Trump-Vize J.D. Vance: Das personifizierte Ende der "Grand Old Party"

Donald Trump zeigte bislang nie Interesse daran, einen politischen Erbverwalter unter seine Fittiche zu nehmen. Einen, der die Fackel seiner rechtspopulistischen MAGA-Bewegung, die heute nahezu identisch mit der republikanischen Partei ist, in die nächste Generation trägt.
Mit der Berufung des 39 Jahre alten Senators James David Vance, kurz „JD” aus Ohio zu seinem Vize-Präsidentschaftskandidaten hat der nach dem überstandenen Attentat beim Parteitag in Milwaukee Abend für Abend tränenreich gefeierte Trump genau diese Weichenstellung durchgesetzt. Sie kann Amerikas Konservative im Falle eines Wahlsieges im November für Jahrzehnte prägen.
Vance personifiziert das Ende der traditionellen „Grand Old Party”, die sich fiskalische Vernünftigkeit, außenpolitisch-militärische Dominanz, wirtschaftlichen Globalismus und gesellschaftspolitisches Biedermeier auf die Fahnen geschrieben hatte. Und was das Spitzenpersonal anbelangt: politisch-administrative Erfahrung.
Davon hat der frühere Armee-Korrespondent, Buch-Autor und Finanz-Investor so gut wie nichts. Erst vor 18 Monaten spülten ihn Trumps Fürsprache und das Geld des Sillcon-Valley-Milliardärs Peter Thiel in die große Politik.
Seither sitzt er als republikanischer Junior-Senator für seinen Heimat-Bundesstaat Ohio im Kongress in Washington. Und vielleicht ab Januar 2025 an der Seite von Donald Trump an der Spitze des Staates. Für eine Partei, die vor noch nicht allzu langer Zeit mit Dick Cheney oder Paul Ryan politische Schwergewichte als Nr. 2 aufgeboten hatte. Und die sich heftig mokierte, als die Demokraten einst unbeschriebene Blätter wie Bill Clinton oder Barack Obama auf die Rampe schoben.
Warum Vance?
Wie kann das sein? Womit macht Vance nicht existierende Erfahrung wett? Zumal immer noch das geflügelte Wort gilt, dass der amerikanische Vizepräsident „nur einen Herzschlag vom Oval Office entfernt ist”. Ein Satz, der seit dem Attentat auf Donald Trump vor knapp einer Woche eine neu aufgeladene Bedeutung bekommen hat.
Die Antwort ist Beleg für die Zeitenwende, die Trump 2015 eingeleitet und mit Vance' Nominierung vollendet hat: Seriosität im Staatsgeschäft. Breit gefächerte Erfahrung beim Regieren; und sei es auch nur als Bürgermeister oder Gouverneur - das zählt nicht mehr. Was zählt ist, dass J.D. Vance eine in den Jungbrunnen gefallene Version Trumps ist.
Eine, die entschieden besser reden kann. Und zwar sowohl mit Krypto-Währungs-Managern im Silicon Valley. Als auch mit weißen Arbeitern im wirtschaftlich ausgewrungenen „Rust-Belt” zwischen Ohio und Kentucky. Dort ist er aufgewachsen. Was man in seinen von Ron Howard verfilmten Bestseller-Memoiren „Hillbilly Elegy” nachlesen kann, die seit Montag wieder die Verkaufslisten anführen.
Der künftige Thronprinz des Trumpismus?
J.D. Vance hat es in den Wartestand für den künftigen Kronprinzen des Trumpismus geschafft, weil er die Eckpfeiler der „America First”-Politik verbal behütet wie kein Zweiter. Wie sein Mentor, den er noch vor zehn Jahren als „kulturelles Heroin” und „Idioten ohne Ideen und Konzepte” verunglimpfte, schwillt bei Vance die isolationistische Ader an, wenn es um die Rolle der USA als Ordnungsmacht geht.
Ginge es nach ihm, würde der Ukraine („sie ist mir offen gestanden gleichgültig”) im Kampf gegen Russland morgen der Geldhahn zugedreht. Im Frühjahr bei der Münchner Sicherheitskonferenz deklinierte der an der Elite-Universität Yale ausgebildete Katholik mit sonorem Timbre durch, was ein Machtwechsel in Washington für Europa bedeuten würde: Mehr- wenn nicht Komplett-Verantwortung für die Konfliktregelung auf dem alten Kontinent.
Für beinharte Abschottungspolitik
Vance - obwohl mit einer Frau verheiratet, die indische Wurzeln hat und dem Hinduismus folgt - versteht sich als Herold eines christlichen Nationalismus, der zu liberalen gesellschaftspolitischen Konzepten nicht nur die Nase rümpft. Er will sie einstampfen.
Er bejaht eine beinharte Abschottungspolitik gegen Einwanderer aus dem armen Hinterhof der Vereinigten Staat. Er will die heimische Industrie durch saftige Strafzölle auf sämtliche Importe schützen; vor allem, wenn sie aus China kommen.
Er hat an öffentlichen Schulen und Universitäten einen links-woken Drall ausgemacht hat, dem man nur mit Entschiedenheit begegnen könne. Wie?
Vorbild Viktor Orbán
„Wie Viktor Orbán das getan hat", sagte Vance neulich in einem Interview und ließ Star-Moderatorin Margaret Brennan ungläubig den Kopf schütteln. Dass der ungarische Regierungschef, eng mit Donald Trump verhandelt und eine Art Emmissär zu Wladimir Putin, de facto durch Finanzentzug „erfolgreich gegen eine linkslastige Vorherrschaft an den Universitäten” vorgegangen sei, sagte Vance, daran könne sich Amerika ein Beispiel nehmen.
Wie Donald Trump äußert J.D. Vance seit einiger Zeit offene Bewunderung für den starken Mann in Budapest. Ihm imponiert, wie das kleine Ungarn der EU auf der Nase herumtanzt. Brüssel, so Vance, versuche dem Kontinent „liberale, imperialistische Sichtweisen aufzuzwingen”.
Wie Orban sich mit einer kompromisslosen Anti-Einwanderungs-Politik dagegen behauptet, wie er sich eine Vermittler-Rolle im Ukraine-Russland-Krieg anmaßt, wie er die Zivil-Gesellschaft presst und unabhängige Medien gängelt, all das mit der Pose eines starken Nationalisten, das imponiert J.D. Vance seit Langem.
Darum überrascht es nicht, dass Balazs Orbán, ein Top-Berater des ungarischen Präsidenten, Vance' Nominierung gerade so kommentiert hat: „Eine Trump-Vance-Regierung klingt genau richtig.”
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