FDP-Chef Lindner: Der Zocker

Christian Lindner
Dem deutschen FDP-Chef gelang einst ein vielbeachtetes Comeback seiner Partei. Nach Thüringen steht er vor einem Scherbenhaufen.

Der Mann, der mit drahtlosem Headset auf der Bühne auf- und abläuft, braucht kein Manuskript. Er ist rhetorisch stilsicher, ebenso optisch. So kennt man Christian Lindner, 40 Jahre, Chef der liberalen Freien Demokraten. Der Mann, der bei der Bundestagswahl 2017 eine erledigte Partei quasi im Alleingang zurück in den Bundestag führte.

Mittwochnachmittag steht ein Lindner vor den Reportern, der von Kärtchen liest, angespannt wirkt. In Thüringen wurde gerade sein Mann, Thomas Kemmerich, der im Oktober mit nur fünf Prozent in den Landtag einzog, zum Ministerpräsidenten gewählt - erstmals durch Stimmen der AfD, die ihren eigenen Kandidaten dafür fallen ließ, eine durchsichtige Volte. Doch was Lindner sagen wird, ist eine halbherzige Distanzierung von den Vorgängen, als gäbe es vielleicht noch etwas zu gewinnen.

Dabei hätte er alles verlieren können, wie sich zeigte. Es gab Proteste und Parteiaustritte. Lindner stellte daraufhin am Freitag in einer Sondersitzung die Vertrauensfrage - er bleibt (hier gibt es seinen Auftritt vor der Presse und die Ereignisse des Tages in Deutschland zum Nachlesen). Genauso wie viele Fragen: Warum hat er die Kandidatur seines FDP-Mannes nicht verhindert? Das Szenario, die AfD könnte dies ausnutzen, war bekannt. Lindner erklärte nach der gewonnenen Abstimmung, dass er "einer Fehleinschätzung der AfD erlegen" sei. Er habe nicht daran geglaubt, dass sie statt für den eigenen Kandidaten für Kemmerich stimmen könnte.

Wie auch immer, was bleibt ist der Eindruck: Lindner hat sich verzockt. Wieder einmal. 2017 als er nach der Wahl die Gespräche zur Jamaika-Koalition mit CDU/CSU und Grünen dramatisch kurz vor Mitternacht scheitern ließ. Noch ehe sich die anderen versahen, trat er mit staatstragender Miene vor die Kameras. Es fiel jener Satz, der ihn bis heute verfolgt: "Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

Lindner, dem vorgeworfen wurde, sich der Verantwortung zu entziehen, versuchte den Spieß umzudrehen: Er sei ein Politiker der Überzeugungen, nicht der Macht. Und: Die Kanzlerin wäre nur den Grünen entgegengekommen, nicht der FDP, lautet seither die Erzählung. Unter ihrer Führung wolle er in kein Kabinett eintreten.

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