Amerika unter Schock: Ein Friedensgipfel muss her
Dutzende Hollywood-Filme habe die Situation für die Leinwand schon oft aufgeführt: Ein Scharfschütze legt unter freiem Himmel aus einiger Entfernung auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika an, verletzt ihn schwer oder tötet ihn gar.
Am Samstagabend hat möglicherweise nur eine Haaresbreite gefehlt und ein eben solcher Attentatsversuch auf Donald Trump hätte im wirklichen Leben mit dem Tod des republikanischen Präsidentschaftskandidaten enden können.
Vier Monate vor dem Urnengang um das Weiße Haus. 48 Stunden vor Beginn des Krönungsparteitags, der Trump nach 2016 und 2020 zum dritten Mal offiziell zum Kandidaten für das höchste Staatsamt ausrufen soll.
Land in Schockstarre
Dass es nach ersten und vorläufigen Befunden der Behörden bei einer Art Streifschuss blieb, der Trump am rechten Ohr traf, ist offenbar nur einem Schutzengel geschuldet.
Ein Gast der Kundgebung, die Trump in einem kleinen Örtchen in Pennsylvania abhielt, erlag schweren Kopfwunden. Der Todesschütze, über den bisher nichts bekannt ist, wurde vom Secret Service getötet. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Wer den Augenblick, in dem Trump getroffen wurde, im Live-Stream in Echtzeit miterlebt hat, musste sich kneifen. Ist das wirklich gerade geschehen? Oder hat die Künstliche Intelligenz ihren bisher infamsten Streich gespielt. Nach spätestens 30 Sekunden war klar: Das hier ist bitterster Ernst.
Letzte Mordversuche vor 60 Jahren
Nach den tödlichen Attentaten auf John F. Kennedy, Robert Kennedy und Martin Luther King vor fast 60 Jahren, nach dem versuchten Mord an dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan 1981 stehen die USA erneut an einem Abgrund: Politische Gewalt, die parteiübergreifend geächtet schien, hat sich wieder Bahn gebrochen bis ganz nach oben. Das Land ist in Schockstarre. Von A bis Z sind alle Fakten und Hintergründe, die den Akt erklären könnten, naturgemäß für die Öffentlichkeit noch unbekannt.
Das macht es Verschwörungsunternehmern gerade in sozialen Medien leicht, Volkes Gemütslage in Wallung zu bringen.
Wenn Ex-Twitter Boss Elon Musk noch Restbestände von Anstand besitzt, lässt er Schnellschüsse, die in einem extrem polarisierten Land leicht zu Vergeltungsaktionen (Rechte gegen Demokraten/Linke) führen, sofort blockieren. Es liegt jetzt an allen Menschen in Verantwortung in Politik, Medien und Gesellschaft, die Empörungsmaschine nicht mit unbedachten Äußerungen anzuheizen.
Präsident Joe Biden ist hier zwei Stunden nach der Tat mit gutem Beispiel vorangegangen. Er hat die Gewalt gegen seinen Kontrahenten vehement als “krank” und verurteilt und Trump seine Gebete für eine schnelle Heilung zugesichert. Er sprach davon, dass er “Donald” noch am Abend persönlich sprechen wollte.
Die Konsequenzen des Attentatsversuchs sind im Moment noch nicht zu übersehen. Werden die Republikaner ihren Parteitag in Milwaukee wie geplant durchführen? Darf sich Trump einer Solidaritätswelle gewiss sein, die ihn im November erneut ins Weiße Haus spült? Elon Musk hielt es für angebracht, Trump offiziell für die Präsidentschaft zu empfehlen.
Werden die Wahlen im November überhaupt durchgeführt? Wird die Beinahe-Katastrophe bei Joe Biden einen Sinneswandel beschleunigen, der in einen Rückzug von der Kandidatur münden kann? Bleibt es im Land ruhig oder gelingt es Scharfmachern, aus der Tragödie Kapital zu schlagen?
Alle Vorverurteilungen und So-war-es-Erzählungen verbieten sich. Aber klar ist und bleibt: Gewalt, begünstigt durch über 400 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz, hat sich unwiderruflich in die DNA der Supermacht eingefressen.
Sie macht seit Langem auch vor Repräsentanten des Staates keinen Halt. Dem Mann der ehemaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wurde in San Francisco der Schädel eingeschlagen, weil der politisch feindselige Täter die Demokratin selbst nicht antraf. 2011 schoss ein mental kranker Mann die damalige demokratische Kongress-Abgeordnete in Arizona so zusammen, dass sie bis heute behindert ist. Steve Scalise, einer der Top-Republikaner im Kongress, wurde 2017 bei einem Baseballspiel unter Feuer genommen und lag wochenlang im Krankenhaus.
Zur Schicksalswahl stilisiert
Über die Gründe wird seit Jahrzehnten spekuliert. Dabei zeigen, man muss es leider auch im Frühstadium der Aktualität so sagen, zehn Finger auf die Politik zurück.
Republikaner wie Demokraten stilisieren die Wahl im November zu einer Schicksalswahl hoch zwei. Für die einen wird Amerika zur christlich-fundamentalistischen Diktatur wird, weil Trump im Schutz des Obersten Gerichts autokratische Grundzüge entwickelt und seine Gegner einsperren lassen wird.
Für die anderen steigt Amerika zur von Millionen illegalen Einwanderern überrannten Bananenrepublik ab, in der Babys auch noch der Geburt abgetrieben werden dürfen, wenn Joe Biden im Amt bleibt.
Beide Zerrbilder sind so extrem, wahrheitsfern und unversöhnlich, dass man seit Trumps Amtsantritt 2017 gehäuft darüber raunt, ob die USA schleichend in ein neues Bürgerkriegs-Szenario schlittern.
Die Schüsse von Butler müssen eine Zäsur bedeuten. Die auf die Spitze getriebene Feindseligkeit, an der Trump einen gehörigen Anteil hat, muss aufhören. Auf beiden Seiten. Nach dem Nato-Gipfel braucht das Land Besonnenheit - am besten einen Inlands-Friedensgipfel.
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