Grüne und FDP: Regieren mit dem Lieblingsfeind?

Grüne und FDP: Regieren mit dem Lieblingsfeind?
Grüne und FDP grenzen sich gerne voneinander ab, können nicht gut miteinander. Und sollen aber vielleicht, irgendwann.

Sie sind Politiker, würden aber genauso gut in einen Werbespot passen. Der eine nachdenklich am Nordseestrand wandernd mit einem Pils in der Hand, der andere im Cabrio die mallorquinische Küste entlang düsend. Grünen-Chef Robert Habeck und FDP-Frontmann Christian Lindner sind die Posterboys ihrer Parteien. Lindner, 40 Jahre alt, führte die Liberalen aus dem Nichts mit 10,4 Prozent zurück in den Bundestag. Habeck, fast zehn Jahre älter, eilt mit den Grünen von Erfolg zu Erfolg. Er löste in einer aktuellen Emnid-Umfrage die SPD als zweitstärkste Kraft ab und hatte zuletzt Beliebtheitswerte, die jene der Kanzlerin übertreffen.

Fast hätten FDP und Grüne mit Angela Merkel an der Spitze in einer schwarz-gelb-grünen Koalition (Jamaika) regiert. Doch die Sondierungen scheiterten bekanntlich in einer nasskalten Novembernacht vor fast zwei Jahren. Laut Lindner war die Kanzlerin bereit, den Grünen alles zu ermöglichen, ließ aber die FDP links liegen. Also beschloss er: besser nicht regieren.

Die Option ist in Berlin aber längst nicht vom Tisch. Sollte die Große Koalition vorzeitig enden und es keine Neuwahlen geben, kann nur ein Bündnis mit FDP und Grünen klappen. In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz regieren sie zusammen; ob das im Bund funktionieren kann, ist fraglich.

Natürliche Gegner

Freidemokraten und Grüne sind natürliche Gegner. Das war schon zu Joschka Fischers und Guido Westerwelles Zeiten so und ist mit Lindner und Habeck nicht anders. In Anne Wills Talkshow keppelten sie miteinander und duzten einander („Darf ich einmal ausreden“; „Robert!“; „Du redest viel“). Über ihr Verhältnis sagte Lindner bei einem Treffen mit der Auslandspresse gegenüber dem KURIER, dass er Habeck nur von Veranstaltungen und aus TV-Studios kenne. Die operative Arbeit geschehe im Bundestag, und da geben andere Grüne den Ton vor.

Auch beim vergangenen Parteitag arbeitete sich der Liberale an seinem grünen Kollegen ab. Er warf der Partei Hypermoral vor und malte das Schreckgespenst eines ökologischen Autoritarismus an die Wand. Mit dieser Abgrenzung will er Anhänger mobilisieren und Gegensätze herausarbeiten, weiß Michael Freckmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Wenn es etwa um den Diesel oder Spitzensteuersatz geht, sind die Fronten verhärtet. Gleichzeitig müsse sich Lindner im politischen Wettbewerb profilieren. Bisher nützte das Schwächeln der Volksparteien vor allem den Grünen. Sie haben neben der SPD auch der CDU Wähler abspenstig gemacht. „Im bürgerlichen Lager hat eine gegenseitige Annäherung stattgefunden, die so früher nicht vorhanden war“, sagt der Politologe mit Blick auf Leistungsgedanken, Kindererziehung und Ernährung, die Grüne heute pragmatischer sehen.

Parteichef Robert Habeck sei zudem in dem CDU-nahen Milieu „anschlussfähiger“: Der studierte Philosoph ist verheiratet, hat vier Kinder. Christian Lindner komme mit seinen lauten Tönen und dem „dezidiert nach außen getragenen Ungeduldigen“ eher in der jungen Globalisierungselite an.

Aktuell sitzt die einstige „Bürgerschreckpartei“ in der Hälfte aller Landesregierungen und „hat der FDP den Stammplatz als dritte Kraft streitig gemacht“. Genauso wie auf der Talkshow-Couch: 2018 war dort keiner so oft wie Robert Habeck, gefolgt von seiner Co-Chefin Annalena Baerbock und eben Christian Lindner.

Künftige Partner

„Längerfristig werden sich seine Partei und die Grünen aufeinander einlassen müssen“, sagt Freckmann. Wenn der Hype um die Grünen nachlasse, werde eine schwarz-grüne Mehrheit unwahrscheinlich. Im Bundestag wird bereits an der Beziehung gearbeitet. Grüne und FDP-Politiker treffen sich seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen zum Vertrauensaufbau. Wo es um die Parlamentsorganisation geht, pflege man einen guten und kollegialen Umgang, erklärte Lindner dem KURIER. Die beschlossene Grundgesetzänderung in der Bildung sei ein Resultat davon.

Genau dort sieht Freckmann auch Schnittmengen: Bildung, Bürgerrechte, Schutz von Minderheiten und Demokratie gegen rechte Tendenzen. Es knirsche bei Klimaschutz und Migration. Bei allem Pragmatismus der Parteispitze könnte es am Ende an der Basis scheitern. „Der wirtschaftsnahe Teil der FDP schaut argusäugig auf die Grünen, wenn es um Verkehrs- und Steuerpolitik geht“, sagt Freckmann. Genauso gibt es grüne Skeptiker, die am Ende basisdemokratisch entscheiden würden, ob sie das Konstrukt mit dem Lieblingsfeind wagen. Zudem strecken die Ökos ihre Fühler auch nach links aus. Am Mittwoch treffen sich einige Grünen-Vertreter mit SPD und Linke, um Gemeinsamkeiten auszuloten.

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