Europa-Trend: Nächtliche Ausgangssperren als Rezept gegen zweite Corona-Welle
Italien, Spanien, Tschechien, Slowakei, Frankreich, sogar Deutschland und ja, auch Österreich: Egal, wohin man derzeit in Europa blickt: Überall purzeln die Corona-Rekorde. Im 24-Stunden-Takt sind neue Höchstwerte zu vermelden, die Rekordwerte der ersten Welle im März sind längst eingestellt.
In Österreich sind deshalb seit Sonntag strengere Maßnahmen in Kraft. So dürfen etwa nach der Sperrstunde keine alkoholischen Getränke mehr im Umkreis von 50 Metern um Betriebsstätten konsumiert werden, Indoor dürfen nur sechs Personen ohne zugewiesene Sitzplätze an einem Tisch sitzen (mehr dazu hier).
Im Vergleich zu vielen anderen Ländern in Europa halten sich die aktuellen Anti-Corona-Regeln jedenfalls noch in bescheidenem Rahmen.
Die Vorgehensweisen der verschiedenen Länder unterscheiden sich zwar stark voneinander, in den besonders betroffenen Ländern setzt sich aktuell jedoch vor allem eine Maßnahme durch: "Nächtliche Ausgangssperre" lautet das Zauberwort. Ein Lockdown ist in Österreich rechtlich an einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems geknüpft - und das könnte bereits im Dezember der Fall sein - die Details dazu lesen Sie hier.
Hier lesen Sie einen aktuellen Überblick über die aktuellen Anti-Corona-Maßnahmen in Europa:
Italien: Restaurants und Bars ab 18 Uhr geschlossen
Für Italien verkündete heute Premier Giuseppe Conte ein neues Paket von Maßnahmen. Landesweit müssen demnach alle Restaurants und Bars von Montag an um 18 Uhr für Gäste schließen. Zudem dürfen auch Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder, Skiresorts und Konzerthallen nicht mehr öffnen. Die Maßnahmen sollen zunächst bis zum 24. November gelten (mehr dazu).
Spanien: Ausgangssperre ab 23 Uhr
Auch in Spanien lautet das aktuelle Krisenrezept Ausgangssperre. In einer zweistündigen Sondersitzung beschlossen Premier Pedro Sanchez und sein Kabinett am Sonntag, landesweit den Gesundheitsnotstand auszurufen. Damit lässt sich in allen Regionen Spaniens - mit Ausnahme der kanarischen Inseln - eine nächtliche Ausgangssperre durchsetzen. Sie gilt von 23 Uhr bis 6 Uhr Früh.
Irland: Als erstes Land wieder zugesperrt
Irland hat am Mittwoch den Anfang in Sachen Lockdown gemacht - und das, obwohl die Zahlen auf der Insel im Vergleich durchaus moderat sind: Etwa 1.000 Neuinfektionen verzeichnete man zuletzt, und das bei etwa fünf Millionen Einwohnern. Österreich hat derzeit ähnlich hohe Inzidenzwerte.
Nichtsdestotrotz heißt es für die Iren jetzt „stay at home“: Ausgangssperren für sechs Wochen wurden angeordnet, alle nicht notwendigen Geschäfte sind geschlossen, ebenso wie Pubs, Restaurants und Bars. Besucher fremder Haushalte sind in Innenräumen auch nicht mehr gestattet - einzig die Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen bleiben offen, auch das Baugewerbe ist ausgenommen.
Nächtliche Ausgangssperre auch in Belgien
Belgien hat Tschechien auf dem traurigen Platz des Rekordhalters bei den Corona-Neuionfektionen abgelöst. 17.709 neue Infektionen wurden in den vergangenen 24 Stunden registriert - und wie Virologen erwarten, werden die Zahlen trotz der zuletzt ergriffenen Maßnahmen weiter steigen.
Die Regionalregierung der Hauptstadt Brüssel hat nun wegen der explodierenden Zahlen nochmals die Regeln verschärft: So gilt ab Montag in Brüssel überall Maskenpflicht, die nächtliche Ausgangssperre beginnt bereits um 22.00 Uhr. Schwimmbäder, Sportclubs und Fitnessstudios müssen schließen, ebenso Theater, Kinos und Museen. Heimarbeit ist Pflicht, soweit dies möglich ist. Und: Kinder dürfen an Halloween nicht von Tür zu Tür ziehen.
