Polit-Beben in Thüringen: Lindner darf FDP-Chef bleiben
Seit Mittwoch versucht die deutsche CDU einen Ausweg aus dem Schlamassel in Thüringen zu finden. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte Neuwahlen, konnte diese aber nicht durchsetzen. AKK nahm zudem Grüne und SPD in die Pflicht und forderte diese auf, einen Konsenskandidaten aufzustellen.
Den früheren Ministerpräsidenten aus den Reihen der Linken, Bodo Ramelow, werde die CDU nämlich nicht unterstützen, so AKK.
Die SPD und die Grünen haben diesem Vorschlag inzwischen schon eine Absage erteilt. Egal, denn es zeichnete sich just wieder ein neues Szenario ab: Die CDU-Thüringen will sich der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten enthalten. Die Wahl Ramelows wäre dann ohne ein weiteres Verbiegen der CDU im dritten Wahlgang möglich.
Auch in der FDP haben die Vorgänge in Thüringen Spuren hinterlassen. FDP-Chef Christian Lindner musste die Vertrauensfrage stellen. Auch wenn er mit einer klaren Mehrheit gewählt wurde, sind die Vorgänge nicht spurlos an ihm vorübergezogen.
Ministerpräsident in Thüringen bleibt vorerst Thomas Kemmerich (FDP), der am Mittwoch mit Stimmen von CDU, AfD und FDP gewählt worden war. Kemmerich würde am liebsten sofort zurücktreten, will aber einen stabilen Übergang gewährleisten - meinte er.
Hier die Entwicklungen des Tages in der Nachlese:
Aktuelle Entwicklungen nach dem Polit-Desaster in Thüringen
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Wir verabschieden uns
Der Live-Ticker wird an dieser Stelle beendet. Die Thüringen-Posse dürfte uns aber noch länger beschäftigen.
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Zusammenfassend
Seit Mittwoch überschlagen sich die Ereignisse in Thüringen. Dementsprechend schwierig ist es, politische Entwicklungen umgehend einzuordnen. Nach dem angekündigten Rücktritt des von AfD- und CDU-Stimmen gewählten Thomas Kemmerich (FDP) ist unklar, ob es zu Neuwahlen kommt oder ein anderer Kandidat gewählt wird.
In Berlin lösten die Vorgänge ein politisches Beben aus. Koalitionspartner SPD, der in Thüringen an der Seite des vereitelten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) mitregiert hätte, hat Fragen an die CDU. Diese sollen morgen in einem Koalitionsausschuss mit den Parteichefs von SPD und Union geklärt werden.
CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer muss sich Führungsschwäche vorwerfen lassen, weil sie nicht verhindern konnte, dass ihre Leute mit der AfD stimmen - obwohl man gegen jegliche Kooperation mit Rechten und Linken ist. Da sie die Thüringer CDU jetzt auch nicht zu Neuwahlen bewegen kann, schlug sie vor, dass die SPD Thüringen jemanden zur Ministerpräsidenten-Wahl aufstellen soll.
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So soll es weitergehen
Die Juristen der Landtagsverwaltung und der Staatskanzlei seien sich einig, "dass ein Rücktritt - zum Beispiel sofort - nicht geboten ist, da es wichtige Entscheidungen der Landesregierung gibt, für die es zumindest ein amtierendes Regierungsmitglied braucht", sagte Kemmerich. Linke, SPD und Grüne hatten den Rücktritt des mit Stimmen von AfD und CDU zum Regierungschef gewählten FDP-Politikers bis zum Sonntag gefordert.
Die Landtagspräsidentin werde eine Sondersitzung des Ältestenrates des Landtages einberufen. Dort solle ein verfassungsgemäßer Weg entschieden werden, "wie es schnell zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten kommen kann", sagte Kemmerich. Laut einem Sprecher Kemmerichs beträgt die Ladungsfrist dafür sieben Werktage. Der Ältestenrat werde daher am 18. Februar tagen.
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Kemmerich will sofort zurücktreten - kann aber nicht
So schnell wie möglich soll es eine Sondersitzung geben, bei der Kemmerich des Amtes enthoben wird. Das sei allerdings nicht sofort möglich, erklärt Kemmerich. "Da es keine anderen amtierenden Regierungsmitglieder gibt", sei die Regierung - sie wird momentan "gestützt" von den fünf FDP-Abgeordneten - nicht handlungsfähig. Trotzdem soll ein stabiler Übergang gewährleistet werden - wie auch immer.
