FDP: „Besser nicht regieren“ – und davon nicht erholt

Nach dem Jamaika-Aus in der Opposition: Die Liberalen ringen um Aufmerksamkeit und Aufbruch.

„Nichtstun ist Machtmissbrauch“, „Weltbeste Bildung für jeden“ – so warb die FDP im Bundestagswahlkampf um ihr Comeback. Und setzte ganz auf ihn: Christian Lindner. Mal posierte er in Hugo-Boss-Optik auf den Plakaten, dann guckte er aufs Smartphone: „Digital First. Bedenken second“, stand daneben. Lindner inszenierte die FDP als Start-up: jung, smart – bei Digitalisierung und Bildung vorne dabei, ließ er SPD und CDU alt aussehen. Sein Plan ging auf, vier Jahre nach dem Regierungs-Aus holte die FDP knapp zehn Prozent und führte Koalitionsverhandlungen.

Ein halbes Jahr später ist von der Coolness wenig übrig geblieben. Dafür ein Satz für die Geschichtsbücher: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. So ließ Linder in jener Novembernacht die Gespräche mit Union und Grünen platzen. Seither gab es kaum einen Auftritt, wo er seinen Abgang nicht verteidigen musste. Sein Nein sei ein Signal gegen Politikverdrossenheit und für die Glaubwürdigkeit der Liberalen, rief er seinen Anhängern noch im Jänner zu. Auf was er sie beim morgigen Parteitag einschwören will? Bei der Konkurrenz stehen die Zeichen auf Neuanfang. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ist auf „Zuhör-Tour“ bei der Basis. Die Grünen definieren sich und ihr Grundsatzprogramm neu. Und die FDP? Fiel in ihrer Oppositionsrolle bis auf ein paar Annäherungen zur AfD in der Asyldebatten wenig auf. Vielleicht wäre es doch besser zu regieren, als zuzusehen, mag sich manch Liberaler denken. Nicht nur dass die Große Koalition den Soli-Abbau ignoriert. Statt eines Digitalministeriums gibt’s nur ein Digital-Staatssekretariat ohne Hausmacht.

Lindner wird seine Leute bei Laune halten, aber auch internen Streit lösen müssen. Seit Monaten diskutieren er und FDP-Vize Wolfgang Kubicki über die Position zu den deutschen Sanktionen gegen Russland. Kubicki preschte jetzt vor. Er will sie prüfen und beim Parteitag abstimmen lassen. Dass in dieser Frage ein Machtkampf droht, dürfte Lindner nicht gefallen. Das klingt nicht nach neuer smarter FDP, eher nach jenen, die er alt aussehen lassen wollte.

S. Lumetsberger, Berlin

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