Die belgische Regierung hatte bereits für das ganze Land die Schließung von Bars, Kaffehäusern und Restaurants, eine nächtliche Ausgangssperre von Mitternacht bis 06.00 Uhr, strikte Kontaktbeschränkungen und ein umfassendes Gebot für Arbeiten im Heimbüro verfügt.
Tschechien: Ein ganzes Land sperrt sich ein
Tschechien, das wie Belgien derzeit am massivsten von der zweiten Corona-Welle in Europa betroffen ist, hat schon seit geraumer Zeit rigorose Maßnahmen gesetzt.
Seit Donnerstag sind fast alle Geschäfte geschlossen, ausgenommen sind nur Supermärkte, Drogerien und Apotheken. Zudem werden Ausgangsbeschränkungen wie im Frühjahr verhängt. Kontakte mit anderen Leuten sollten auf die „absolut notwendige Zeit“ begrenzt werden - die Wohnung verlassen darf man nur für den Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Familienbesuche. Erlaubt sind auch Spaziergänge in Parks und der freien Natur - allerdings nur allein, zu zweit oder mit anderen Familienmitgliedern.
Die Maskenpflicht gilt ab dieser Woche auch im Freien. In Innenräumen ist die Mund-Nasen-Bedeckung ohnehin Pflicht – neuerdings auch im Auto, wenn familienfremde Personen mitfahren.
Slowenien: Ausgangssperre zwischen 21 und 6 Uhr
In Slowenien ist man bereits so weit, dass das Contact-Tracing eingestellt wurde - die Ressourcen reichen nicht mehr aus, heißt es. Die Fallzahlen sind dramatisch, die Zahl der aktiven Fälle hat sich binnen einer Woche beinahe verdoppelt.
Seit Samstag sind nicht wesentliche Geschäfte, Hotels, Kindergärten und Studentenheime geschlossen - zumindest für eine Woche. Veranstaltungen jeder Art sind abgesagt, in die Schule dürfen nur mehr Volksschüler.
Seit Dienstag gilt zusätzlich eine landesweite Ausgangssperre zwischen 21 und 6 Uhr. Ausnahmen gibt es nur für den Weg zur oder von der Arbeit sowie in Notfällen. Zudem sind Auslandsreisen untersagt - außer für Personen, die aus triftigen Gründen auf ihre Grundstücke im benachbarten Ausland müssen.
Frankreich: Ausgangssperre für Mehrheit des Landes
Am Donnerstag wurde in Frankreich eine Höchstzahl gemeldet, die es seit der ersten Welle Mitte Mai nicht mehr gegeben hat: Innerhalb eines Tages starben 165 Menschen an den Folgen einer Corona-Erkrankung.
Seit Samstag betrifft die nächtliche Ausgangssperre, die vorher nur sehr lokal begrenzt verhängt wurde, rund zwei Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes, also rund 46 Millionen Menschen. Sie gilt in 54 Départements und dem französischen Überseegebiet Französisch-Polynesien.
Deutschland: Kleine Lockdowns in tiefroten Zonen
In Deutschland hatte man lange Zeit den Eindruck, von der zweiten Welle verschont zu bleiben - bis vor einigen Tagen: Jetzt steigen bei unserem nördlichen Nachbarn die Fallzahlen auch wieder massiv, am Sonntag verzeichnete man erneut mehr als 11.000 Neuansteckungen.
Die Maßnahmen der Regierung sind allerdings nicht besonders restriktiv - zumal in Deutschland die Bewältigung der Corona-Pandemie auch den Ländern obliegt. Was allerdings verpflichtend gilt: In „roten Zonen“ - wo es mehr als 50 Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner gibt - wird die Maskenpflicht ausgeweitet, Kontaktbeschränkungen auf maximal fünf Personen sind vorgeschrieben. Privatfeiern sind auf zehn Personen beschränkt. In der Gastronomie gilt die Sperrstunde um 23 Uhr und ein generelles Ausgabeverbot von Alkohol.
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