Nach Bayern auch in Hessen: Grüne weiter auf Erfolgskurs

Nach Bayern auch in Hessen: Grüne weiter auf Erfolgskurs
Die Partei profitiert derzeit vor allem von der Nervosität in SPD und Union.

Im Bundestag sind sie die Kleinsten, in den Ländern bald die Größten: Die Grünen haben einen Lauf. Was sie zuletzt in Bayern erreicht haben, könnte sich bei der Landtagswahl in Hessen, kommenden Sonntag, fortsetzen. Nach jüngsten Prognosen rangieren sie auf über zwanzig Prozent und holen – je nach Umfrage – die SPD als zweitstärkste Kraft ein.

Was sie derzeit so erfolgreich macht, weiß Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel. Im Vergleich zu Österreich stünden die Volksparteien in Deutschland viel stärker unter Druck – und dort ziehen ihnen die Grünen Wähler aus der Mitte ab, sagt er dem KURIER. „Während die Große Koalition nervöser wird, die Schwesterparteien CDU und CSU aufeinander losgehen, können sie sich in der Opposition profilieren.“ Das tun sie etwa mit neuem Personal an der Spitze und einem Imagewechsel: „Sie sind keine schulmeisterliche Verbotspartei mehr, sondern reflektieren das liberale Lebensgefühl der gut gebildeten Mittelschicht.“ Als neue Volkspartei sieht er sie dennoch nicht: „Sie reichen nicht in alle Milieus hinein, sprechen nach wie vor eher gut ausgebildete, urbane Menschen an. Den unteren Schichten haben sie nichts anzubieten. Eine Volkspartei werden sie schon deshalb nicht.“

" Tarek statt GroKo"

Sie versuchen es aber auch bei Unzufriedenen, die sich über die Koalition in Berlin ärgern. Der hessische Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir, Stellvertreter von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), wirbt mit „Tarek statt GroKo“. Fast lautlos führte der 47-Jährige die Grünen in ein Bündnis mit der CDU, das bisher ohne Getöse auskam.

Eine Konstellation, die Jahre zuvor kaum vorstellbar war. 2008 plakatierte der damalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch gegen den Grünen-Politiker und die SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti noch mit deren Nachnamen („Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“). Hätte er den Mädchennamen seiner Mutter bekommen, wie es der Standesbeamte vorschlug, wäre das nicht passiert, soll der Grüne gesagt haben.

Al-Wazir, geboren als Sohn einer Lehrerin und eines Jemeniten, der in Deutschland studierte, wuchs in Offenbach auf. Mit 14 ging er zu seinem Vater und besuchte in Sanaa eine Internationale Schule. Nach zwei Jahren kehrte er zurück – eine Zeit, die ihn geprägt hat. Ebenso wie seine Mutter, die ihn früh politisierte. „Es wurde viel diskutiert, aber es blieb eben nicht dabei“, schreibt er auf der Webseite der Grünen. So begleitete er seine Mutter zu Demos, studierte Politikwissenschaften und zog 1995 als Abgeordneter in den hessischen Landtag ein.

Machtoptionen

Dort stehen die Machtoptionen besser als für die bayerischen Grünen, die trotz Erfolgs auf der Oppositionsbank sitzen müssen. In Wiesbaden kommt nach Sonntag vermutlich keiner an ihnen vorbei: Laut Prognosen reicht es nicht für Schwarz-Grün oder Rot-Schwarz, aber für SPD, Grüne und Linke. Diese Koalition wurde bereits 2008 verhandelt, scheiterte aber an der SPD, die nicht mit der Linkspartei arbeiten wollte. Alternativ könnten diesmal auch die FDP einspringen, um eine Ampelkoalition zu bilden (Rot-Grün-Gelb).

Aber egal, welches Farbenspiel man bemüht, sollten die Grünen in einem Bündnis stärkste Kraft sein, stünde ihnen auch das Amt des Ministerpräsidenten zu.

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