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Lindner geläutert?
Wie lässt sich die Lindner-Rede zusammenfassen?
Einerseits gab es an mehreren Stellen klare Schuldeingeständnisse. In Zukunft soll die Abgrenzung zur AfD noch klarer und deutlicher ausformuliert und gelebt werden.
Durch das Vertrauensvotum fühlt sich Lindner auch bestätigt und: Er nahm auch CDU und SPD in die Pflicht. An gewissen Stellen schlüpfte er auch in die Opferrolle.
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"AfD will Grundlagen unserer politischen Kultur zerstören - vorsätzlich!"
Lindner gibt zu, er hätte am Mittwoch deutlicher sein können. "Mit einem Parteivorsitzenden Christian Lindner gibt es nirgendwo eine Zusammenarbeit mit der AfD", hätte er sagen sollen. Jetzt sei ein neuer parlamentarischer Umgang mit der AfD möglich. "Man kann sich auf gar nichts mehr verlassen. Nicht einmal darauf, dass wenn sei wen als Kandidaten aufstellen, den auch wählen", so Lindner.
Seine Hoffnung sei, dass "die Wählerinnen und Wähler der AfD, die für die politische Mitte erreichbar sind", erkennen, "dass es eine Partei ist, die die Grundlagen unserer politischen Kultur zerstören will - vorsätzlich!"
Linder stellt klar: "Das ist nicht die CDU von 1980." Das sei es, was der Wähler erkennen müsse.
Zu guter Letzt sagt Lindner, der er beabsichtige, seine politische Arbeit trotz des "Unfalls" in Thüringen vorzusetzen.
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"Kemmerich hat seine Integrität verteidigt"
Lindner bestätigt: 36 abgegebene Stimmen, 33 für ihn, eine gegen ihn und zwei Enthaltungen.
Und wie ist es um die politische Zukunft von Thomas Kemmerich bestellt? Der habe "seine Integrität verteidigt", meint Lindner. Nun müsse Kemmerich selbst entscheiden, wie es mit ihm weitergehe.
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Lindner plädiert für Neuwahlen in Thüringen
Die FDP in Thüringen will nun eine Initiative zur Auflösung des Landtags anbieten, damit die "freien Bürgerinnen und Bürger" über eine Neuordnung der Verhältnisse entscheiden können. Dass die Union darüber nachdenke, sich an einer Regierungsbildung zu beteiligen, hält Lindner für falsch. Der "klarste Weg" seien Neuwahlen. Laut aktuellen Umfragewerten würde die FDP dann aus dem Landtag fliegen.
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AfD falsch eingeschätzt
Auch Thomas Kemmerich habe "eine klare Grenze zur AfD" gezogen und bei seiner Kandidatur ein "Signal an die Mitte" gesendet, meint Lindner. Diese Position sei "katastrophaler Weise in das Gegenteil verkehrt worden", nachdem sich Kemmerich von CDU und AfD im dritten Wahlgang habe Wählen lassen. Man sei einer "Fehleinschätzung der AfD" erlegen, behauptet Lindner. Man habe nicht damit gerechnet, dass diese Partei soweit geht, Kandidaten zum Schein vorzuschlagen und andere zu wählen.
Er nimmt nun CDU und SPD in die Pflicht und spricht sich für eine generelle Ausgrenzung der AfD aus. Und doch: "Wir übernehmen Verantwortung für die Lage in Thüringen." Konsequenz: Kemmerich wird in Kürze zurücktreten. Der "Fahrplan zur Übergabe der Verantwortung" soll sehr bald bekannt werden.
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Lindner spricht: "Bedauern es zutiefst"
Die Aussprache sei noch nicht beendet, nur "unterbrochen", sagt Lindner. "Ich bin meiner Partei dankbar, dass sie mir heute im Bundesvorstand mit einem sehr starken Ergebnis das Vertrauen ausgesprochen hat", sagt Lindner. Der Kurs der FDP und der gemeinsame Wertekonsens sei dadurch gefestigt worden.
