Ukraine warnt vor russischem "Terrorangriff" auf AKW Saporischschja
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat vor einem geplanten "Terrorangriff" der russischen Streitkräfte auf das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine gewarnt.
Nach Geheimdienstinformationen werde ein Angriffs-Szenario, einschließlich der Freisetzung radioaktiver Strahlung, von Russland in Erwägung gezogen, so Selenskij am Donnerstag via Telegram.
"Sie haben alles dafür (für den Angriff) vorbereitet", erklärte er.
➤ Mehr dazu: Stauseewasser reicht aktuell noch für Kühlung von AKW Saporischschja
Weiters in diesem Artikel:
- Gegenoffensive: Selenskij ortet Fortschritte
- Putin: Gegenoffensive schleppend
- Russland stärkt Nuklearstreitkräfte
- Brücke zur Krim angegriffen
- Russland soll für Wiederaufbau zahlen
- Kiewer Geheimdienst räumt russischen Angriff auf eigene Zentrale ein
- Mehr Tote nach Flutkatastrophe in Südukraine
Die russische Führung wies die Anschuldigungen zurück. "Das ist eine weitere Lüge. Wir hatten lediglich Kontakt mit der IAEA (Internationale Atomenergiebehörde)", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten.
Der IAEA-Chef Rafael Grossi hatte das größte Atomkraftwerk Europas in der vergangenen Woche besucht.
➤ Mehr dazu: IAEA-Chef Grossi leitet Mission zum AKW Saporischschja
Die Angst vor einer nuklearen Katastrophe an dem Akw Saporischschja flammt seit Beginn des Krieges in der Ukraine immer wieder auf. Grossi hat das Akw seit der Besetzung durch russische Kräfte im März des vergangenen Jahres mehrmals besucht.
Die Sicherheit des Kraftwerks wurde immer wieder durch Angriffe und Kämpfe in der Umgebung bedroht, für die sich Moskau und Kiew gegenseitig die Schuld geben.
Die teilweise Zerstörung des Staudamms Kachowka bei einem Angriff Anfang Juni hat der IAEA zufolge die "ohnehin prekäre" Sicherheitslage noch verschärft. Die Reaktoren des von Russland besetzten Kraftwerks sind zwar seit Monaten abgeschaltet.
Der Brennstoff in den Reaktorkernen und in den Lagerbecken muss jedoch weiterhin ständig gekühlt werden, um eine Kernschmelze und die Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt zu verhindern. Hierfür wird das Wasser des Stausees genutzt, dessen Pegel nach dem Dammbruch gesunken war.
Gegenoffensive: Selenskij ortet Fortschritte
Selenskij hat zwei Wochen nach Beginn der ukrainischen Offensive Fortschritte an der Front gelobt. "Im Süden sind wir in der Vorwärtsbewegung", sagte er am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache.
Er räumte zwar schwere Kämpfe ein, doch überall - auch im Osten, wo die ukrainischen Truppen in der Defensive seien - werde der Feind vernichtet, meinte er.
Die Ukraine hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Wochen acht Dörfer im Süden zurückerobert. Die Vorstöße in die stark befestigten und verminten Gebiete unter russischer Kontrolle sind zwar klein, aber die größten seit November.
Zuvor hatte Selenskij die Erwartungen der Öffentlichkeit an die ukrainische Offensive noch gedämpft.
➤ Mehr dazu: Selenskij: Gegenoffensive "langsamer als gewünscht"
So räumte er in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview der BBC ein, dass die Offensive "langsamer als gewünscht" vorankomme. "Einige Leute meinen, dies sei ein Hollywood-Film, und erwarten jetzt Ergebnisse. Das ist es aber nicht", erklärte Selenskij.
Die geringen Geländegewinne führte er auch auf die weiträumige Verminung des Geländes durch russische Truppen zurück. Daher sei ein vorsichtiges Vorgehen notwendig, um das Leben der Soldaten nicht unnötig zu gefährden.
➤ Mehr dazu: Was die Ukraine jetzt mit ihrer Gegenoffensive vorhat
Man werde sich bei der Gegenoffensive jedenfalls nicht unter Druck setzen lassen. "Bei allem Respekt, wir werden auf dem Schlachtfeld so vorrücken, wie wir es für richtig halten."
In seiner abendlichen Videobotschaft verkündete der ukrainische Präsident hingegen vor allem positive Nachrichten.
Putin: Gegenoffensive schleppend, Atomwaffenarsenal wird ausgebaut
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Fortgang der ukrainischen Gegenoffensive am Mittwoch als schleppend bezeichnet. Zudem erleide die ukrainische Seite schwere Verluste, sagte Putin im Staatsfernsehen.
Weiters hat Putin die baldige Einsatzbereitschaft der russischen Interkontinentalraketen vom Typ Sarmat angekündigt. Damit bekräftigte Putin den Ausbau der russischen Nuklearstreitkräfte. Die ersten Einrichtungen zum Abschuss der für mindestens zehn Atomsprengköpfe geeigneten Raketen seien „in naher Zukunft“ einsatzbereit, sagte Putin am Mittwoch in Moskau vor Absolventen von Militärakademien.
