Schon die ersten Maßnahmen gegen Ungarn, die in Brüssel, aber auch in EU-Hauptstädten ausgeheckt wurden, hatten etwas von einer Teenager-Verschwörung gegen einen unliebsamen Mitschüler. EU-Gipfel in Brüssel bewusst so anzusetzen, dass sie zeitgleich mit jenen in Budapest stattfinden und diese damit ohne EU-Minister auskommen müssen, ist ein reichlich infantiler Streich.
Orbán hat – wie man es von ihm gewohnt ist – die Gelegenheit der EU-Ratspräsidentschaft sofort genützt, um sich in Szene zu setzen und die gesamte EU zu provozieren. Die Ausflüge nach Moskau, Peking und zuletzt zu Donald Trump, die Orbán großspurig als Friedensmissionen deklarierte, waren Theaterdonner – und der hat außer Schall und Rauch noch nie etwas produziert.
Doch wohin er reist und mit wem er redet, bleibt Ungarns Regierungschef überlassen, so wie auch jedem anderem Amtskollegen. Dass er sich dabei mit dem Mascherl des EU-Ratsvorsitzenden herausgeputzt hat, ist eitel und stillos, aber kein Vergehen und schon gar kein Bruch der EU-Regularien.
Es gibt handfestere Mittel, gegen den Abbau der ungarischen Demokratie vorzugehen
Diese Regularien bricht Ungarn auf ganz andere und viel skrupellosere Weise: Der Rechtsstaat wird abgewrackt, EU-Geld landet in den Taschen von Günstlingen, demokratische Freiheiten werden untergraben. Gegen all das muss die EU noch konsequenter vorgehen als bisher.
Das Artikel-7-Verfahren, das Ungarn wegen der Vergehen der Orbán-Regierung das Stimmrecht entzieht, muss runter vom Abstellgleis. Kein Euro an EU-Fördergeldern darf nach Ungarn fließen, wenn die Regeln für die Vergabe nicht erfüllt sind. Die EU besitzt inzwischen genügend Instrumente, um Verstöße gegen Europas gemeinsame Grundprinzipien wirkungsvoll zu ahnden.
Doch die EU sollte nach den Buchstaben ihrer Gesetze vorgehen, nicht nach politischem Ermessen und mit politischen Tricks. Die kann man ruhig Orbán überlassen.
Wenn Europa so unsauber spielt wie er selbst, bestätigt das nur seine Erzählung von der Willkür des übermächtigen Brüssel, das das kleine Ungarn in die Knie zwingen will. Den Trumpf darf man ihm nicht gönnen.
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