Die Entscheidungen und Ereignisse in Thüringen hätten Zwiefel an der Orientierung der Partei gestreut. "Das bedauern wird zutiefst", sagt Lindner. Aus den Grundwerten der FDP erkläre sich, dass die AfD eine "völkische", die FPD eine tolerante und liberale Partei sei, die "auf das Individuum setzt".
Diese "klare Position" der FDP sei wegen der letzten Tage nicht mehr sichtbar gewesen, sagt Lindner. Die FDP gehöre zum demokratischen Zentrum der politischen Landschaft Deutschlands. "Es ist für unsere Glaubwürdigkeit unverzichtbar, dass klare Grenzen gezogen werden", sagt Lindner.
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Lindner darf FDP-Chef bleiben
Vorab: Nachdem Christian Lindner heute die Vertrauensfrage gestellt hat, dürfte er laut Bild-Zeitung Chef bleiben.
Bei der Abstimmung über Lindners Zukunft erhielt der 41-Jährige 33 Stimmen. Es gab eine Nein-Stimme und zwei Enthaltungen.
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Was geschieht um 15 Uhr?
Bald wird es ernst: Um 15 Uhr will FDP-Chef Christian Lindner vor die Presse treten und erklären, wie es weitergeht. Genießt Lindner noch das volle Vertrauen? Eher nicht. Ein Rücktritt gilt aber als sehr, sehr unwahrscheinlich.
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Bei Neuwahlen wäre Rot-Rot-Grün möglich
Laut aktuellen Umfragen des Meinungsforschungsinstitut Forsa würde die FDP in Thüringen aus dem Landtag fliegen. Eine Rot-Rot-Grüne, linke Mehrheit wäre wieder möglich.
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Was sich die CDU alles wünscht
Damit es übersichtlicher wird, fassen wir die fünf wichtigsten Forderungen von AKK noch einmal zusammen:
- Die CDU wird keine Stimmen für einen Kandidaten der AfD oder der Linkspartei abgeben. Enthält sich die CDU Thüringen, könnte Ramelow aber im dritten Wahlgang wiedergewählt werden. Das deutet sich aktuell an, wurde im Bundespräsidium heute aber nicht besprochen.
- Von der CDU gibt es nach dem Fall "Kemmerich" keine Stimmen (mehr) für einen Kandidaten, der auf Stimmen der AfD angewiesen ist.
- Die CDU wäre es am liebsten, dass SPD und Grüne einen Kandidaten präsentieren, der als Ministerpräsident das Land eint.
- Die CDU will konstruktiv mitarbeiten.
- Kann im Thüringer Parlament keine Stabilität geschaffen werden, seien Neuwahlen unausweichlich.
- Die CDU wird keine Stimmen für einen Kandidaten der AfD oder der Linkspartei abgeben. Enthält sich die CDU Thüringen, könnte Ramelow aber im dritten Wahlgang wiedergewählt werden. Das deutet sich aktuell an, wurde im Bundespräsidium heute aber nicht besprochen.
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Kommando zurück: CDU-Thüringen dürfte Ramelow-Wahl indirekt ermöglichen
Erstens kommt es möglicherweise anders, zweitens als wir gerade berichtet haben: Wie der deutsche Tagesspiegel schreibt, deutet sich nun doch eine Lösung ohne Neuwahlen ab. Die CDU-Fraktion Thüringen teilte am Freitag mit: "Wir werden Initiativen, die darauf abzielen, im gewählten Thüringer Landtag eine Regierung zu bilden, nicht blockieren. Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag wird einen von der Linken aufgestellten Ministerpräsidenten entsprechend ihrer Grundsätze nicht aktiv ins Amt wählen". Aber - und das ist entscheidend: "Im Ergebnis heißt dies, sich bei den möglichen parlamentarischen Verfahren zu enthalten."
Das würde bedeuten, dass Bodo Ramelow von der Linken spätestens im dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit genügt, gewählt wäre.
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AKK wohl für Neuwahlen - oder nicht?
Das CDU-Präsidium sei "nach wie vor der Meinung, dass Neuwahlen dafür der klarste Weg sind", sagte AKK zudem. Diese seien von Linkspartei, Grünen und SPD in Thüringen aber offensichtlich nicht gewünscht.