➤ Mehr lesen: Die Russen haben aus ihren Fehlern gelernt
Die Sarmat-Raketen hatten nach früheren Angaben bereits bis zum Herbst vergangenen Jahres bereitgestellt werden sollen. Putin hat seit seinem Befehl um Angriff auf die Ukraine vor rund 16 Monaten wiederholt mit Atomwaffen gedroht.
Insbesondere zur Verteidigung der eigenen territorialen Integrität behält sich Russland deren Einsatz vor. Zu seinem Staatsgebiet zählt Russland auch Territorien, die es von der Ukraine annektiert hat. Die Annexionen werden international jedoch nicht anerkannt. Zuletzt hatte Putin erklärt, ein Einsatz russischer Atomwaffen sei deswegen nicht notwendig.
Russischer Statthalter: Brücke zur Krim angegriffen
Ukrainische Truppen haben nach Angaben der russischen Verwaltung des besetzten Teils der südukrainischen Oblast Cherson eine wichtige Brücke angegriffen, die das Festland mit der 2014 annektierten Halbinsel Krim verbindet.
Die Brücke sei mit Raketen vom Typ Storm Shadow beschossen worden, teilte der von Russland eingesetzte Gouverneur, Wladimir Saldo, am Donnerstag mit. Die Straße sei beschädigt worden, der Verkehr werde umgeleitet. Opfer habe es nicht gegeben.
Die südukrainische Oblast Cherson liegt der Halbinsel Krim gegenüber und wird zum Teil von russischen Truppen kontrolliert. Obwohl Russland nicht die gesamte Region unter seiner Kontrolle hat, hat es sie wie auch Luhansk, Donezk, Saporischschja Ende September annektiert.
Russland soll für Wiederaufbau zahlen
Die westlichen Verbündeten der Ukraine wollen ihre finanzielle Unterstützung für die ukrainische Wirtschaft erhöhen und Russland für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zur Verantwortung ziehen. Zahlreiche Verbündete sagten Kiew am Mittwoch bei einer internationalen Wiederaufbau-Konferenz in London weitere Hilfen in Milliardenhöhe zu.
"Russland verursacht die Zerstörung der Ukraine. Und Russland wird letztlich die Kosten für den Wiederaufbau zahlen müssen", meinte US-Außenminister Antony Blinken. Der britische Premierminister Rishi Sunak sagte, die westlichen Sanktionen würden so lange aufrechterhalten, bis Moskau "voll bezahlt" habe. Die beschlagnahmen russischen Vermögenswerte würden dafür eingesetzt, der Ukraine beim Wiederaufbau zu helfen.
Unterdessen einigten sich die EU-Länder auf weitere Sanktionen gegen Russland, wie der schwedische Ratsvorsitz mitteilte. Im Mittelpunkt des 11. Sanktionspaketes stehen Maßnahmen, die Schlupflöcher schließen sollen. Dazu zählt ein Transit-Verbot durch russisches Gebiet für alle Güter, die Moskau für militärische Zwecke nutzen könnte. Das Paket sieht zudem Einreise- und Vermögenssperren gegen 71 weitere Verantwortliche und 33 Organisationen vor.
Selenskij lobte in seiner Videobotschaft das Sanktionspaket der EU als wichtig, um Russland weiter zu isolieren, "so lange das Hauptexportgut Russlands Bosheit und Tod sind". Es gehe nun vor allem darum, Wege zur Umgehung der bisherigen Sanktionen abzuschneiden, so der ukrainische Staatschef.
Kiewer Geheimdienst räumt russischen Angriff auf eigene Zentrale ein
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR bestätigte Berichte über einen russischen Raketenschlag gegen seine Zentrale.
Die Angriffe hätten Ende Mai stattgefunden, aber „weder das gewünschte noch das verkündete Ziel erreicht“, sagte der Sprecher der Behörde, Andrij Jussow am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen. Über den Raketenschlag hatte unter anderem Russlands Präsident Putin berichtet.
Die russische Führung hat immer wieder damit gedroht, Schläge gegen die „Entscheidungszentren“ der Ukraine zu führen. Erste Informationen über einen Angriff auf die HUR-Zentrale tauchten am 29. Mai auf. Offiziell gab es damals keine Stellungnahme aus Kiew. Zu den Folgen des Angriffs wollte sich Jussow weiter nicht äußern. Das werde er erst nach dem Krieg tun.
Opferzahl nach Flutkatastrophe in Südukraine auf über 60 gestiegen
Mindestens 62 Menschen kamen in der südukrainischen Region Cherson nach der Zerstörung des Kachowka-Staudammes vor rund zwei Wochen ums Leben.
Russische Besatzungsbehörden sprachen am Mittwoch auf Telegram von 41 Toten an dem von Russland okkupierten Südufer des Dnipros.
Die ukrainischen Behörden gaben die Anzahl der Toten auf der anderen Seite des Flusses mit mindestens 21 an. Vermutet wird, dass die tatsächlichen Opferzahlen höher sind.
➤ Mehr dazu: Wer welche Gründe für eine Sprengung des Kachowka-Damms hätte
Kommentare