofessors aus Jamaika und einer Krebsforscherin, die aus Südindien eingewandert ist.
Harris wuchs also in soliden Verhältnissen im liberalen San Francisco auf. Als Senatorin hat sie sich einen Ruf als scharfe, präzise Fragestellerin erarbeitet, etwa in den Ausschüssen zu Trumps Beziehungen zu Russland, als sie dessen engste Vertraute grillte.
Sie soll dort Härte und Linie demonstrieren, wo Biden diese vermissen lässt – und sie soll bereitstehen, falls der 78-Jährige früher abtritt, oder aber als Spitzenkandidatin in vier Jahren.
Den Zug zum Tor hat sie dafür, wie ihr Biograf Dan Morain im Spiegel deutlich macht: „Sie denkt strategisch. Sie denkt mehr als nur einen Schritt voraus. Sie ist mutig. Sie schreckt vor keinem Kampf zurück.“
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