Auf die Frage, ob die CDU eine von den Linken geführte Minderheitsregierung dulden würde, sagte Kramp-Karrenbauer, ihre Partei werde nicht in eine Regierung mit der Linken eintreten "und auch sonst in keiner Form mit der Linken zusammenarbeiten".
Das CDU-Präsidium, an dem auch der Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring teilnahm, fasste laut Kramp-Karrenbauer einstimmig einen Beschluss zu den Vorgängen in Erfurt. Mit Blick auf die AfD werde darin betont, dass es keine Zusammenarbeit gebe, "weder in direkter noch indirekter Form". Es gebe von der CDU auch "keine Stimme für einen Kandidaten, der auf die Stimmen der AfD angewiesen ist".
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AKK: "Keine Stimme für AfD oder Linkspartei"
Derweil hat sich auch Chefin der Bundes-CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), zu Wort gemeldet. Sie forderte die Sozialdemokraten und Grünen in Thüringen dazu auf, einen Kandidaten oder Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten des deutschen Bundeslandes zu nominieren. "Wir erwarten, dass es eine Bereitschaft von SPD und Grünen" gebe, eine Person aufzustellen, "die das Land nicht spaltet, sondern eint", sagte die Christdemokratin am Freitag in Berlin.
Kramp-Karrenbauer bekräftigte zugleich die Absage ihrer Partei an eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und die rechtspopulistische AfD. "Von der CDU gibt es keine Stimmen für einen Kandidaten der AfD oder der Linkspartei", sagte die Verteidigungsministerin nach einem CDU-Präsidium. Sie betonte zugleich, dass es jetzt darum gehe, in Thüringen "für stabile und klare Verhältnisse" zu sorgen.
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Kemmerich will auf Geld verzichten
93.000 Euro würden Thomas Kemmerich zustehen. Er will laut Medienberichten auf das Gehalt und Übergangsgeld verzichten - falls er darf.
Kemmerich hatte nach nur einem Tag im Amt angekündigt, es wieder aufgeben zu wollen - wann genau, ist noch unklar.
Zunächst werde geprüft, ob er die Annahme der Zahlungen verweigern könne. Alternativ solle der überschüssige Betrag gespendet werden, etwa an die Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in der sozialistischen DDR.
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CDU-Landesfratkionschef gibt Amt ab
Auch in der CDU rumort es gewaltig. Der CDU-Fraktionschef im Bundesland Thüringen, Mike Mohring, wird sein Amt abgeben. Die Fraktion teilte am Freitag offiziell mit, die Abgeordneten hätten sich in ihrer Krisensitzung in der Nacht auf Freitag "auf Neuwahlen zum Fraktionsvorstand mit neuen Personen Ende Mai verständigt". Mohring werde dann "nicht wieder antreten".
Mohring selbst hatte sich bisher nicht eindeutig zu seinem Rückzug geäußert. Der 48-Jährige war nach der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) auch in der eigenen Partei unter massiven Druck geraten. Die Spitze der Bundespartei wertete dies als Verstoß gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD verbietet.
Aus Teilnehmerkreisen der Krisensitzung hieß es zuvor bereits, dass Mohring in der Fraktion keinen Rückhalt mehr habe. Eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder bemängelte demnach Mohrings Führungsstil. Es soll von "unabgestimmten Alleingängen", einer "fehlenden Einbindung der Abgeordneten" und "bewusster Täuschung" die Rede gewesen sein.
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FDP-Chef Lindner steht vor Scherbenhaufen
Ein Statement von FDP-Chef Christian Lindner verzögert sich derzeit. Nachdem Thomas Kemmerich von einer Mehrheit aus CDU, FDP und der rechtspopulistischen bis rechtsextremen AfD am Mittwoch zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, überschlagen sich nun die Ereignisse. Kemmerich trat bereits gestern, Donnerstag, zurück. Dennoch steht die FDP - sie hatte bei den Wahlen in Thüringen nur fünf Prozent errungen - nach der Aktion vor einem Scherbenhaufen. Lesen Sie dazu unsere Analyse:
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Schönen Nachmittag aus dem Newsroom!
In Thüringen geht es gerade rund, wir berichten über die aktuellen Entwicklungen im Live-Ticker.
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